zur
startseite
zum
archiv
Viel
wird geschrieben über Peter Jackson anlässlich des Kinostarts seines
King
Kong-Remakes.
Und viele erinnern sich daran, dass der Neuseeländer am Beginn seiner beispiellosen
Karriere Splatter-Filme wie Bad
Taste
oder Braindead
drehte. Dass er aber vor seinem Ausflug ins Arthouse-Kino (Heavenly
Creatures),
der ersten Annäherung an den Mainstream (The
Frighteners)
und schließlich dem überragenden Erfolg mit der Herr
der Ringe-Trilogie
auch noch diesen wunderbaren Marionettenfilm inszenierte, vergessen leider die
meisten.
Der
naiv-vertrottelte Igel Wobert (Ja, „Wobert“, wie in: „You dwink!“ oder „Will
you mewy me?“) ist ein großer Fan des Feebles-Varietés. So ist
es eine Ehre für ihn in einer Nebenrolle in der Show mitspielen zu dürfen.
Beim Vorsprechen findet er sich in einem Zoo voller abseitiger Gestalten wieder.
Da gibt es den Seelöwen Bletch, Manager, Waffenschieber, Dealer und ein
fresssüchtiges Nilpferd von einer Frau, Heidi, den Star der Show. Die widerliche
Ratte Trevor, Pornoregisseur und in alle schmutzigen Geschäfte Bletchs
involviert und einen depressiven und alkoholsüchtigen Elefanten, der sich
den Unterhaltsforderungen einer Henne für ein angeblich gemeinsames Kind
stellen muss, wobei die Beweislage durchaus erdrückend ist. Einen Frosch,
der seit seinen traumatischen Erlebnissen im Vietnam-Krieg ständig sämtliche
der Menschheit bekannten Drogen konsumiert, das Karnickel Harry, das sich munter
durch die weibliche Belegschaft des Feebles-Balletts rammelt und sich dabei
scheinbar eine Geschlechtskrankheit namens „The Big One“ zugezogen hat und viele
andere. Zu allem Überfluss verliebt sich unser kleiner „Held“ auch noch
auf den ersten Blick unsterblich in die schöne Pudeldame Lucille.
Unter
dem Mantel der gestalterischen Nachahmung der Muppet-Show
kombiniert Jackson Splatter und Sex mit dem dreckigen Weltbild zynischer B-Movies
wie Combat
Shock
sowie Soap-Opera-Elementen und garniert das Ganze mit Anspielungen kreuz und
quer durch die Filmgeschichte. Mal in Form direkter Zitate, etwa das an de Palmas
Gangster-Epos Scarface
angelehnte blutrünstige Finale, mal in Anleihen an typische Genremomente,
wie in dem Flashback, der zeigt, wie Heidi und Bletch sich kennen lernten. So
entsteht eine Nummernrevue der Perversionen und Ausschreitungen von de Sadeschen
Ausmaßen. Unentwegt darf man der skurrilen Ansammlung von Tier-Charakteren
beim Ficken und Fixen, beim Saufen und Koksen, beim Pissen und Kotzen, beim
Morden und Sterben zusehen. Wie bei de Sade, aber auch beim bösen Personal
eines Dickens-Romans ist das Handeln aus niedrigsten Beweggründen oberstes
Gebot. Mit Dickens sind dem Film auch die durchaus moralistischen Züge
gemein, die sich unter der obszönen Oberfläche verbergen. Allerdings
konterkariert die Moral bei Jackson nicht hauptsächlich als Konzept des
metaphysischen, rational nicht erklärbaren und von Widrig- und Widerlichkeit
der Verhältnisse unberührbaren „Guten im Menschen“ die böse Profitgier,
sondern ergibt sich als „unsichtbare“ Antithese zur absoluten Amoralität
des gezeigten. Indem Jackson das Allzumenschliche ins Tierreich projiziert,
zeigt er im Sinne einer klassischen Fabel auch das Kreatürliche und Triebhafte
am menschlichen Verhalten.
Seinen
absoluten Höhepunkt erreicht das versaute Treiben sicherlich in einem Rückblick
auf den Vietnam-Krieg. Um zwei liebevoll nachgestellte Szenen aus Full
Metal Jacket
und
Die
durch die Hölle gehen
arrangiert bildet er das Kabinettstück des Films. Nirgendwo harmonieren
Wiedererkennungswert und Verfremdungseffekt so formvollendet. Nirgendwo sonst
entwickelt sich aus dem grotesk Absurden (schließlich wohnt man hier einem
„Vietnam-Krieg“ zwischen Pferden und Amphibien auf der einen und Nagern auf
der anderen Seite bei) so ehrliche Tragik. Nirgendwo sonst ist der Film gleichzeitig
so brutal und lustig.
Die kleineren Schwächen ergeben sich wohl hauptsächlich
aus der Position in Jacksons Oeuvre. Während bei Bad Taste die No-Budget-Not noch kurzerhand zur Trash-Tugend gemacht
wurde (wer sich hier über die bisweilen eklatanten Längen bei kurzer
Laufzeit beschweren möchte, sitzt sowieso im falschen Film) und bei Braindead alles B-Film-hafte bereits vordergründige Behauptung
war, hinter der mit viel aufwändiger Tricktechnik und – auch dramaturgischer
– Professionalität gearbeitet wurde, markiert
Meet the Feebles den Zwischenschritt vom Amateur zum Profi. So hinkt das Drehbuch
manchmal hinter den virtuos animierten Marionetten und genialen Kostümen
hinterher. Namentlich in der Viertelstunde zwischen Vietnam-Szene und großem
Showdown, merkt man, dass die eigentlich normale Laufzeit von 95 Minuten für
ein derartiges Projekt ziemlich lang ist.
Sei’s
drum, wer Jacksons andere, frühe Filme nicht in erster Linie bescheuert
und widerlich fand oder gar gewaltverherrlichend, wie unsere lieben Jugendschützer,
die fürsorglicherweise auch erwachsene Bundesbürger vor der Wahl des
„falschen“ Videoprogramms behüten, wobei eine Zensur natürlich nicht
stattfindet (dit würd ja jegen dit Grundjesetz vastoßen), sondern
brüllend komisch, der dürfte auch an Meet
the Feebles
seinen Spaß haben.
Meet
the Feebles
MEET
THE FEEBLES
Neuseeland
- 1990 - 93 min. - FSK: ab 18 - Erstaufführung: 9.5.1991 Kino/7.11.1991
Video
Produktion:
Jim Both, Peter Jackson
Regie:
Peter Jackson
Buch:
Danny Mulherson, Frances Walsh, Stephen Sinclair, Peter Jackson
Kamera:
Murray Milne
Musik:
Peter Dasent
Schnitt:
Jamie Selkirk
zur
startseite
zum
archiv