zur
startseite
zum
archiv
Michael
Bay’s Texas Chainsaw Massacre
The
Texas Blair Meat Project
Das
Comeback des Terrormovies
"Blair
Meat" steht in großen Lettern über dem industriellen Schlachthof
zu Beginn. Das ist nicht nur ein produktionsinterner Witz - Greg Blair zeichnet
als Production Designer verantwortlich -, sondern auch als Referenz an jüngere
Filmgeschichte zu verstehen. Regisseur Marcus Nispel lässt sein Remake
von Tobe Hoopers Texas
Chain Saw Massacre
- ein Film, der die Schraube der Authentizitätsstrategien im Horrorfilm
ordentlich andrehte - mit allerlei verwackeltem und im Nachhinein auf alt getrimmtem
Filmmaterial der Tatortbegehung beginnen, das in seiner Ästhetik dem im
(fiktional) wahrsten Sinne des Wortes found footage aus Blair
Witch Project
sehr nahe kommt. Einem Film also, der dem seit Scream
reichlich ironisch und somit zahnlos gewordenen Horrorfilm eine neue Ernsthaftigkeit
bescherte, die nun ihre Wirkungen zu zeitigen beginnt und die die jüngste
Inkarnation des Leatherface-Franchise, nicht zu ihrem Nachteil, dankbar aufgreift.
Weitere
Verweise erspart sich der Film, wenn er die an sich knappe Geschichte von den
Teens, die im texanischen Hinterland in die Fänge einer kannibalistisch
veranlagten, bizarren Familie geraten, erneut ausformuliert. Da man sich in
der Tat nicht als Fortsetzung begreift, sondern einmal mehr "die wahre
Geschichte" (die natürlich auch schon 1974 nicht wahr gewesen ist)
aufrollt, kann man seine Opfer bedenkenlos im Jahr 1973 gänzlich frei von
naseweisem Genrewissen, wie es in Wrong
Turn,
der ebenfalls in diesem Jahr in den Kino zu sehen war, noch haufenweise (und
oft auch penetrant) zum Besten gegeben wurde, in ihr Unglück laufen lassen,
ohne dabei realitätsfern zu wirken. Da man obendrein in Hoopers Vorgaben
nur eine strukturell, nicht aber im Detail verbindliche Vorlage sieht, entwickelt
sich von Anbeginn an ein Suspense, der zwar mit dem Wissen des Zuschauers um
die Narration des Originals spielt, nicht aber im Film selbst, etwa in den Dialogen
der Protagonisten, das Genre thematisiert oder gar dieses Spiel in den Vordergrund
rückt. In dieser grimmigen Ernsthaftigkeit entwickelt der Film einen Reiz,
auch indem er vor der - das Unbehagen des Betrachters einkalkulierenden - Fortschreibung
der Geschichte der Zerfaserung des Fleisches (die vor seiner Ironisierung eigentlicher
Gegenstand des Splatterfilms gewesen ist) nicht zurückschreckt. Es werden,
so eindringlich inszeniert wie schon lange nicht mehr, Beine abgetrennt oder
halbtote Opfer an Fleischerhaken aufgespießt.
Es
mag dies vielleicht, angesichts des Geschichtsverlaufs des Genres, anachronistisch
sein, kommt aber dem Film zugute, zumal man auch auf allegorischer Ebene ein
Projekt des Originals ungleich deutlicher und somit auch eindringlicher fortschreibt.
Was Hooper in seinem von den Eindrücken der Berichterstattung des Vietnamkriegs
und der oft gewaltsamen Niederschlagung der Bürgerrechtsbewegung in den
USA geprägten Original einst nur suggerierte - dass nämlich der für
den Film so wichtige geografische Raum der eigentliche Nährboden des gezeigten
Grauens sei - formuliert Nispel zur Gänze aus: Texas ist hier nicht mehr
nur Raum, sondern Zustand. Eine Denunziation, die sich am augenscheinlichsten
in einer der vielen grotesken Figuren des Spiels manifestiert: Sheriff Hoyt,
dargestellt von R. Lee Ermey, der hier - ein echter Casting-Glücksgriff
- schon dank seines uniformierten Auftretens an seine Glanzleistung als sadistischer
Ausbilder in Kubricks Full
Metal Jacket
erinnert, entpuppt sich, zunächst noch provinziell debiler Ordnungshüter,
als Komplize des kettensägenbewehrten Schreckens, dessen sadistische Psychospiele
mit dem einen Teil des Teenagergrüppchens parallel zu den ersten Abschlachtungen
in Leatherface' unheimlichen Keller montiert werden. Auch andere unheimliche
Zeitgenossen hier und da am Wegesrand dieses langen Martyriums finden sich zum
Ende hin auf dem Familienanwesen weitab jeder Zivilisation ein und formen eine
paranoide Parabel auf den amerikanischsten aller Bundesstaaten, in dem sich
der reaktionäre White Trash vollends in den degenerierten Wahnsinn katapultiert
hat: "Don't mess with Texas!".
Entgegen
allen Unkenrufen, die der Produktion voraus geeilt waren, ist Nispel ein zwar
mit plot holes gespickter, im Ganzen aber verstörender, angenehm unsteriler
Splatterfilm gelungen, wie man ihn sich nach den endlosen Parodien und den Parodien
der Parodien kaum noch hätte vorstellen können.
Ab
01.01.2004 in den deutschen Kinos.
Thomas
Groh, 2003
Diese
Kritik erschien zuerst im Rahmen von Jump Cut,
sowie auf T. Grohs privater Website, http://filmtagebuch.blogger.de
Zu diesem Film gibt es im archiv der filmzentrale mehrere Kritiken
Michael
Bay's Texas Chainsaw Massacre
(Texas
Chainsaw Massacre, USA 2003)
Regie:
Marcus Nispel
Drehbuch:
Scott Kosar nach Motiven des Originaldrehbuchs von Tobe Hooper und Kim Henkel
Kamera:
Daniel Pearl
Schnitt:
Glenn Scantlebury
Musik:
Steve Jablonsky, Mel Wesson
Darsteller:
Jessica Biel, Jonathan Tucker, Erica Leerhsen,
Mike
Vogel, Eric Balfour, Andrew Bryniarski,
Thomas
Hewitt, R. Lee Ermey u.a.
Internet
Moviedatabase
http://imdb.com/title/tt0324216/combined
Offizielle
Website
http://www.texaschainsawmovie.com
zur
startseite
zum
archiv