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Mr.
Brooks - Der Mörder in Dir
Nie war Morden
so sympathisch
"Mr. Brooks - Der Mörder in Dir"
zeigt Töten als bürgerlichen Genuss. Der serienmordende Kontrollfreak
Earl Brooks erscheint als Held der Selbstermächtigung.
Earl Brooks gehört zu jenen Menschen, von denen
man sagt: Sie haben ihr Leben im Griff. Der Anfang von "Mr. Brooks",
des neuen Films von Bruce A. Evans, stellt ihn als in jeder Hinsicht erfolgreichen
Mann vor: An der Seite seiner ihm liebevoll zugewandten Ehefrau ist er unterwegs
zum Galaempfang einer nicht näher benannten Gesellschaft, die ihn zum "Mann
des Jahres" gewählt hat. Sein Haus, sein Auto, sein Anzug ebenso wie
die elegante, reife Schönheit seiner Begleitung sind der Ausweis eines
Lebens in bester Wohlstandsharmonie. Man weiß, wie man sich Gutes tut,
ohne protzig zu erscheinen.
So weit geht Earls Griff über sein Leben, dass
er sogar seine Laster umfasst: Earl Brooks nämlich, und das ist der eigentliche
Beginn des Films, geht zu den Treffen der "Anonymen Alkoholiker",
um dort solidarische Unterstützung und Gelassenheit zu finden beim Sprechen
der bekannten Sätze: "Mein Name ist Earl. Und ich bin süchtig."
Wenn die Runde wüsste, wonach, würde ihre Begrüßung zweifellos
weniger mitfühlend ausfallen. Denn was Earl wohlweislich verschweigt, ist,
dass seine Sucht nicht dem Alkohol oder einem anderen Genussmittel gilt, sondern
- dem Morden. Earl ist Serienmörder mit allem, was dazugehört: einer
eigenen Handschrift und einem langen Polizeiregister, das ihn noch immer als
den großen Unbekannten führt. Und wie das so ist mit dem perfekten
Leben und dem Alles-im-Griff-Haben - Earl verspürt gerade am Abend der
Preisverleihung den unwiderstehlichen Drang, sich für all den Kraftaufwand
mit einem kleinen Ausbruch zu belohnen.
Auf den ersten Blick scheint der Thriller "Mr.
Brooks" dem bekannten Muster des "Biedermanns als Mörder"
zu folgen. Doch die Irritation beginnt schon damit, dass ausgerechnet Kevin
Costner diesen Earl Brooks spielt, mithin ein Schauspieler, der ganz auf die
Rolle des auf sympathische Weise beschädigten Helden festgelegt ist. Reflexhaft
möchte der Zuschauer ihm auch diesmal seine Schwächen als verzeihlich
durchgehen lassen - und sieht sich einem so sorgfältig planenden, kalt
berechnenden Killer gegenüber, dass die empfundene Sympathie immer wieder
als unangenehm ambivalente Empfindung aufstößt.
Dementsprechend zwiespältig fielen denn auch
die Reaktionen auf "Mr. Brooks" aus, als der Film in den USA anlief.
Eine Ambivalenz, die durchaus für den Film spricht, denn den unwohlen Gefühlen,
die "Mr. Brooks" beim Zuschauer auslöst, lohnt es sich nachzugehen.
Regisseur Bruce A. Evans, der sich vor Jahren mit dem Drehbuch zum Jugendthriller
"Stand by me" einen Namen gemacht hat, traut sich, so offen wie schon
lange nicht mehr, die Komplizenschaft zwischen Gewalt und Voyeurismus herauszustellen,
die das Genre unter der Hand stets willentlich eingeht.
Das Morden in die lange Reihe der Verhaltensweisen
mit Suchtpotenzial einzuordnen, erweist sich dabei als durchaus bösartig-sarkastischer
Kommentar zum Zeitgeist. Schließlich ist das Stichwort Sucht zum alles
erklärenden Gemeinplatz für abweichendes, ungesundes oder asoziales
Verhalten geworden, sei es der Messie oder der Ordnungsfreak, die Fress- oder
Magersucht, die Kauf-, Spiel- oder Internetsucht. David Fincher hat diesen Trend
bereits 1999 in einem ebenso zwiespältige Gefühle auslösenden
Thriller porträtiert: In "Fight
Club" wechselte Edward Norton
von der Ikea-Sucht zur Selbsthilfegruppensucht, um dann ein weiteres seltsames
Hobby als Obsession zu betreiben: das Prügeln.
