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Mitten
im Malestream
Richtungsstreit
in der neuen Frauenbewegung
Im Haus der deutschen Geschichte in Bonn ist die
neue Frauenbewegung der siebziger Jahre mit einem Heft der "Emma"
und einer lila Latzhose vertreten. Eine beschämende Geschichtsreduktion,
die den Einfluss des feministischen Aufbegehrens auf die demokratische Emanzipation
der deutschen Gesellschaft negiert. Und auch sonst hat die Geschichte der Frauenbewegung
in der medialen Öffentlichkeit nur einen verzerrten Niederschlag gefunden,
der die oft heftig ausgetragenen politischen Widersprüche und Konflikte
der frühen Jahre ignoriert und die Bewegung mediengerecht auf Alice Schwarzers
"Kleinen Unterschied" und die §-218-Kampagne reduziert.
Doch auch in der Frauenbewegung selbst blieben schon
bald nach dem berühmten Tomatenwurf von 1968 (für die, die die Geschichte
nicht kennen, wird sie in Sanders Film noch einmal erzählt) die größeren
politischen Kontexte ebenso auf der Strecke, wie die Kinderfrage - auch durch
die Pille - an den Rand gedrängt wurde. Dabei hatte die Frage der Kinderbetreuung
1968 noch im Zentrum gestanden. Das jedenfalls ist die Grundthese der historischen
Rekonstruktion, die jetzt eine Filmemacherin unternimmt, die selbst zu den Aktivistinnen
der ersten Stunde gehört hatte. Filmisch hatte Helke Sander mit Arbeiten
wie Der subjektive Faktor oder Befreier
und Befreite immer wieder die Grenzen
des feministischen Konsenses überschritten. Jetzt blickt sie zurück:
Mitten im Malestream versucht, die Geschichte des feministischen Aufbruchs
aus eigener - auch kritischer - Sicht zu erzählen, und versammelt dazu
eine Gesprächsrunde sieben streitbarer Veteraninnen verschiedener Fraktionen
(darunter Halina Bendkowski, Gisela Erler und Peggi Liebisch) mit zeitgenössischen
Filmdokumenten von Aktionen, Kongressen oder Fernsehdebatten. Dazwischen gibt
es ebenso strukturierende wie argumentierende Zwischentitel.
Opulentes Dokumentarkino ist das nicht, auch kein
Film-Essay, wie behauptet, dazu ist die Filmsprache doch allzu sehr am Verbalen
orientiert. Nützlich ist Mitten
im Malestream dennoch: Ein mit Intelligenz
dem Machbaren abgerungener Beitrag zur feministischen Geschichtsforschung, der
in den historischen Filmschnipseln auch ganz praktisch Verschollenes wieder
sichtbar macht. Der größte Mangel ist dabei vielleicht eine fast
idealistische Konzeption von Frauenbewegung jenseits der sonstigen politischen
Entwicklungen, die einige Verständniszusammenhänge verstellt.
Silvia Hallensleben
Ein fernsehunabhängig mit
sparsamen Mitteln intelligent inszenierter Beitrag zur Erforschung eines bisher
vernachlässigten Bereichs westdeutscher Nachkriegsgeschichte: der Frauenbewegung.
Dieser Text ist zuerst erschienen
in: epd Film
Mitten
im Malestream
Deutschland
2005. R, B, P: Helke Sander. K: Nurith Aviv, Eberhard Geick. Sch: Behrens. T:
Paul Oberle. A: Jürgen Rieger. Pg: Helke Sander Filmproduktion. V: Helke
Sander, Tel. 030/61 62 47 69. L: 92 Min.
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