Misfits -
Nicht gesellschaftsfähig
Kant à la Monroe
Die Sanftmütigen werden die Welt beherrschen. Spätestens beim
Eintreffen dieser Prophezeiung wird es für Cowboys schlecht
aussehen. Höchste Zeit also für den Paradigmenwechsel. Diesen
zeichnet "Misfits" als Liebesgeschichte zwischen dem Cowboy
Gay und der einstigen Strip-Tänzerin Roslyn. Und welcher
Lebensabschnitt wäre besser als metaphorischer Neuanfang
geeignet als eine Post-Scheidungs-Depression, als wolle
Regisseur Huston direkten Bezug auf die wirtschaftliche
Depression Amerikas nehmen? Interessanterweise fällt die
Dekonstruktion des Cowboy-Mythos und die Hinwendung zu einem
sozialdemokratisch-humanistischen Gesellschaftsbild in eine
historische Periode, in der der Kalte Krieg mit der Kuba-Krise
seine kritischste Phase erlebte. Aber keine Angst, von Politik
ist in diesem Film nichts zu spüren, viel eher geht es um die
Romantisierung der Politik, so wie es die Esoterik mit der
Wissenschaft unternahm. Nach einer Enttäuschung mit den
Männern vermeintlich gestärkt und von ihrer Mutter gewarnt,
geht Roslyn eine Beziehung mit einem Cowboy ein und erkennt zu
spät, daß Freiheit und Abenteuer, die Essenz amerikanischer
Romantik schlechthin, nicht mit ihrem mitfühlenden Pazifismus
vereinbar sind. Denn das ungebundene Leben der Bohème, das
Huston als irreales Abbild des Bauerntums interpretiert, ist
nur zu einem Preis aufrechtzuerhalten: den Verlust von Moral,
die ja letztlich auch nur eine Form von Gebundenheit bedeutet
und somit auf den Umstand verweist, daß Freiheit und
Gesellschaft inkommensurabel sind und vor allem: sein
sollten.
Doch mit dieser Betrachtung gibt sich Huston noch nicht
zufrieden, stattdessen schickt er seine Heldin in den
angedeuteten Hauch einer Dreiecksgeschichte: In einer
Schlüsselszene erklärt der Bildungsbürger - die repräsentative
Opposition - seinen Neid auf Roslyns angeborenen Humanismus,
der bei ihm selbst nur oktroyierte Konvention ist. Die
Sensibilität des Gelehrtentums wird als auf die Gesellschaft
projiziertes Selbstmitleid entlarvt, und was am Ende
propagiert wird und damit weit entfernt ist von allem
Dogmatismus, den Hollywood nur zu gerne voreingenommen
aufnimmt, ist die Autonomie des Willens, denn nur durch diesen
macht die Wandlung wirklich Sinn. Was das nun bedeutet? Genau
das ist der elementare Unterschied zwischen der Goldenen Regel
und dem kategorischen Imperativ. Und von niemandem laß ich mir
die Philosophie Immanuel Kants lieber erklären als von Marilyn
Monroe.
Matthias Grimm
Dieser Text ist zuerst erschienen im:
Misfits -
Nicht gesellschaftsfähig
Misfits. USA 1961. R: John Huston.
B: Arthur Miller. K: Russell Metty.
S: George Tomasini. M: Alex North. P:
Frank E. Taylor. D: Clark Gable,
Marilyn Monroe, Montgomery Clift,
Thelma Ritter u.a. 118 Min.