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May
- Die Schneiderin des Todes
Bereits
in ihrer Schulzeit wurde die kleine May Cannady (Angela Bettis) aufgrund eines
schielenden Auges von ihren Mitschülern ausgegrenzt. Die zum Geburtstag
von der Mutter mit den Worten "Wenn Du keine Freunde findest, mach Dir
welche!" überreichte Puppe wird ihr zum Schicksal: Auch Jahre später
noch ist die zwar noch immer schielende, aber dennoch attraktiv gewordene und
etwas verhuschte May vom sozialen Leben weitgehend ausgeschlossen und auch in
Sachen Liebe so unerfahren wie anlehnungsbedürftig. Ihre ausgesprochen
morbide Ader steht ihr zusätzlich im Weg. In ihren freien Stunden flüchtet
sie sich in die Schneiderei, um, nach einigen Enttäuschungen und Verletzungen
mehr, einen blutig-melancholischen Plan in die Tat umzusetzen: "Wenn Du
keine Freunde findest, mach Dir welche!"
May
- Die Schneiderin des Todes
ist weit weniger Horrorkino in dem Sinne, dass man sich gruseln möge, sondern
am ehesten noch ein Film über Horrorfilme (was auch in der Spielhandlung
selbst zum Tragen kommt: Adam, in den sie sich verliebt, gibt sich als Fan von
Dario Argentos Filmen zu erkennen). Mehrere Topoi des Genres werden aufgegriffen
und miteinander verquickt oder aber einer Inversion unterzogen: Ein Wesen wird
gebaut, aus Leichenteilen obendrein, Liebe und Zuneigung wird gesucht wie verweigert
- das ist natürlich der klassische Frankenstein-Stoff. Interessant hierbei
aber vor allem die clevere Umkehrung: Der "Doktor" ist es nunmehr
selbst, dem die Gesellschaft die Eingliederung und Zuneigung verwehrt, die Kreatur
- nur zum Ende bekommt man sie kurz zu sehen - fungiert beinahe schon nur noch
als das, was die Filmtheoretikerin Judith Halberstam gerne den "lesbian
dildo" im Horrorfilm nennt. Die Leichenteile wollen zunächst beschafft
werden: Indem sich May vor allem bei denen bedient, die ihr Sexleben allzu unbekümmert
ausleben (können) und sie zuvor aus diesem Kreislauf der Zuneigung und
Sexualität ausgegrenzt haben, adaptiert der Film Motive des Serialkillermovies,
in dem vor allem promiskuitive Teens um ihr Leben bangen müssen.
Der
diesem Subgenre meist anhaftende reaktionäre Beigeschmack wird in May indes
recht clever vermieden: Das Verhältnis zwischen den Opfern und ihrer (in
diesem Falle) Mörderin entwickelt sich keineswegs unter puritanischen Vorzeichen,
eher noch geht es um die Offenlegung sexueller Ökonomien, um das Verhältnis
der sozialen Peripherie zu ihrem Zentrum. Wenn May also mordet, dann ist das
ebenso sehr Folge ihrer permanenten Ausgrenzung wie Carrie Whites Amoklauf in
Brian de Palmas Carrie
(USA 1976) und entsprechend kein Akt der Aggression, sondern eher noch der verzweifelte
Aufschrei einer beschädigten Seele. So ist dies denn die wahre Stärke
dieses so intelligent wie einfühlsam inszenierten Films: Zu keinem Moment
verbirgt er die Tatsache, dass die eigentliche Erzählung des Horrorfilms
hinter allen Schauwerten und Effekten sich meist doch als das Drama menschlicher
Tragödien darstellt. So entpuppt sich May
- Die Schneiderin des Todes
nicht nur wegen des Soundtracks, der ausgeglichen zwischen gothisch-gruseligen
Kindersängen und melancholischem Gitarrenpop hin und her pendelt, auch
als ein melancholisch-morbides Märchen des Post-Grunge-Zeitalters.
Nicht
umsonst stellt der Film somit einen der Konsensfilme des Fantasy Filmfests 2003
dar und geisterte bereits im Vorfeld seiner Veröffentlichung als Kultfilm
in spe durch diverse Internetforen und -kanäle. Umso erfreulicher ist es,
dass dem Film von der Media Corporation One (mc one) eine angemessene und entsprechend
überzeugende DVD-Edition gegönnt wurde. Eine für das Label beinahe
schon obligatorisch stimmungsvolle und ästhetisch ansprechende Menugestaltung
bereitet ideal auf das makaber-melancholische Vergnügen vor. Das Bild des
Films ist exzellent und überzeugt durch exzellente Schärfe, geringes
Rauschen und sorgfältig ausgepegelte Kontrast- und Farbwerte. Ähnliche
Sorgfalt wurde auch dem Ton entgegengebracht. Sogar die deutsche Synchronisation
- für Filme dieses Produktions- und Vermarktungshintergrunds eher untypisch
- ist gelungen und überzeugt mit klangfarblich passenden, vor allem aber
kompetenten Sprechern. Da auf der DVD auch der Originalton zu finden ist, bleibt
die Synchronisation für Filmfreunde aber eh bloß zweite Wahl für
den Zweifelsfall. Auch die Zusatzausstattung kann sich ohne weiteres sehen lassen:
Neben gleich zwei (leider nicht untertitelbaren) Audiokommentaren mit jeweils
unterschiedlichen Zusammensetzungen aus dem Produktionsteam gibt es die obligatorischen
Trailer und mehrere Texttafeln zu den Bio- und Filmografien der wichtigsten
Beteiligten. Alles in allem ist der mc one mit dieser DVD eine rundum gelungene
Edition eines bemerkenswerten Films gelungen, die man gerne in die private Mediathek
aufnimmt. Außerdem beweist sie erneut ihr glückliches Händchen
für interessante Independentproduktionen aus Übersee. Angesichts der
regelmäßig hohen Qualität der Releases kann einem das nur recht
sein.
Thomas
Groh
Diese
Kritik ist zuerst erschienen bei:
May
- Die Schneiderin des Todes
(USA
2002)
Regie:
Lucky McKee
Darsteller:
Angela Bettis u.a.
DVD
Technische
Details:
o
Sprachen: Deutsch (Dolby Digital 5.1) Englisch (Dolby Digital 2.0)
o
Bildformat: 1.85:1 anamorph
o
Untertitel: Deutsch für Hörgeschädigte
o
Regionalcode 2
Zusatzmaterial:
o
Audiokommentare von Regisseur Lucky McKee, von Angela Bettis u.a.
o
Trailer Deutsch und Englisch
o
Biografien
o
Production Notes
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