zur startseite

zum archiv

Metropolis

 

 

Inhalt:

Joh Fredersen ist der Herr über Metropolis: Ein Stein gewordenes Monument menschlicher Genialität und menschlichen Größenwahns. Ungezählte Meter darunter, tief im Erdreich, befindet die Stadt der Arbeiter, in der Tausende ihrer Tätigkeit an riesigen Maschinen nachgehen, während sich in den "Ewigen Gärten" von Metropolis die Menschen vergnügen. Freder Fredersen aber, der Sohn von Joh Fredersen, begibt sich freiwillig nach unten, um dieses Fundament seines eigenen Lebens sebst sehen zu können. Als die Arbeiter unter der Leitung einer Frau namens Maria den Aufstand proben, fassen Joh Fredersen und der besessene Erfinder Rotwang eine teuflische Idee. 

 

 

Kritik:

Was kann man noch über einen Film wie Metropolis sagen, heute, fast 75 Jahre nach seiner Erstaufführung am 10. Januar 1927 in Berlin? Was kann man sagen über den bedeutendsten Film deutscher Herkunft, der kürzlich von der UNESCO ins so genannte "Gedächtnis der Menschheit" aufgenommen worden ist; was über ein Werk, nach dem der Science-Fiction-Film nicht mehr das war, was er zum Beispiel in Zeiten des großen Pioniers Georges Méliès war? Nun, heute kann man das wohl berühmteste Werk des legendären Österreichers Fritz Lang sicherlich längst nicht mehr nur als ein Beispiel zelluloiden Schaffens sehen, sondern viel mehr als ein historisches Dokument vergangener Tage und das sage ich von einem Film, der augenscheinlich dem Genre Science-Fiction angehört.

In unseren Tagen kommt man nicht umhin, sich Metropolis auf eben diesen zwei wesentlichen Ebenen anzuschauen, nämlich der von Metropolis als Ausnahmewerk der Stummfilmzeit und der von Metropolis als visualisierte politische Stellungnahme und als Parabel auf einen Teil deutscher Geschichte. Bleiben wir aber zunächst bei der ersten Ebene: Metropolis markierte 1927 die dreizehnte Regiearbeit des 1890 in Wien geborenen (gestorben 1976) Kinovisionärs Fritz Lang, der später vor allem durch die meisterhaften Kriminalfilme M - Eine Stadt sucht einen Mörder (1931; sein erster Tonfilm) und Das Testament des Dr. Mabuse (1933) große Erfolge in Deutschland feiern konnte. Der hier rezensierte Film war ursprünglich in zwei Teilen zu je etwas mehr als dreieinhalb Stunden aufgeführt worden, woraufhin dann etwas später eine stark gekürzte Fassung in die Kinos kam, was zur bis heute betrauerten Folge hatte, dass weite Teile des Filmes als verschollen gelten. Heute kursieren zahlreiche Versionen des Werkes mit Längen von lediglich 80 Minuten bis hin zu einer auf der Berlinale 2001 vorgestellten Version von knapp 150 Minuten.

 

Vielleicht gerade wegen der anfänglich monumentalen Länge und der sehr ungewöhnlichen Machart von Metropolis scheiterte er überraschenderweise vollkommen an den Kinokassen und markiert dennoch den im Ausland bekanntesten deutschen Stummfilm und brachte Fritz Lang viel Beachtung, wenn auch nicht durchgehend positive Kritiken; im Gegenteil, der Film polarisierte seinerzeit stark. War man doch in jenen Jahren eher die utopische Schilderung einer vollkommen fremden und unvorstellbaren Zukunftsvision à la Jules Verne und den humoristisch-märchenhaften Unterton eines Filmes wie Le Voyage Dans La Lune (1902) gewohnt, und hatte auch vor allem gerade Fritz Lang zuletzt mit Die Nibelungen: Siegfried und Die Nibelungen: Kriemhilds Rache (beide 1924) die deutsche Volksage schlechthin recht konventionell und eingängig auf die Leinwand gebracht, so konnte man sich mit dem monumentalen, dramatischen und seltsamerweise stark sozialkritisch assoziierenden Epos Metropolis nun gar nicht anfreunden.

 

Dabei bietet das Werk vor allem in technischer Hinsicht Erstaunliches, was die Menschen seinerzeit aber wohl seltsamerweise nicht zu interessieren verstand: Auf stark suggestive, fast hypnotische Weise spielt Lang mit expressionistischen Hell/Dunkel-Effekten und gibt der Stadt Metropolis ein opulentes, teils wahrlich überbordend und bedrohlich wirkendes Äußeres. Der Aufwand, der dieses Manifest inszenatorischer Brillanz möglich machte, war enorm und ließ sich in Relationen gesehen damals am ehesten mit dem von The Birth Of A Nation von Stummfilmlegende D. W. Griffith vergleichen: Knapp 36.000 Statisten, rund fünf Millionen Mark teuer und zwei Jahre Drehzeit, erstmals wurde in einem Spielfilm das so genannte Schüfftan-Verfahren (Arbeit mit kleinen Modellen, die letztlich wie riesige Bauten wirken, was ja auch heute noch Verwendung findet) verwendet, um die riesigen Wolkenkratzer und Bauten der Stadt auf die Leinwand zu bannen, Lang erfand die Kameraschaukel und ließ den Architekten Otto Hunte die Gebäude entwerfen, von dem Luis Bunuel sagte, er ließe das Kino zum Interpreten der kühnsten Träume der Architektur werden.

