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Mogambo
Die
Ökonomie der Erzählung ist zunächst eine Ökonomie des Schnitts
und nicht der Plansequenz. In klassischer Manier zeigt Ford nicht die Bewegung
vom einen Ort zum anderen, sondern den einen Ort und den anderen als solche,
an denen Bewegung ihren Platz findet. Eine solche – eher metaphorische als metonymische
- Ökonomie impliziert nicht Erschließung des Raums oder historische
Erstreckung, sondern eine Logik der Ersetzungen. Folglich erfahren wir über
die Figuren nicht mehr als nötig ist, um sie in der Gegenwart ihres Zusammentreffens
anzusiedeln. In der Kette der Ersetzungen, die von Schnitt zu Schnitt springt,
bevor sie fast unmerklich in eine Ökonomie der Erfahrung übergeht,
spielt die Grenze zwischen Mensch und Tier kaum eine Rolle. Die Dunkelheit Afrikas,
die Dunkelheit des Leoparden, die Dunkelheit der Schwarzen in ihrer subjektlosen
und ins Reich des Intelligblen nur als Bedrohung hereinragenden Verortung auf
der Grenze sind zunächst das Medium, das diese Ersetzungen trägt.
Erst der Leopard, der entkommt. Dann Kelly, die sich fangen lässt. Dann
die Frau des Anthropologen, die Kelly ersetzt. Hier aber zerspringt die Kette.
Victor
Marswell, über den wir zuerst nichts und zuletzt nur das wissen, was wir
mit eigenen Augen gesehen haben, der, können wir unterstellen, über
sich selbst zunächst nichts weiß und zuletzt nur das, was er erlebt,
macht vor unseren Augen die Erfahrung des Preises, den Ersetzungen kosten. Dieser
Preis ist aber kein Preis, er gehört nicht der Logik der Ökonomie
an, nicht der Logik des Schnitts, sondern der Logik der Bewegung vom einen Ort
zum anderen, der Ökonomie der Plansequenz, die eine Logik der Erfahrung
ist. Er, der ausdrücklich kein anderes als das Interesse seines eigenen
Profits kennt und also nur die Logik des Tauschs und damit der Ersetzbarkeit
von Ungleichem, das im Preis als gleichwertig auftritt, muss die Erfahrung der
Unersetzlichkeit machen. Der Film übersetzt das in Raumerfahrungen. Zuerst
ist der Raum homogen. Das Eindringen der ersten Frau, ist eine Irritation, die
Victor durch konsequenzlose Eroberung ins Reich des Tausches überführt.
Der Abschied von Kelly fällt (ihm) entsprechend nicht schwer und nach ihrer
Wiederkehr tritt sie zunächst nur auf als Kommentatorin, als unfähig
zu jeder Form von Eingriff in das Geschehen.
Mit
der zweiten Frau aber kommt es zum ersten Riss im Homogenen. Als
Raumerfahrung: "She goes for a walk." Dieser
"walk" aber zerreißt den Raum der Ersetzbarkeit, sie gerät
in Lebensgefahr. Den Leoparden, den Victor zuvor fangen wollte, muss er nun
töten. Erstes Moment der Irreversibilität. Victor weiß nicht,
wie ihm geschieht. Er setzt sich an die Stelle des Shifters in diesem Film,
Boltchak, den er zuvor an seine Stelle gesetzt hatte. Eine Rückersetzung,
die über den bloßen Austausch hinausgeht. Erstes Moment des Überschusses.
Dann die lange Fahrt mit dem Wagen durch die Savanne, der Umschlag von einem
Raum, der Schnitt für Schnitt derselbe ist, in einen Raum der durchschnitten
wird, durchfahren und erfahren. (Der Neorealismus dieser Fahrt ist ein künstlicher,
als Rückprojektion. Dennoch, könnte man sagen, gibt es hier den Übergang
vom Aktionsbild ins Zeitbild, wenn auch gegen den Widerstand der klassischen
Form, in die Ford das als Fremdkörper hineinprojiziert. Die Tiere stieben
davon. In Charles Laughtons "Nacht
des Jägers"
geht das auf dem Umweg des Expressionismus viel nahtloser, während der
langen Fahrt auf dem Fluss – wenn auch um den Preis der magischen Aufladung
des Raums als belebter Natur. Die Tiere besetzen ruhend den Vordergrund.)
Mit
dieser "falschen" Plansequenz, die zunächst wie die gleichgültige
Durquerung eines Hintergrund-Raums erscheint, ist der weitere Verlauf vorgezeichnet.
Der Riss vertieft sich: Die Prozession der Schwarzen, die plötzlich und
wie aus dem Nichts den Raum besetzen (ein Raum nun, der völlig unerwartet
auch ein Nichts kennt, nicht nur diesen Ort und darauf den nächsten), die
lange, vom Gesang und dem Auf und Ab der Speere begleitete Bewegung von oben
nach unten, die Vertreibung vom Ort der Übersicht, die Flucht hinunter
zum Fluss. In der Begegnung mit den Gorillas kommt die Kamera ins Spiel, Instrument
und Emblem von Bildern, die die direkte Begegnung mit dem Tier und dem Raum
suchen. Es ist wohl kaum übertrieben, wenn man sagt, dass mit der Kamera
des Anthropologen der Neorealismus seinen Auftritt hat. Das sind andere Bilder,
das ist ein anderer Raum. Ausbruch aus einer Logik des Schnitts, der Metapher
und der Ersetzbarkeit. Das Erscheinen der Plansequenz und ihrer Metonymien.
Übertragen ins Gefühl ist das die Erfahrung der Unersetzlichkeit,
die Liebe heißt. Das Ende, das John Ford findet, ist dann aber ganz die
alte Schule. Weder das Liebeswunder von "Viaggio in Italia" noch eine
Absolutheit, die die Bindungen zerreißt. Dass ein Mann vom Ersetzungsvirtuosen
zum Liebenden wird, ist Revolution genug. Er nimmt nicht die Naive, also die
Unersetzliche erster Ordnung, sondern sucht und findet die Liebe als Einsicht
zweiter Ordnung, die nicht naive Liebe also zwischen zwei nicht Naiven. Die
schon Ersetzte wird als unersetzlich gesetzt. Das muss genügen und das
genügt.
Ekkehard
Knörer
Dieser Text ist zuerst erschienen in: Jump Cut
Mogambo
MOGAMBO
USA - 1953 - 115 min.
Literaturverfilmung, Abenteuerfilm
- FSK: ab 12; feiertagsfrei - Verleih: MGM - Erstaufführung: 27.8.1954/17.8.1984
DFF 1 - Fd-Nummer: 3533 - Produktionsfirma: MGM
Produktion: Sam Zimbalist
Regie: John Ford
Buch: John Lee Mahin
Vorlage: nach dem Stück "Red Dust" von
Wilson Collison
Kamera: Robert Surtees, Freddie Young
Schnitt: Frank Clarke
Darsteller:
Clark Gable (Victor Marswell)
Ava Gardner (Eloise Y. Kelly)
Grace Kelly (Linda Nordley)
Donald Sinden (Donald Nordley)
Laurence Naismith (Skipper John)
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