zur
startseite
zum
archiv
Tom
gegen die Freaks
Als Fortschrittsgläubiger muss man dankbar sein
für jeden misslungenen Film, da sich aus diesem immer Lehren ziehen lassen,
die andere Filme beherzigen könnten - auf diesem Weg werden Filme, theoretisch
zumindest, immer besser. Wer nicht ganz so optimistisch ist, der sieht freilich
ein, dass sich niemand in dieser Branche um Lehren kümmert - sofern überhaupt
irgendwer an filmischer Qualität interessiert ist.
Die Lehren aus Mission
Impossible sind immerhin zahlreich
und nicht ausschließlich negativ. Da ist zum Beispiel die Einsicht, dass
manche Fernsehserien-Talente mit den deutlich malerischeren Kadrierungen der
großen Leinwand besser umgehen können als andere: Joss Whedons Feuertaufe
"Serenity" überraschte zum Beispiel mit einigen ganz exquisiten
kinematographischen Einfällen, während der "Alias"- und
"Lost"-Schöpfer J.J. Abrams in diesem Film nun einen Mangel an
Kompositionswillen ausstellt, der wahrlich erschreckend ist - seine Bilder sind
simplizistisch, geradezu infantil zusammengestellt. Zwischen seinen hektisch
angewackelten Close-Ups findet Abrams nie den Weg in die Übersicht, dazu
kommt in den Action-Sequenzen das üblich gewordene Herumgeschneide bis
zur Unkenntlichkeit (die dann sehr schnell Desinteresse nach sich zieht). Selbst
in vermeintlich idyllischen Liebes- und Dialogszenen scheint dem Regisseur außer
einer wirbelnden Steadycam auf Augenhöhe nichts einzufallen - man kann
den beiden Vorgängerfilmen viel vorwerfen, aber nach wackliger Fernsehproduktion
sahen sie beileibe nicht aus.
Dabei zeigt Abrams ein paar sehenswerte Stunts und
passiert einige hübsch ausgeleuchtete Sets. Nur leider will ihm die emotionale
Ebene so überhaupt nicht gelingen, was erneut mit seinen technischen Entscheidungen
zusammenhängt. Einen Protagonisten, der ohne seine geliebte Frau nicht
mehr weiterleben will und sich deswegen in eine unlösbare Gewaltspirale
stürzt, ein solches Szenario hat Mereilles erst kürzlich mit seinem
"Constant
Gardener" viel effektiver hergeleitet
- mit Hilfe hochkarätiger Darsteller und einer inszenatorischen Traurigkeit,
die dem Zuschauer die abgründige Gemütsstimmung des Helden mitfühlen
ließ. Im Gegensatz dazu vertraut Abrams gegen jedes besseres Wissen darauf,
dass man Ethan Hunts hastig geschlossene Ehe mit der unterbesetzten Michelle
Monaghan nur aufgrund zweier Standard-Partyszenen als emotionalen Kern des Films
akzeptiert. Es ist das übliche Dilemma: Vor lauter Action und Dramatik
hat man keine Zeit, die Figuren wirken zu lassen; das aber wäre dringend
vonnöten, wenn man eben diese Dramatik auch emotional grundieren möchte
- so berauben sich zwei Filmelemente gegenseitig ihrer Daseinsberechtigung.
Und nach der technischen Einfallslosigkeit und dem dramaturgischen GAU gibt
schon der dritte Stolperstein dem Film den Rest: Es ist das wirklich schwache
Script, das noch aus jeder schlecht verschleierten Expositionsszene Spannung
und Dringlichkeit pressen will (dabei aber den ganzen Film blutleer erscheinen
lässt) und unterwegs kein Klischee auslässt: Der Held will raus, wird
aber wieder reingezogen; als eine Kollegin stirbt, hat er Weichzeichner-Flashbacks
von der gemeinsamen Ausbildungszeit; und natürlich gibt es wieder das "Agent
außer Kontrolle"-Thema. Gähn! Wütendes, genervtes Gähn!
sogar.
