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Montags
in der Sonne
Bei
der Verleihung des spanischen Filmpreises („Goya“) 2002 setzte sich ein Spielfilm
gegen Pedro Almodóvars mit dem Oscar für das Beste Originaldrehbuch
ausgezeichneten und von der Kritik hochgelobten „Sprich
mit ihr“
klar durch: „Montags in der Sonne“ („Los lunes al sol“, 2002) erhielt den „Goya“-Preis
in fünf Kategorien, darunter „Bester Film“ und „Beste Regie“. Darüber
hinaus wurde die dritte Regiearbeit von Fernando León de Aranoa (Jahrgang
1968) – dessen früheren Langspielfilme „Familia“ (1996) und „Barrio“ (1998)
ebenfalls wichtige Preise gewonnen hatten – mit dem Hauptpreis des Internationalen
Filmfestivals San Sebastián ausgezeichnet. Der mit so viel Vorschusslorbeeren
bedachte „Montags in der Sonne“ startet nun im deutschen Kino dank des Einsatzes
eines kleinen Filmverleihs, Piffl Medien.
„Dieser
Film basiert nicht auf einer echten Geschichte, sondern auf tausenden“, heißt
es auf dem Filmplakat, mit dem „Montags in der Sonne“ in den Vereinigten Staaten
beworben wurde. Diese Authentizität unterstreicht der Regisseur mit der
Wahl von Fernseh-Archivaufnahmen aus einer Straßenschlacht, die sich aus
Anlass der Schließung einer Werft in Nordspanien im Jahre 2000 Demonstranten
und Polizei lieferten, für die Eröffnungssequenz seines Filmes. Dem
Anspruch auf Allgemeingültigkeit dient dessen Anlage als Ensemblefilm um
eine Gruppe ehemaliger Werftarbeiter, die nach der Werksschließung ihren
Arbeitsplatz verloren haben.
Dreh-
und Angelpunkt im Leben der Gruppe Arbeitsloser ist die Kneipe, die einer von
ihnen, Rico, mit der bei der Entlassung erhaltenen Entschädigung eröffnet
hat. Unter den Freunden, die sich Tag für Tag dort treffen, befindet sich
Lino, der die Hoffnung nicht aufgegeben hat, wieder Arbeit zu finden, und der
immer wieder zu Vorstellungsgesprächen fährt, obwohl er eigentlich
für die ausgeschriebenen Stellen bereits zu alt ist. Da ist auch José,
der sichtlich darunter leidet, dass seine Frau in einer Konservenfabrik arbeitet
und für den Familienunterhalt aufkommt, Amador, der die Kneipe kaum noch
verlässt, seit er offensichtlich von seiner Frau verlassen wurde, sowie
Reina, der in der Sicherheitsfirma seines Schwagers Arbeit gefunden hat. Zu
den ehemaligen Werftarbeitern gehört schließlich der charmante Rebell
Santa, der sich mit kleinen Jobs irgendwie über Wasser hält, und der
dank nicht nur des Drehbuchs, sondern auch der umwerfenden Leinwandpräsenz
von Javier Bardem die größte Aufmerksamkeit innerhalb dieser Figurenkonstellation
auf sich zieht.
Leicht
hätten diese typisierten Figuren zu Abziehbildern werden können. Dass
sie Menschen aus Fleisch und Blut geworden sind, ist nicht nur den großartigen
Akteuren, sondern auch einer schlafwandlerisch sicheren Schauspielführung
durch den Regisseur zu verdanken. Darüber hinaus besitzt Fernando León
de Aranoa ein perfektes Gespür für Timing, das sich in einem unauffälligen,
aber wirkungsvollen Schnitt manifestiert. Ebenfalls unscheinbar, dennoch wirksam
unterstützt der Soundtrack, dem alles Pompöse abgeht, die einfache
Handlung, ohne sich in den Vordergrund zu drängen.
Dem
pessimistischen Grundton zum Trotz – „Gott glaubt nicht an die Menschen“, sagt
resigniert einer der Arbeitslosen, ehe er sich der Verzweiflung hingibt –, haben
sich diese Menschen den Witz nicht nehmen lassen. Die pointierten, wenn auch
häufig leider mit hochgradigen – in der deutschen Übersetzung wiederum
abgemilderten – Kraftausdrücken gespickten Dialoge heben sich von den pamphletartigen
Statements des so genannten sozialkritischen Kinos eines Ken Loach wohltuend
ab. Die Sozialkritik kommt subtiler daher: Die Bilder sprechen für sich
selbst, dem sozialkritischen Diskurs wird nur an wenigen Stellen mit knappen
Dialogen nachgeholfen. „Montags in der Sonne“ stellt eine Art neuen Neorealismus
im Geiste des italienischen Nachkriegskinos dar.
Wenn
auch die graue Wolke des Fatalismus über dem ganzen Film schwebt, so bricht
sich an einigen Stellen die Sonne durch den wolkenverhängten Himmel des
nordspanischen Winters Bahn. Die warmen Töne, in die dann die Kamera triste
Industrieruinen und heruntergekommene Sozialwohnungssiedlungen taucht, öffnet
einen Spalt für die Hoffnung, den Teufelskreis der Arbeitslosigkeit, des
Alkohols und des gesellschaftlichen Niedergangs zu durchbrechen. Den sympathischen
Figuren von „Montags in der Sonne“ würde es jeder Zuschauer ganz gewiss
wünschen.
José
García
Diese
Kritik ist zuerst erschienen bei:
Zu diesem Film gibt's im archiv mehrere Kritiken
Montags
in der Sonne
(Los
lunes al sol)
Regie:
Fernando León de Aranoa
Darsteller:
Bardem, Luis Tosar, José Ángel Egido, Nieve de Medina, Enrique
Villén
Spanien
2002
Laufzeit:
113 Minuten
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