 

Mit diesen - für die heutige Zeit bescheidenen - Mitteln generierte Fritz Lang eine düstere Zukunftsvision des absoluten Größenwahns und besetzte seine Charaktere mit namhaften Darstellern wie Alfred Abel oder Rudolf Klein-Rogge, der für den Regiemeister auch schon in Der müde Tod und später sehr psychotisch in Das Testament des Dr. Mabuse vor der Kamera stand. Sämtliche Darsteller agieren sehr gut, wenn auch teils ein klein wenig "overacted" (wenn man aber M - Eine Stadt sucht einen Mörder mal gesehen hat, dann weiß man, dass Lang nicht unbedingt großen Wert auf zurückhaltendes Spiel legte), inmitten der technisch wegweisenden Perfektion. Wenn man sich nun von der Beschaffenheit und Machart des Werkes in formaler Hinsicht loslöst und zur Handlung kommt, begibt man sich unweigerlich auf die oben angesprochene, zweite Ebene.

 

Für mich war Metropolis immer weitaus weniger ein in der Zukunft spielender Film, als denn eine Parabel auf die Verhältnisse im Deutschland der Gegenwart. Dafür muss man sich vor Augen halten, in welcher Zeit der Film entstanden ist: Die Weimarer Republik liegt in ihren letzten Zügen und befindet sich gleichzeitig auf dem Höhepunkt ihrer Dekadenz. In den deutschen Metropolen wie Berlin lebt man als wohlhabender Mensch trotz des hochverschuldeten Staates ein ausgelassenes und lüsternes Dasein und die Gesellschaft ist nicht erst seit diesem Zeitpunkt arg zerteilt. Während sich die Reichen den Freuden des Alltags hingeben und sich immer weiter in ihre Hybris verstricken, vergessen sie zunehmend das leidende Fundament ihres Wohlstandes - die arbeitende Bevölkerung. In Metropolis wird dieser Zustand fast schon überdeutlich durch die auch lokal gesehen extreme Klassifizierung dieser beiden eigenständigen Welten visualisiert. Die Reichen sind das Hirn - die Einwohner von Metropolis, symbolisch dargestellt von Joh Fredersen - und können ihren "Turm zu Babel" (wie die Stadt Metropolis im Opus Langs metaphorisch einmal genannt wird) nicht weiterbauen ohne ihren Sklaven - die Hände.

 

Da die Arbeiter aber nicht mehr an den Plänen der Bourgeoisie interessiert sind und sich nach einer Befreiung von der hilflosen Unterdrückung durch die gottgleichen Kapitalisten sehnen, beginnt Rotwang mit dem Bau eines Roboters, der wesentlich effizienter arbeiten kann (wird im Film nur beiläufig angesprochen), als etliche Menschen es je könnten, was symbolisch für die zunehmende Mechanisierung der Arbeitswelt der Weimarer Republik und den damit verbundenen Abbau von Arbeitsplätzen steht. Aus dieser Uneinheit des Reiches und den uneinsichtigen Fronten mündet alles letztlich in die große Katastrophe (historisch gesehen die Machtübernahme Hitlers), die im Film temporär bedingt nur vorausschauend und gerade deshalb so unglaublich genial durch das Wasser und die Überflutung der Arbeiterstadt dargestellt wird. Schließlich stellt der Film die Forderung, dass es zwischen dem Hirn und den Händen eines Mittlers bedarf, nämlich des Herzens. Spätestens hier standen die Kritiker seiner Zeit kopf und taten den Film als stark simplifizierenden Kitsch ab. Dieser Einwand mag im Jahre 1927 seine Berechtigung gehabt haben. Schaut man sich aber aus dem Jahre 2001 heraus Metropolis an, so entdeckt man ein Ausnahmewerk des Kinos, das eine brillante Sozialkritik aufweist, sowohl technisch wie dramaturgisch wegweisend war, das ob seiner starken Symbolbeladenheit geradezu zu Diskussionen und Interpretationen auffordert und ohne welches weite Teile der Filmgeschichte nicht denkbar wären. Metropolis von Fritz Lang lässt sich heute nur noch mit einem Begriff würdig umschreiben: Ein Jahrhundertwerk, das man gesehen haben muss!

 

 

Janis El-Bira

 

Dieser Text ist zuerst erschienen bei:   MovieMaze

Zu diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere Texte

 

Metropolis

(Metropolis, Deutschland 1927)

Regie: Fritz Lang 

Premiere: 10. Januar 1927 (Deutschland) 

Drehbuch: Fritz Lang 

FSK: ab 16 

Land: Deutschland 

Länge: 153 min 

Darsteller:

Alfred Abel (Johhan Fredersen), Gustav Fröhlich (Freder Fredersen), Brigitte Helm (Maria/The Robot), Rudolf Klein-Rogge (C.A. Rotwang), Fritz Rasp (Slim), Theodor Loos (Josaphat), Heinrich George (Grot), Fritz Alberti (kreativer Mensch), Grete Berger (Arbeiterin), Erwin Biswanger (Georg), Olly Boeheim (Arbeiterin), Max Dietze (Arbeiter), Ellen Frey (Arbeiterin), Beatrice Garga (Frau in den Ewigen Gärten), Heinrich Gotho (Zeremonienmeister) 

 

zur startseite

zum archiv