Eine weitere Einsicht ist die,
dass jeder Versuch, gegenläufige Zeitgeistströmungen, wie postmoderne
Doppelbödigkeit und die allerneueste Wiederkehr des Ernsthaften, miteinander
zu verweben, zum Scheitern verurteilt ist: Tom Cruise (derart mit reiner Muskelkraft
aufgeblasen, dass er in seinem schwarzen T-Shirt manchmal wie ein kleingeratener
Henry Rollins aussieht) spielt im Stile eines Silvester Stallone völlig
ironiefrei, dabei gar triefend vor Dramatik, seinen Weltrettungsstiefel herunter.
Dagegen stehen ihm mit Ving Rhames, Philip Seymour Hoffman und vor allem Simon
Pegg Interaktionspartner zur Seite, die sich einen Dreck um Realismus oder das
dramatische Moment kümmern, sondern lieber ein furioses Witz- und/oder
Schauspielfeuerwerk herunterbrennen, das in seiner Vielfarbigkeit dann natürlich
die ewig gleiche Emotion des Hauptdarstellers (gehetzte Angestrengtheit) richtig
langweilig aussehen lässt. Am deutlichsten wird das vielleicht in zwei
Szenen: Einmal führt Simon Pegg in vollem "Shaun of the Dead"-Modus mit dem hölzernen Tom Cruise ein vermeintlich
dramatisches Telefonat - und schafft es, mit seiner Komik zugleich jegliche
Spannung zu ruinieren und den Film doch deutlich zu bereichern. Das andere Mal
darf Philip Seymour Hoffman, dank des bei "Mission Impossible" üblichen
(deswegen aber nicht weniger lächerlichen) Gesichtertausches, für
einige Momente lang selbst Ethan Hunt spielen. Das gerade oscarprämierte
Schwergewicht, das ansonsten eine astreine Sammel-Hommage an die Bond-Bösewichte
der letzten 40 Jahre hinlegt (besonders Gerd Fröbe scheint es ihm angetan
zu haben), gibt sich in diesen Szenen nicht eine Sekunde lang ernsthafte Mühe,
eine Tom-Cruise-Imitation abzuliefern. Statt dessen beweist er ganz
schamlos, dass er selbst ein hundertfach interessanterer Geheimagent gewesen
wäre. Beinahe könnte man Mitleid haben mit Tom Cruise: Sabotage lauert,
wohin er sich auch wendet.
Die abschließende Lehre könnte also so
lauten: J.J. Abrams sollte bei seinen Fernsehserien bleiben. Oder so: Solange
ein Muskelpaket wie Ethan Hunt nicht auch mal den Müll rausbringt oder
sich mit Bier bekleckert, anstatt dauernd mit perfekten Zähnen auf Schicki-Partys
mit Hollywood-Schönheiten herumzuhängen, hält sich das emotionale
Interesse des Zuschauers an seinem Privatleben in Grenzen. Oder, am besten,
vielleicht doch so: Um einen homogenen Film zu schaffen, sollte man entweder
die Freaks weglassen und dafür ein brauchbares Drehbuch schreiben, oder
man schickt einfach Tom Cruise in die Wüste. Dann könnte Philips Seymour
Hoffman den Geheimagenten spielen und dauernd mit Simon Pegg telefonieren...
wäre vielleicht kein Kassenschlager, aber sicher ein besserer Film. Und
ich fände das ganz herzallerliebst.
Daniel Bickermann
Dieser Text ist zuerst erschienen
im:
Zu diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere Texte
Mission:
Impossible 3
USA
2006. R, B: Jeffrey Abrams. B:
Roberto Orci, Alex Kurtzman. K:
Dan Mindel. S: Mary Jo Markey, Marianne Brandon. M: Michael Giacchino, Lalo
Schifrin. P: Cruise, Wagner Prods. D: Tom Cruise, Philip Seymour Hoffman, Ving
Rhames, Simon Pegg, u.a. 126 Min. Paramount ab 4.5.2006
zur
startseite
zum
archiv