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Network
Nachdem dem arrivierten Nachrichtensprecher Howard
Beale seine Entlassung offenbart wird, kündigt dieser in seiner vorletzten
Sendung seinen Selbstmord für die kommende an. Die Sendung wird abgebrochen,
erhält aber positive Resonanz. Beale bekommt nach einigem Hin und Her auf
Drängen der aufstrebenden Diane Christensen eine eigene Show, in der er
als „Zorniger Prophet“ und Sprachrohr einer deprimierten und pessimistischen
Gesellschaft ein Forum findet.
Beale wird von einem an Neutralität gebundenen
Nachrichtensprecher zum passionierten Verfechter von Gerechtigkeit. Seine Auftritte
bringen zwar den Sender zum Schwitzen, treffen aber den Nerv der Zuschauer.
Zu weit geht er anscheinend, als er nicht mehr die Heuchelei und Missstände
einer abstrakten Gesellschaft kritisiert, sondern konkret die mafiösen
Machenschaften des eigenen Senders anprangert, der sich von Konzernen finanzieren
lässt und damit seine lebensnotwendige journalistische Unabhängigkeit
einbüßt.
Der Brutalität der Fernsehwelt, der Beale zunächst
ausweichen kann, fällt der ehemalige Nachrichtenchef Max Schumacher zum
Opfer, der sich gegen die profitmotivierte Ausnutzung und Ausschlachtung des
offensichtlich geistig umnachteten Beale stellt. Mit seiner deutlich jüngeren
Gegenspielerin Diane beginnt Schumacher eine Beziehung, die vom ständigen
Antagonismus der beiden, sowohl was ihr Berufsethos als auch was ihr Menschenbild
betrifft, gekennzeichnet ist. Selbst in intimen Momenten ist die ehrgeizige
und perfektionistische Diane ganz bei der Arbeit und kommt durch ihre ununterbrochenen
und ekstatischen Ausführungen schneller zum Orgasmus als ihr Partner.
Schumacher, der Diane ehrlich liebt und sich von
seiner Frau getrennt hat, verwendet Fernsehvokabular, um sich mit Diane über
ihr Verhältnis klar zu werden, da diese anders wohl kaum erreichbar scheint.
Diane betrachtet menschliche Gefühle als sentimental, schwach und nicht
mehr zeitgemäß, was schlussendlich zur Trennung der beiden führt,
die Schumacher schon im „2. Akt“ des Dramas erahnt. Trotzdem fühlt er sich
ihr gegenüber verantwortlich, da er sie als Produkt dessen sieht, was er
mitbegründet hat: Der Wahnsinn TV.
In der Zwischenzeit wird Dolchstoß-Beale mit
der Reaktion auf seine verbale Abrissbirne vor einem Millionenpublikum konfrontiert.
Der Besitzer des Senders, der Konzernchef Arthur Jensen, also ein Opfer Beales,
lässt diesen vorladen, referiert ihm emphatisch seine „Konzern-Kosmologie“
und nutzt Beale fortan als Instrument zur Verbreitung dieser Philosophie. Der
nihilistische Grundton einer Weltanschauung, die Demokratie als rudimentär
verachtet, die Entmenschlichung der Gesellschaft für unvermeidbar hält
und ihre Mitglieder auf ihre Rolle als bloße Zahnrädchen in einem
plutokratischen System reduziert, erweist sich als nicht konform mit den zuvor
gesäten Sehnsüchten des Publikums.
Es kommt, was kommen muss: Die Einschaltquoten sinken,
Jensen aber will Beale halten und so sehen sich die Programmverantwortlichen
zu einem denkwürdigen Entschluss gezwungen. Beale soll vor laufender Kamera
ermordet werden. Ein Plan, der in doppelter Hinsicht effektiv erscheint, deshalb
aber noch lange nicht zu rechtfertigen ist. Zum Einen ist Beale Geschichte und
zum Anderen werden seine Attentäter ins Licht des öffentlichen Interesses
gerückt; bei diesen handelt es sich um eine radikale Sekte, die „ökumenische
Befreiungsarmee“, über deren Aktivitäten Christensen eine Serie drehen
will.
