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Der
Mongole
Für
eine Handvoll Regeln
Endlich, sie ist gelungen, die Quadratur
des Kreises. Die russisch-deutsch-kasachische Großproduktion "Der
Mongole" von Sergei Bodrov ("Gefangen im Kaukasus") erzählt
die Geschichte der Jugend des Mannes, der einmal Dschingis Khan werden sollte,
als merkwürdig unentschiedene Mischung aus "Die
Geschichte vom weinenden Kamel"
und "Kagemusha", gefilmt vor hinreißend pittoresker
Landschaft. Der neunjährige Temudgin ist viel zu jung, um selbst Khan zu
werden, als sein mächtiger Vater hinterhältig ermordet wird. Des stolzen
Temudgins Fall ist tief, seine Familie wird zum Spielball anderer Clans. Er
selbst wird nur nicht getötet, weil - so eine Regel - Mongolen keine Kinder
töten. Es gilt folglich, Jahre der Selbstbehauptung in der Gefangenschaft
zu überleben, bevor Temudgin die Ermordung seines Vaters rächen kann
und als Khan mit einer politischen Vision die Mongolen zu einen versucht.
"Der Mongole" beginnt als sehenswerte
ethnologische Exkursion in eine nomadische, allein durch eine Handvoll simpler
Regeln strukturierte Gesellschaft, die durch Brautwahl, Frauenraub, Blutrache
und eine merkwürdige Zeitenthobenheit geprägt ist. Zwar gibt Bodrov
zu Protokoll, er habe sich eng an den historischen Fakten orientiert. Nur ist
über die Jugend dessen, den sie Dschingis Khan nennen sollten, eben wenig
bekannt. Etwa zur Hälfte des Films ändert sich die Faktenlage, und
dann schlägt der Film unvermittelt um in blutige Bilder einiger barbarischer
Metzeleien, die allerdings unverkennbar im Computer generiert wurden. Auf dem
Schlachtfeld verliert die entfesselte Kamera gerne mal die Übersicht, geht
ganz nah ran, verliert sich geradezu im mit archaischen Waffen exekutierten
Kampfgewirr, bis wieder quer durch den Bildausschnitt gepixeltes Blut einen
ausgeschalteten Feind indiziert. Das ist zwar auf Dauer etwas albern, aber nicht
der stärkste Einwand gegen den Film.
Dieser durchaus ambitioniert auf visuelle
Sensationen hin fotografierte Film findet nämlich nie seinen Rhythmus,
sondern verliert sich im zähen Nacheinander unterschiedlich zu gewichtender
Episoden. Zeugen Temudgins wiederholte Versuche, seinen Widersachern zu entgehen,
von geradezu Beckett'scher Stoik in der Folge von Gefangenschaft, Flucht und
erneuter Gefangenschaft, so läuft der Film später dramaturgisch aus
dem Ruder. Grandiose Landschaftsaufnahmen, dazwischen eine krude Mischung aus
Passions-, Männerfreundschafts- und Liebesgeschichten, etwas krause Schamanenmystik
und jede Menge bedeutungsvoll dahingeraunter Führerkult. "Der Mongole"
wirkt so fahrig, als habe man ein Siebenstundenepos auf marktgängige zwei
Stunden heruntergeschnitten, weshalb Figurenpsychologie und Konfliktentwicklung
bestenfalls das Niveau von "Conan, der Barbar" erreichen. Unverständlich,
wie so einem Film eine Oscarnominierung gelingen konnte. Immerhin: am Ende hat
Temudgin einen derart zähen Überlebenswillen gezeigt, dass die alsbald
folgende Welteroberung (geplant ist offenbar eine Filmtrilogie) dagegen wohl
nur noch ein Klacks sein dürfte.
Dass Temudgin zum weitsichtigen politischen
Führer taugt, dem eben nicht nur Grausamkeit, sondern auch religiöse
Toleranz nachgerühmt werden, macht der Film früh klar. Nicht erst
bei der Ermordung seines Vaters muss der Junge erleben, dass die Welt aus den
Fugen gerät, wenn die ehernen Regeln des Zusammenlebens gebrochen werden.
Kurz zuvor allerdings, bei der Wahl von Temudgins Braut, war der Vater selbst
der Laune der Kinder gefolgt und hatte die Funktion der Brautwahl als politischen
Kitt vernachlässigt. Die Lehre, die der spätere Dschingis Khan aus
diesen beiden Erfahrungen zieht, ist ein undogmatischer Pragmatismus, der auch
bereit ist, mit der Tradition zu brechen, um sein Volk zu einen.
Ulrich Kriest
Dieser Artikel ist zuerst
erschienen in der Stuttgarter Zeitung vom 07.08.2008
Der
Mongole
Kasachstan / Russland / Deutschland 2007 - Originaltitel: Mongol - Regie: Sergei Bodrov - Darsteller: Tadanobu Asano, Sun Hong Lei, Khulan Chuluun, Aliya, Ba Sen, Amadu Mamadakov, Tegen Ao, Bayertsetseg Erdenebat, You Er - FSK: ab 12 - Länge: 120 min. - Start: 7.8.2008
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