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Mission
Impossible III
Hängt in den
Seilen
Franchise-Kino "Mission Impossible III":
Der Fernsehserien-Regisseur J. J. Abrams unternimmt als jüngster Lizenznehmer
eine weitere Fortsetzung des erfolgreichen Action-Thrillers mit Tom Cruise
Keine schlechte Idee, im Fall von Filmen wie "Mission
Impossible III" von "Franchise" zu reden: Das immer gleiche Produkt
wird von verschiedenen "Lizenznehmern" herausgebracht. Jeder Film
eine Art Filialeröffnung. Und der Großteil der kritischen Aufmerksamkeit
erschöpft sich schon darin zu beobachten, ob das Konzept richtig eingehalten
wurde. Weil es sich aber um Kino handelt, kommt doch ein Vergnügen dazu:
Mit jedem Film wird das Konzept wieder neu definiert, und es schält heraus,
welche Merkmale überhaupt zum "Franchise" gehören.
Bei den "Mission Impossible"-Filmen sind
das zum einen gewisse Übernahmen aus der Fernsehserie: Diese unglaubliche
"Erkennungs"-Melodie etwa, die kraft ihrer Dynamik ganze Actionszenen
ersetzen kann. Oder auch die Auftragsübermittlung per Sprachaufnahme mit
der monotonen Vorhersage am Ende: Diese Nachricht wird sich selbst zerstören.
Tatsächlich ist das eine der berührendsten Szenen in "Mission
Impossible III", wenn, offenbar absichtsvoll altmodisch inszeniert, das
Band kurz fisselt, dann explodiert und eine kleine Rauchwolke durch den Raum
schwebt, der Tom Cruise verträumt nachschaut. Für einen Moment füllt
pure Nostalgie das Kino. Die alten Techniken, sie mögen plump aussehen,
aber gegenüber der heute möglichen, vollkommen lautlosen Zersetzung
elektronischer Daten haben sie den Vorteil der größeren Sinnlichkeit:
Man hört etwas, man sieht etwas, und fast ist es sogar so, als hätte
man Brandgeruch in der Nase.
Das eigentliche Markenzeichen des "Mission Impossible"-Franchise
aber ist eine bestimmte Bewegung im Raum: Tom Cruise, der in den Seilen hängt.
Nicht comichaft wie Spiderman oder kraftvoll wie die Martial-Arts-Helden, sondern
ständig Gefahr laufend, sich zu verheddern oder gar falsch zu landen. Auch
wer sich kaum an die Handlung des ersten "Mission
Impossible"-Films erinnern kann,
dem hat sich doch die Szene ins Gedächtnis eingegraben, in der Cruise von
oben in diesen weißen Raum einschwebt und schon ein kleiner Schweißtropfen
die Mission zum Scheitern bringen könnte. In "MI:3" schwingt
Cruise sich an riesigen Seilen von einem Hochhaus Schanghais auf das Dach des
nächsten. Und wie damals liegt die Attraktivität der Szene in einer
gewissen Uneleganz. Kaum ein Actionheld ist so uncool wie Tom Cruise; die Angespanntheit
ist geradezu sein Markenzeichen.
Der suspendierte Körper im Raum - dieses Bild
wirkt auch deshalb so kraftvoll, weil darin der Action-Held ikonografisch eingefangen
ist: der Agent als Marionette im Spiel der Mächte, wie losgelöst,
aber in Wahrheit an Fäden hängend, gewissermaßen bindungslos
und gebunden zugleich. Auf der Metaebene handelt "MI:3" davon, ob
man zugleich Actionheld und liebender Gatte und Familienvater sein kann - in
ihrer Uncoolheit eine Fragestellung, die Cruise sozusagen auf den Leib geschneidert
ist. Denn Bindungen, das führt der Film fast ein bisschen zu deutlich vor
Augen, sind deshalb problematisch, weil sie den Helden erpressbar machen. Ohne
sie aber gäbe es diesmal gar keine Filmhandlung: den ersten Auftrag nimmt
Cruise als Ethan Hunt aus Schuldgefühl einer früheren Kollegin gegenüber
an und den nächsten dann bereits, weil er erpresst wird. Philip Seymour
Hoffman spielt den Bösewicht, der nicht davor zurückschreckt, hilflose
Unschuldige zu ermorden, um an ein Gerät zu kommen, dessen reale Funktion
nie geklärt wird. Nur dass sich alle so verhalten, als hinge die Weltherrschaft
davon ab. Für Hoffman ist das eine Standardrolle: der fiese feiste Blonde,
dessen Sadismus durch ein gewisses Rachebedürfnis an all denen, die schöner
und attraktiver sind, noch gesteigert wird. Bezeichnenderweise wird der Film
im Umgang mit ihm am Ende allerdings die Rachefantasie der Zuschauer bedienen
…
Der Regisseur von "MI:3", J. J. Abrams,
war eigens nach Berlin gekommen, um anzukündigen, er habe in seiner Version
so etwas wie das "wahre Konzept" des Franchise verwirklichen wollen,
was natürlich ein bisschen wie der Versuch ist, den McDonald's-Hamburger
mit Ökofleisch nachzubraten. Abrams hat sich mit seiner Arbeit für
Serien wie "Alias" und "Lost" einen Namen gemacht. "MI:3"
teilt folglich viele stilistische Ähnlichkeiten mit jenen aktuellen Serien,
die ihrerseits erfolgreich die Aura des Actionkino ins TV-Format übersetzen.
Ironischerweise kommt das Franchise damit tatsächlich seinem eigentlichen,
dem Fernsehursprung näher. Die Rückübersetzung auf die große
Leinwand aber macht auch einen Mangel deutlich: Die cineastische Aura des Agententhrillers
lebte von der existenziellen Düsternis und Paranoia des Kalten Krieges;
die Anpassung an die Konfliktlinien der Gegenwart aber will dem Genre einfach
nicht gelingen.
Barbara Schweizerhof
Dieser Text ist zuerst erschienen
in der: taz
Zu diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere Texte
Mission:
Impossible 3
USA
2006 - Regie: J. J. Abrams - Darsteller: Tom Cruise, Philip Seymour Hoffmann,
Ving Rhames, Keri Russel, Jonathan Rhys Meyers, Laurence Fishburne, Billy Crudup,
Michelle Monaghan - Prädikat: wertvoll - FSK: ab 12 - Länge: 126 min.
- Start: 4.5.2006
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