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Die
neun Pforten
Wer mit dem Teufel speisen will,
heißt es, braucht einen langen Löffel. Wer Filme über Satanisches
dreht, sollte dies unbedingt mit einem überzeugenden Drehbuch tun. Die
Zeche zahlt sonst der Zuschauer, die Münze ist Langeweile. Der Vorspann
von Polanskis erstem Film seit fünf Jahren ist vielversprechend: die Kamera
gleitet durch die Lücke in einem Bücherregal immer tiefer ins Schwarze
und blendet, nachdem der Cast durch ist, ins Helle der Geschichte auf, die aber
gleich düster mit einem Selbstmord beginnt. Die Lücke im Bücherregal
führt, buchstäblich, zum Teufel. Das fehlende Buch ist ein satanisches
Werk aus dem 17. Jahrhundert, dessen Autor auf dem Scheiterhaufen endete. Den
eigentlichen Verfasser aber hat man nicht erwischt, nämlich Luzifer persönlich.
Dean Corso, reiner Tor mit skrupelloser
Geschäftstüchtigkeit als dem weit geöffneten Einfallstor für
alles Böse, ist, zwischen den Fronten der Satansjünger, auf dessen
Spuren gesetzt. So weit, so immer noch vielversprechend. Diese Queste jedoch,
durch Spanien und Frankreich, ist mit Leichen gepflastert, nicht aber mit Spannungsmomenten.
Mehr oder weniger subtile Anspielungen auf geistesgeschichtliche Teufelsklischees
täuschen nicht darüber hinweg, dass alles über weite Strecken
von ermüdender Vorhersehbarkeit ist. Dean Corso, von Johnny Depp großartig
gespielt, gibt die Perspektive des Films vor, es gibt so gut wie keine Szene
ohne ihn. Er stolpert voll Ungeschick von einer Dummheit in die nächste
und man muss nicht der Teufel sein, um ihm stets schon meilenweit voraus zu
sein. Die Geschehnisse retardieren immer aufs Neue hinter das zurück, was
man längst begriffen hat. Der Reiz des Ganzen liegt im Mysteriösen
der Beziehungen, nicht auf der Ebene der Suche, die brav Abenteuer an Abenteuer
reiht, als solcher.
Wie ein Joker in einem adventure-game funktioniert das von Emanuelle
Seigner, die den ganzen Film lang einen einzigen Gesichtsausdruck durch Lust
und Gefahr spazierenträgt, gegebene Wesen, das rätselhaft sein soll,
dessen ständiges Wieder-Auftauchen aber alsbald von tödlicher Überraschungslosigkeit
ist. Über alle Durststrecken soll, zweiter Joker, das Atmosphärische
der Bilder retten. Darius Khondji, Kameramann von Jeunet/Caro und David Fincher,
ist filter- und finsternisfreudig wie eh und je, aber angesichts der generellen
Durchschaubarkeit, der durch einen latenten ironischen Unterton nicht gerade
abgeholfen wird, bleibt die Düsternis der Bilder reines Postulat. Erst
gegen Ende, als sich die Ereignisse überstürzen und immer abstruser
werden, gewinnt der Film an Tempo und, allerdings etwas trashiger, Qualität.
Der hieros
gamos vor
Flammenhintergrund ebenso wie allerlei Teufelsbeschwörerisches drumrum
retten den Film geradezu ins B-Movie-hafte. Hätten Polanski und
seine Drehbuchautoren viel früher ihren Sinn fürs helle Licht von
Verstand und Vernunft aufgegeben und hemmungslos im grotesk Unglaubhaften gewütet,
man hätte sich besser amüsiert. Über weite Strecken leidet Die neun Pforten jetzt unter
einem eklatanten Mangel an schlechtem Geschmack.
Ekkehard Knörer
Dieser Text
ist zuerst erschienen in:
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Die
neun Pforten
(The Ninth Gate)
USA,
Frankreich, Spanien 1999, 133 Minuten
Regie: Roman Polanski
Drehbuch: Enrique Urbizu, John Brownjohn, Roman Polanski, nach dem
Roman von Arturo Pérez-Reverte „Der Club Dumas“
Musik: Wojciech Lilar
Kamera: Darius Khondji
Schnitt: Hervé de Luze
Ausstattung:
Dean Tavoularis, Gerard Viard
Hauptdarsteller:
Johnny Depp (Dean Corso), Frank Langella (Boris Balkan), Lena Olin (Liana Telfer),
Emmanuelle Seigner (Das Mädchen), Barbara Jefford (Baronin Kessler), Jack
Taylor (Victor Fargas), José Lopéz Rodero (Pablo Ceniza / Pedro
Ceniza), James Russo (Bernie), Ton Amioni (Lianas Leibwächter), Willy Holt
(Andrew Telfer), Allen Garfield (Witkin)
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