„Network“ analysiert die Fernsehlandschaft und ihre
Gebaren mit scharfem Sezierblick. Der Film vermittelt einen vernichtenden Eindruck
vom Geschehen hinter den Kulissen der TV-Industrie und den Menschen, die es
produziert, sowohl den Verantwortlichen als auch den Konsumenten. Er illustriert
die destruktive Dynamik einer Branche, die ihr Heil nicht in der Glaubwürdigkeit
sucht, sondern im kurzfristigen Erfolg in Form von Einschaltquoten und Marktanteilen.
Lumets Mediensatire zeigt in komprimierter Form alle
Facetten der Fernsehindustrie: Die Orientierung am Massengeschmack, die sich
hier z.B. in der Suche nach einem „begabten Messias“ als Nachfolger für
Beale niederschlägt, der Populismus, der Skandaljournalismus, die Schnelllebigkeit,
der Abnutzungseffekt, die Abhängigkeit vom Ruhm und sein Verblassen.
„Network“ verschont aber auch nicht den Zuschauer,
der sich vom medialen Hype manipulieren lässt und unreflektiert alles schluckt,
was ihm vorgesetzt wird. Und das ist auch nur das Produkt eines indirekt geäußerten
Wunsches des Publikums, dem vom Fernsehen entsprochen wird. Die anonyme, große
graue Masse wird auch ansonsten als relativ einfältig geschildert, wie
sonst könnte sie Beales Wahlspruch „Ihr könnt mich alle am Arsch lecken.
Ich lass’ mir das nicht länger gefallen.“ derart hinnehmen. Für sie
darf nichts zu kompliziert sein: Wir sind gut und die anderen sind böse.
Allerspätestens im Schlussakt wird „Network“,
den man bis dahin boshaft als authentisch bezeichnen kann, zur Satire, da die
letzte Konsequenz, für die sich der Sender entscheidet, sehr absurd und
wirklichkeitsfremd anmutet. Denn nun wird auch Howard Beale zum Opfer des Fernsehens,
das ihn wohl bald vergessen haben wird. Im abschließenden Epitaph zu Beales
Tod, er sei der erste der wegen zu niedriger Einschaltquoten sein Leben lassen
musste, lässt der Film sarkastisch offen, ob er auch der letzte sein wird.
Allein drei der vier Oscars, die der Film gewann,
erhielt er für Schauspielerleistungen: Beatrice Straight als beste Nebendarstellerin
und Faye Dunaway als beste Hauptdarstellerin. Ihr männlicher Gegenpart
Peter Finch, der kurz vor der Preisverleihung starb, ist der bislang einzige,
der einen Academy Award posthum erhielt. Nominiert waren weiterhin William Holden
und Ned Beatty. Bei zwei weiteren der allesamt großartigen Darsteller
werden Referenzen zu früheren Filmen deutlich. Robert Duvall („Der Pate“)
als profitorientierter Programmchef Frank Hackett droht „Ich schicke ihm [Beale]
die Mafia auf den Hals.“ und lässt damit Erinnerungen an seinen größten
Erfolg wach werden und William Holden ist nach „Boulevard der Dämmerung“
erneut in einem Film vertreten, der die verheerenden Auswirkungen entzogenen
Ruhmes thematisiert.
Bei „Network“ fällt auf, dass er fast gänzlich
ohne Filmmusik auskommt, die, wenn überhaupt, nur indirekt durch die gezeigten
Fernsehprogramme erzeugt wird. Der Film beweist auch nach 30 Jahren eine höhere
Halbwertzeit als das Milieu, das er mit ironischem Seitenhieb karikiert und
produziert als willkommenes Nebenprodukt ein Menge zitierfähiges Material.
Erik Pfeiffer
Network
NETWORK
USA
- 1976 - 122 min. - Erstaufführung: 10.3.1977
Regie:
Sidney Lumet
Buch:
Paddy Chayefsky
Kamera:
Owen Roizman
Musik:
Elliot Lawrence
Schnitt:
Alan Heim
Darsteller:
Peter
Finch (Howard Beale)
Faye
Dunaway (Diane Christenson)
William
Holden (Max Schumacher)
Robert
Duvall (Frank Hackett)
Ned
Beatty (Arthur Jensen)
Wesley
Addy (Nelson Chaney)
Arthur
Burghardt (Ahmed Khan)
Bill
Burrows (Fernsehdirektor)
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