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Die
Neun Pforten
Ladehemmung
Ganz
ehrlich gesagt, weiß ich nicht so richtig, was ich mit Polanskis filmischer
Adaption des Romans von Pérez-Reverte anfangen soll.
Im
Zentrum der Handlung steht der Teufel, zumindest sein Beitrag zu einem Buch
mit dem Titel „Die neun Pforten des Königreichs der Schatten“ von einem
gewissen Aristide Torchia aus dem Jahre 1666, dessen Verfasser später von
der spanischen Inquisition festgesetzt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt
wurde. Der Teufel höchstpersönlich soll Zeichnungen in diesem Buch
entworfen haben. Der Millionär und Büchersammler Boris Balkan (Frank
Langella) besitzt eine von drei noch vorhandenen Kopien des Werkes. Er will
die beiden anderen Exemplare mit seinem vergleichen lassen und beauftragt dazu
den renommierten, wenn’s ums Geschäft geht, skrupellosen Bücherhändler
und -experten Dean Corso (Johnny Depp), der die Besitzer, Victor Fargas (Jack
Taylor) in Portugal und die an den Rollstuhl gefesselte Baroness Kessler (Barbara
Jefford) in Paris, aufsucht.
Alles
läuft demnach – das wird am Anfang schnell deutlich – auf den Satan hinaus.
Wie und was das Buch in dieser Hinsicht für eine Bedeutung hat, bleibt
lange Zeit verborgen. Ich will darüber nur so viel sagen, dass es um den
Zugang zu Satans Reich geht. Auch das ist relativ rasch klar.
• I N H A L T •
Corso
aber scheint nicht allein auf seinem Weg nach Europa. Schon nach seinem Besuch
bei den Zwillingsbrüdern Ceniza (José Lopéz Rodero), von
denen er sich Informationen über die beiden Exemplare des Teufelsbuchs
erhofft, entgeht er nur knapp dem Tod: Unfall oder Mordanschlag?
Auch
Liana Telfer (Lena Olin), die Witwe Andrew Telfers (Willy Holt), der sich in
seinem Arbeitszimmer erhängt hatte und von dem Balkan kurz zuvor das Buch
gekauft hatte, zeigt nicht nur reges Interesse daran, das Buch zurückzubekommen;
ihr scheint jedes Mittel recht, um seiner habhaft zu werden. Und schließlich
taucht auf der Reise Corsos durch Europa immer wieder eine schöne junge
Frau auf (Emmanuelle Seigner), die Corso zunächst für eine Spionin
Balkans hält, die ihm dann jedoch mehrfach das Leben rettet und außergewöhnliche
Fähigkeiten zu besitzen scheint.
Während
Corso bei Vargas wenig Mühe hat, einen Vergleich der beiden Exemplare anzustellen
und sehr schnell überraschende Unterschiede feststellt, ist die Baroness
Kessler wenig angetan von Corsos Besuch. Sie scheint dessen Auftraggeber Balkan
zu hassen und wirft Corso zunächst hinaus. Als sie ihm dann doch einen
Vergleich der Bücher erlaubt, wird Corso niedergeschlagen. Wenig später
ist die Baroness tot, wie zuvor schon Fargas im Teich vor seinem Haus angeblich
ertrunken ist. Das Buch der Baroness verbrennt fast ganz im Kamin. Vorher allerdings
wurden die Zeichnungen herausgerissen.
Schließlich
versuchen Leibwächter Lianas, in den Besitz von Balkans Exemplar zu gelangen
und verfolgen Corso. Wieder muss die unbekannte Frau eingreifen. Was ist so
wichtig an den Zeichnungen? Corso will nicht aufgeben ...
• I N S Z E N I E R U N G •
An
Polanskis Inszenierung wurde gelobt, sie sei subtil, komme ohne Knalleffekte
aus und setze auf den Schrecken, der unauffällig daher komme. Der Film
spielt in unserer Welt – doch die scheint nur eine fahle, kalte Fassade für
eine andere Welt, in der Okkultismus, Horror, Gewalt und Mysteriöses die
Oberhand gewonnen zu haben scheinen. Johnny Depp bewegt sich durch diese Zweitwelt
in einer Gelassenheit, die mit seiner Skrupellosigkeit als Buchhändler
zu korrespondieren scheint. Er gerät in die Mühle der um den Teufel
konkurrierenden „Bösewichter“ Balkan und Liana Telfer, die in ihrer Bosheit
wiederum eher Vampiren gleichen denn okkultlüsternen Menschen, muss allerlei
über sich ergehen lassen, und bleibt doch letztlich in einer Art und Weise
gelassen, als ob es um marginale ökonomische Interessen oder sonstige Belanglosigkeiten
gehe.
