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Montags
in der Sonne
"...
und weil der Mensch ein Mensch ist"
Ein
Fußballspiel. Leidenschaftlich verfolgt von der Handvoll Figuren, die
uns der Film vorstellt. Sie fiebern mit, die angespannten Gesichter füllen
die Leinwand, Gegenschuss zum Spiel, dann wieder die Gesichter. Erst als sich
etwas vor das Blick-/Spielfeld schiebt, wenn der Ball sich gefährlich dem
Tor der Gegnermannschaft nähert, wenn genau dieses Tor, auch der entscheidende
Moment, nicht mehr zu sehen ist, weil sich da ein Dach davor schiebt, wissen
wir: Die sitzen gar nicht im Stadion. Die sitzen auf dem gerade im Bau befindlichen
Hochhaus neben dran, wo der eine gerade als Bauarbeiter sein Brot verdient.
Die anderen: arbeitslos, entmutigte Klassenkämpfer, gestrandet. In solchen
Momenten, wenn der Film wie beiläufig seine Semantik zur Beschreibung der
sozialen Peripherie entwickelt, ist er ganz bei sich und: groß. Das beißt
sich etwas mit Momenten, die beinahe schon schal sind, wenn beispielsweise der
eine, der Älteste, dessen Frau vor Jahren abgehauen ist, weil er ein Säufer
ist, und seitdem lebt er verwahrlost, wie man nur verwahrlost leben kann, sich
umgebracht hat, aus dem Fenster gesprungen ist er, liegt auf dem Vordach der
Platte, in der er sein Dasein fristete (nennen wir es nicht "Leben")
- da liegt er dann, das Licht drunter ist defekt, blinkt, als die Szene abblendet,
verlischt es endgültig, wie der, der drüber liegt: Das ist so naheliegend
wie störend.
"Beim
Kaurismäki sieht das alles ganz anders aus, da ist das immer viel schöner",
sagt S. nach dem Kino. Ja. Die Unterschiede sind ganz deutlich: Kaurismäki
sucht im sozialen Elend Poesie und Solidarität und überhöht beides
entsprechend. Das ist nichts Schlechtes. León de Aranoias Film hingegen
hat anderes im Sinn: Er schaut, wo die Solidarität geblieben ist unter
diesen Wegrationalisierten, wie es um diese bestellt ist. Zu Beginn deshalb
heroische Bilder von der Fabrikbesetzung: Vermummte Arbeiter, Polizisten, Barrikaden,
Auseinandersetzungen, Zusammenhalt. Darüber gelegt allerdings: Schöne,
leichte Musik - ein Bruch. Und von diesen Bildern, die einen - ließe die
Musik das doch nur zu - beinahe schon mitmachen lassen wollen, bei diesem Kampf,
stürzen wir direkt hinüber in das, was später kommt: Der Film
spielt zwei Jahre später (was wir lange nicht wissen), vom Zusammenhalt
ist, bis auf ein paar Abende in der Kneipe, gemeinsame Besäufnisse kaum
was geblieben. Probleme allerorten, kein Geld auf Tasche, die Fabrik klagt auf
Schadensersatz - biografische Trümmer. Auswege gibt es nicht, nur Australien
als Bild, der Kontinent, wo so viel Land ist, dass jeder dort vom Staat Land
zugeteilt bekommt, wo alle alles teilen - so denkt der eine, wenn er in der
Sonne liegt. Wie weit es wohl nach Australien ist, wie lange man mit dem Schiff
fahren muss, um in dieses Paradies zu kommen, wissen sie nicht. Am Ende nur
das verzweifelte Aufbäumen, der letzte Clou: Klauen wir uns ein Schiff,
segeln wir etwas nach draußen, vielleicht ist dort Australien. Weit kommt
man nicht: Nur ein paar Hundert Meter von der spanischen Küste weg, in
die Sonne, die einem das Gesicht umschmeichelt, es naht schon die Küstenwache,
als es Morgen wird: Bleiben wir zumindest gelassen, das ist alles was uns noch
bleibt.
Ein
Film der Sorte: Wächst in den folgenden Tagen. Deshalb erst jetzt diese
Zeilen.
Thomas
Groh
Diese
Kritik ist zuerst erschienen im:
Zu diesem Film gibt's im archiv mehrere Kritiken
Montags
in der Sonne - Los Lunes al Sol
Spanien
2002 - Originaltitel: Los Lunes al Sol - Regie: Fernando León de Aranoa
- Darsteller: Javier Bardem, Luis Tosar, Nieve de Medina, José Angel
Egido, Enrique Villén, Celso Bugallo, Joaquín Clement, Serge Riaboukine
- FSK: ab 6 - Länge: 113 min. - Start: 15.1.2004
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