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Ich
will niemanden mit dem Inhalt langweilen. Dieser Film ist so, als würde
man einem toten Fisch beim Vergammeln zusehen. Er wird nicht besser. Er sieht
aus wie einer dieser MTV-Eigenwerbeclips, in denen es lustig sein soll, wenn
Idioten sich an die Waden pinkeln. Er will uns weismachen, dass es irrsinnig
komisch ist, ein Nerd zu sein, oder (er tut so, als ob es wäre) gar irrsinnig
menschlich ein Nerd zu sein, dabei handelt der Film überhaupt nicht von
einem oder zweien oder vielen Nerds, sondern von einer MTV-Version des Nerdigen,
und das ist wieder nur eine Anhäufung von Klischees (ein offen stehender
Mund, halb geöffnete Lider, ein ausgesucht hässliches 80er Jahre T-Shirt,
eine Riesenbrille, eine Zahnspange etc. pp). Zum Menschen Nerd fällt dem
Film nichts ein, weil der Film eigentlich auch keinen Nerd kennt und vermutlich
auch nicht kennen will, es ist im MTV-Zeitalter nur so irrsinnig cool, einen
abgefahrenen, danebenen Film über Klischees von tumben Idioten zu sehen,
und deshalb muss man einen solchen Film auch drehen, wenn man Geld verdienen
(also Kult produzieren) will.
Weil
der Film sich nur an der Oberfläche eines Nerd-Stylings entlang hangelt,
keinen Schimmer von der Materie hat, die er in Augenschein nimmt, produziert
er auch keinerlei Pointen und keinen Witz. Ich weiß nicht, was meinen
werten Kollegen Knörer an dieser Totgeburt von einem Film bestochen hat,
er entdeckte in dieser Abwesenheit von Humor tatsächlich ein stilistisches
System. Dabei hatte er bei Wes Andersons „The Royal Tenenbaums“, der sich genauso
ausbeuterisch und gleichgültig an der Leere seiner maskenhaften Protagonisten
delektierte, den Finger deutlich auf die Wunde gelegt, so dass der Film Aua
sagen musste.
Zwei
Gegenbeispiele, um zu erklären, was ich meine: „Willkommen im Tollhaus“
und „American Splendor“. Beides sind Nerd-Filme, also Filme über Außenseiter,
Loser, ewig Gehänselte, und beide Filme beziehen ihre Stärke daraus,
dass sie ihr Metier gründlich kennen. Entweder liegt ihnen das Buch eines
solchen Verlierers zugrunde (Harvey Pekar, „American
Splendor“), oder der Regisseur und Autor ist selbst einer (gewesen) (Todd
Solondz, „Willkommen im Tollhaus“).
Diese Filme sind stark, weil sie die Innensicht von Außenseitern wiedergeben
und die ist peinlich in jeder Beziehung des Wortes, weil sie immer auch von
den Qualen handelt, die ein „Nerd“ erleidet.
Aber
„Napoleon Dynamite“ dient nur zur Selbstbestätigung der Klientel, die höchstens
mal ab und zu Angst haben, Nerds zu sein, und nun feststellen darf, dass sie
doch viel cooler sind. Übrigens findet auch die Erettung der Protagonisten
in „Napoleon Dynamite“ via MTV-Ikonographie statt: Napoleon hat gelernt zu tanzen
und sein Bruder mutiert mit Hilfe einer sexy Rapper-Braut zu einem lächerlichen
Hip-Hopper und beide haben ihre Daseinsberechtigung erworben. Sie sind welttauglich,
weil sie MTV-tauglich (natürlich nur scheinbar, aber das ist ja auch ein
Scherz, den die MTV-Kiddies verstehen) geworden sind. Es ist überhaupt
kein Wunder, dass MTV diesen Film koproduziert hat.
Man
glotzt also anderthalb Stunden auf den geöffneten Mund einer armseligen,
weder psychologisch noch satirisch durchdefinierten Filmfigur (übrigens
kann von schauspielerischem Talent in diesem Film keine Rede sein), die von
ein wenig altmodischer Innenarchitektur und ein paar bunt-skurrilen Accessoires
eingerahmt ist, wartet vergeblich darauf, dass nur irgend etwas passiert und
man soll diesen seinen eigenen Zustand offenbar für Amusement halten -
der doch an eine fortschreitende Lebensmittelvergiftung erinnert.
Man
macht sich einfach nicht über Minderheiten lustig, auch wenn das gerade
trendy zu sein scheint - außer man ist selber eine. Aber die spießigen
Cheerleader-Blondies und ihre rüpeligen Streberfreunde kommen in „Napoleon
Dynamite“ auffallend ungeschoren davon. Dabei sind sie die Gesellschaft, die
Nerds produziert, weil sie sie nötig haben, um sich selbst aufzuwerten.
Ich werde den üblen Verdacht nicht los, dass die auch die Zielgruppe dieses
Films sind. Nerd-Würg!
Andreas
Thomas
Zu diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale
mehrere Texte
Napoleon Dynamite
USA 2004.
R: Jared Hess. B: Jared und Jerusha Hess. P: Jeremy Coon, Sean C. Covel,
Chris Wyatt. K: Munn Powell. Sch: Jeremy Coon. M: John Swihart. T: Matt Davis.
A: Cory Lorenzen, Curt Jensen. Ko: Jerusha Hess. Pg: Fox/Access.
V: UIP. L: 95 Min. FSK: ohne Altersbeschränkung. Da: Jon Heder (Napoleon
Dynamite), Jon Gries (Onkel Rico), Aaron Ruell (Kip), Efren Ramirez (Pedro),
Diedrich Bader (Rex), Tina Majorino (Deb), Sandy Martin (Grandma), Haylie Duff
(Summer).
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