Polanski
verzichtet auf alles, was irgendwie nur den Geruch von üblichen Horroreffekten
haben könnte. Das allerdings ist auch das Problem dieses Films. Letztlich
plätschert der Film – analog zur Reise Corsos durch Europa – still vor
sich hin, nur ab und an unterbrochen von einer kurzen Verfolgungsjagd, einem
satanischen Feuer oder einem teuflischen Meeting.
Daneben
entwickelt sich so etwas wie eine Detektivgeschichte bei der Enträtselung
der Bilder des Buches durch Vergleich mit den anderen zwei Exemplaren. Wie ein
in die teuflischen Untiefen verbannter Seriendetektiv bewegt sich Corso unweigerlich
voran zur Lösung des Falls, der eigentlich aber gar keiner ist.
In
„The Ninth Gate“ zaubert Polanski zwar eine düstere Atmosphäre – das
beginnt schon mit der Eingangssequenz, als sich Andrew Telfer das Leben nimmt
– und endet nicht zuletzt mit einer Liebesszene zwischen Corso und der unbekannten
Frau vor einem brennenden Schloss. Ich fragte mich am Schluss: Was soll's? Irgendwie
ist „The Ninth Gate“ ein bisschen Horrorfilm, ein wenig, was die Atmosphäre
betrifft, „The Others“, ein bisschen Kriminalgeschichte, ein bisschen Drama,
ein wenig Road Movie und last but not least a little bit of occultism. Was die
Sehnsucht mancher Figuren nach dem Teufel für einen Sinn haben soll, bleibt
unbeantwortet. Telfers Witwe veranstaltet entsprechende Treffen, Balkan vertreibt
die seiner Meinung nach primitiven Teufelsanbeter und organisiert dann selbst
eine mehr oder weniger triviale, geradezu kindische Teufelszeremonie, die zudem
noch von seiner Dummheit kund tut, die im Widerspruch zu seinem ansonsten gerissenen
Vorgehen steht.
• F A Z I T •
What the hell! Mir
fehlen dabei keine Erklärungen, Rückgriffe in die Trickkiste oder
ein realistischer Touch, um den irrationalen Spuk zu verstehen. Ein wenig mehr
inhaltliche Substanz hätte der merkwürdigen Geschichte allerdings
nicht geschadet. So bleibt der Eindruck eines nicht zu Ende gedachten, manchmal
undurchdachten Flickwerks, das – innerhalb der Logik und der Regeln des Horrorfilms
– merkwürdig kalt und unentschlossen bleibt und vieles im Dunkeln des Verständnisses
belässt, was inszenatorisch ins Helle hätte gezerrt werden müssen.
Wertung:
5 von 10 Punkten.
Ulrich
Behrens
(20.05.2003)
Dieser Text ist zuerst erschienen unter dem Namen POSDOLE
bei: ciao.de
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Die
neun Pforten
(The Ninth Gate)
USA,
Frankreich, Spanien 1999, 133 Minuten
Regie: Roman Polanski
Drehbuch: Enrique Urbizu, John Brownjohn, Roman Polanski, nach dem
Roman von Arturo Pérez-Reverte „Der Club Dumas“
Musik: Wojciech Lilar
Kamer: Darius Khondji
Schnitt: Hervé de Luze
Produktionsdesign:
Dean Tavoularis, Gerard Viard
Hauptdarsteller:
Johnny Depp (Dean Corso), Frank Langella (Boris Balkan), Lena Olin (Liana Telfer),
Emmanuelle Seigner (Das Mädchen), Barbara Jefford (Baronin Kessler), Jack
Taylor (Victor Fargas), José Lopéz Rodero (Pablo Ceniza / Pedro
Ceniza), James Russo (Bernie), Ton Amioni (Lianas Leibwächter), Willy Holt
(Andrew Telfer), Allen Garfield (Witkin)
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