Seit jeher muss das Kino dem Vorwurf begegnen, Süchte
zu verherrlichen, weshalb so mancher Held von früher beispielhaft eine
Sucht überwinden musste. Er tat das üblicherweise durch einen heroischen
Akt der Stärke. Wie etwa Yves Montand in Melvilles "Vier im roten
Kreis": Obwohl gerade noch im Alkoholdelirium, wäscht und rasiert
er sich nach dem Anruf Alain Delons und verzichtet beim Treffen in einer Bar
standfest: "Niemals Alkohol!" In ähnlicher Weise gelingt es Dean
Martin in "Rio Bravo" sich durch eine neue, sinnvolle Aufgabe selbst
zu heilen. Von der Sucht dieser Helden könnte Kevin Costners Earl Brooks
kaum weiter weg sein: Denn er geht mit derselben Liebe und Sorgfalt, die ihm
den geschäftlichen und sozialen Erfolg im Leben beschert hat, bei seiner
Sucht vor. Nahtlos fügen sich bei ihm Vorbereitung, Durchführung und
Nachbereitung zu einer präzisen Routine, die er als Überschreitung
genießt, bei der er aber stets die Kontrolle behält - und nicht zuletzt
alles der eigenen Sicherheit unterordnet.
Das ist das Verwirrende, Irritierende an diesem Thriller:
In seiner Sucht ist Earl Brooks ganz bei der Sache und bei sich. Er tötet
mit wohligem Schauder; sein Wohlgefühl hat dabei nichts von der Häme
gewöhnlicher Bösewichter, es ist ein durch und durch bürgerlicher
Genuss, dem Verkosten edler Weine vergleichbar. Anders als sonst im Thriller
steht nicht die Gewalt im Zentrum, das, was den Opfern angetan wird, sondern
der Genuss des Täters - mit den genannten Folgen für den Zuschauer.
Es wäre leichter, weniger Sympathie für
Earl Brooks zu empfinden, wenn ihn das raffinierte Drehbuch nicht mit lauter
obsessiv handelnden Figuren umgeben hätte. Zum einen ist da der für
andere unsichtbare Marshall, gespielt von William Hurt. Er ist Earls Über-Ich
und Alter Ego, der bei Autofahrten stets hinter ihm sitzt und ihn mit teuflischer
Intensität dazu ermuntert, seinem Spaßtrieb nachzugeben. Obsessives
Verhalten prägt auch seine Gegenspielerin, die von Demi Moore gespielte
taffe Polizistin. Statt sich auf ihren ererbten Millionen auszuruhen, jagt sie
mit elitärer Unerbittlichkeit Verbrecher. Sie hat zu Brooks einen besonderen
Draht, weil Suchtverhalten ihr nichts Fremdes ist.
Doch anders als bei den süchtigen Helden alter
Schule, bei denen die Sucht eine Schwäche war, eine Flucht aus den Zwängen
oder den Enttäuschungen des ordentlichen Lebens, ist es bei Earl Brooks
nicht der Charakterfehler, mit dem man sympathisiert. Im Gegenteil: Nie erscheint
er überlegener, entschiedener und mächtiger als in den Augenblicken
des Planens und Mordens. Mit seiner Sucht bricht dieser Brooks nicht aus einem
durch bürgerliche oder sonstige Moralvorstellungen eingeengten Leben aus,
sondern er erlangt Kontrolle in einem kaum vorstellbaren Ausmaß. Es ist
diese Geste der Ermächtigung, die beeindruckt. Von dieser Verschiebung
geht der eigentliche Schrecken des Films aus.
Wie um den Zuschauer darüber hinwegzutäuschen,
dass er mit einem Killer und Kontrollfreak sympathisiert, führt der Film
eine Figur ein, auf den sich die negativen Gefühle konzentrieren dürfen:
den voyeuristischen Computernerd. Unter dem Decknamen Mr. Smith taucht dieser
auf, als Earl trotz seiner habituellen Sorgfalt bei seiner jüngsten Tat
etwas Wesentliches vergisst, nämlich die Vorhänge zuzuziehen. Mr.
Smith hat die Tat beobachtet und beginnt nun, ihn zu erpressen. Allerdings will
er kein Geld, sondern - beim nächsten Mord dabei sein. Mit fast erschreckender
Leichtigkeit bringt der Film den Zuschauer nun dazu, sich zwischen diesen beiden
Mordsüchtigen zu entscheiden: Wo Brooks als Antiheld durchgeht, erscheint
Smith - von Schauspieler Dane Cook mit allen Attributen des schmierigen Stubenhockers
versehen - als Inbegriff der Amoral unserer Zeit, die sich ihre Umwelt beim
konsumistischen Zuschauen zum Objekt macht. Das ist das wirklich Beängstigende
an diesem Thriller: dass er den Zuschauer dazu bringt, die Mordsucht des Täters
zu verstehen, den Voyeur aber als den wahren Bösewicht zu verachten.
Barbara Schweizerhof
Dieser Text ist zuerst erschienen
in der: taz
Mr.
Brooks - Der Mörder in Dir
USA 2007 - Originaltitel: Mr. Brooks - Regie: Bruce A. Evans - Darsteller: Kevin Costner, Demi Moore, William Hurt, Dane Cook, Matt Schulze, Marg Helgenberger, Ruben Santiago-Hudson, Aisha Hinds - Prädikat: besonders wertvoll - Länge: 120 min. - Start: 29.11.2007
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