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Mystic
River
Clint
Eastwood gelang der Durchbruch als Schauspieler in der „Dollar-Trilogie“ „Für
eine Hand voll Dollar“
(1964), „Für
ein paar Dollar mehr“
(1965) und „The
Good, the Bad and the Ugly“
(„Zwei glorreiche Halunken“, 1966) - allesamt unter der Regie von Sergio Leone
entstanden. In diesen so genannten Italo- oder Spätwestern kehrte sich
das Heldentum des klassischen Western in Zynismus und streckenweise Nihilismus
um.
Als
Regisseur hat Clint Eastwood (Jahrgang 1930) bereits in 23 Filmen gearbeitet
- der erste stammt aus dem Jahre 1971. Unter diesen 23 Filmen ragt „Unforgiven“
(„Erbarmungslos“, 1992) heraus, der für den Oscar neunmal nominiert wurde
und vier Statuetten - darunter für „Besten Film“ und „Beste Regie“ - gewann.
Wie so viele Western und Italowestern handelte „Unforgiven“ ebenfalls von Rache
und Tod. Im Gegensatz zu den Spätwestern jedoch stellte „Unforgiven“ keine
zynische Umkehrung des Helden aus dem klassischen Western dar, die häufig
in der Selbstjustiz gipfelt. „Unforgiven“, der als Spät-Spätwestern
bezeichnet werden könnte, kritisierte vielmehr die Selbstjustiz, stellte
das Töten und erst recht die Tötung aus Rache durch die Zuschauerstellung
der Folgen der Gewalt in Frage.
Vom
langen Schatten einer Gewalttat handelt auch die vierundzwanzigste Regiearbeit
Clint Eastwoods, „Mystic River“, für die Drehbuchautor Brian Helgeland
den gleichnamigen Roman (auf deutsch unter dem Titel „Die Spur der Wölfe“
erschienen) von Dennis Lehane adaptierte.
Sowohl
der Roman als auch der Spielfilm erzählen von drei Männern um die
Vierzig aus einem Bostoner Arbeitermilieu. Als Kinder waren Jimmy, Sean und
Dave dicke Freunde, bis eines Tages ein Auto mit zwei vorgeblichen Polizisten
in Zivil auftauchte, die mit Dave im Auto verschwanden. Dave wurde von ihnen
missbraucht und als er aus der Gewalt der „Wölfe“ entkam, war er ein anderer
geworden. Auch die Freundschaft der drei Jungen zerbrach daran: die schreckliche
Tat warf einen langen Schatten, aus dem die einstigen Freunde mehr als ein Vierteljahrhundert
später noch immer nicht herausgetreten sind. Nach fünfundzwanzig Jahren
führt erneut ein Kapitalverbrechen die ehemaligen Freunde zusammen: Sean
(Kevin Bacon) leitet als Polizist die Ermittlungen im Mordfall der 19jährigen
Tochter Jimmys (Sean Penn). Der Verdacht fällt ausgerechnet auf Dave (Tim
Robbins), der am Abend des Verbrechens mit Blut an den Händen nach Hause
kommt.
Der
Drehbuchautor bleibt der Vorlage bis in die Übernahme wortwörtlicher
Zitate treu, befreit sie allerdings von Redundanzen und von missglückten
psychologisierenden Versuchen. Hier spielt das Medium Kino seine Stärke
aus: die Haltung, in der Tim Robbins als Dave durch sein Viertel dahintrottet,
sagt mehr über die gebrochene Gestalt aus als die mehr oder minder verwegenen
Metaphern im Roman. Dass aus einer streckenweise banalen Vorlage ein Regisseur,
der seine Schauspieler hervorragend führt, ein großes Filmwerk machen
kann, auch davon zeugt „Mystic River“.
Dennoch:
„Mystic River“ ist in erster Linie ein Schauspieler-Film. Die Zerrissenheit,
der Kampf mit den inneren Dämonen wird von einem Tim Robbins in Höchstform
überzeugend dargestellt. Sean Penn gestaltet seinen Jimmy als ebenso hin-
und hergerissen zwischen seiner kriminellen Vergangenheit und dem Versuch, durch
die Integration in die Gesellschaft seine Familie zu retten. Zwischen den zwei
Polen brilliert Kevin Bacon als Sean durch schauspielerische Zurückhaltung.
Aber auch die zwei Ehefrauen von Dave und Jimmy - die Kusinen Celeste und Annabeth
- erhalten durch die enorme Leinwandpräsenz Marcia Gay Hardens und Laura
Linneys ein Gewicht, das zunächst kaum zu vermuten war. Die hervorragende
Schauspieler-Führung des Regisseurs wird von der ebenbürtigen Kamera
von Tom Stern, der mit Eastwood mehrmals, auch in „Unforgiven“, zusammenarbeitete
und zuletzt Sam Mendes’ „Road
To Perdition“
fotografierte, und einem unauffälligen und dennoch wirkungsvollen Soundtrack
(von Eastwood selbst komponiert) unterstützt.
„Mystic
River“ als Thriller zu bezeichnen, greift zu kurz. In seiner Erzählstruktur
gleicht er eher einem Western, etwa dem eingangs erwähnten „The Good, the
Bad and the Ugly“. Wobei bis zuletzt nicht klar wird, wer „der Böse“ und
wer nur „der Hässliche“ von den drei ehemaligen Freunden ist. Wenn überhaupt
hier eine klare Linie zwischen Gut und Böse gezogen werden kann: die von
den Folgen einer lange zurückliegenden Tat gezeichneten Figuren erweisen
sich allesamt als moralisch komplexe Personen. Die Folgen der Gewalt wirken
lange nach.
José
García
Diese
Kritik ist zuerst erschienen in:
Zu diesem Film gibt’s im
archiv mehrere Kritiken
Mystic
River
Regie:
Clint Eastwood
Darsteller:
Sean Penn, Tim Robbins, Kevin Bacon, Laurence Fishburne, Marcia Gay Harden,
Laura Linney
Land,
Jahr: USA 2003
Laufzeit:
137 Minuten
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