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Nightmare
Before Christmas
In der Halloweenbäckerei
Zwischen Halloween und Weihnachten schaut es sich
am besten. Wenn die Dunkelheit am frühen Nachmittage hereinbricht. Dann
erhellt dieses wunderbare Stop-Motion-Grusical wieder ein jedes Gemüt,
das sich übermannen ließ von der Finsternis. Dabei kleidet es sich
sogar wie sie, es frohlockt mit düsteren Gestalten, mit Entstellten, mit
allerlei Freaks und Misfits. Die Bühnengrößen dieser Horror-Picture-Show
sind Quasimodos und Draculas, Werwölfe und Hexen mit Nasen so groß
wie Bananen. Und der Star ist ein spindeldürres Skelett, Jack Skellington,
ja ein Geäst im Grunde, das sprechen kann und erschrecken.
Angst und Schrecken hier - das ist natürlich
nur die halbe Wahrheit. Diese Puppen, die ein unheimlich mühsamer Prozess
belebt, ein Prozess aus Justieren und Abfotografieren und wieder Justieren und
Abfotografieren usw., sie zeugen nicht nur von einer beträchtlichen Vitalität
- was überrascht, da die Stop-Motion-Technik die kinematografische Illusion
"flüssiger" Bilder aufgrund der für gewöhnlich sichtlich
"springenden" Bilder wie ein Daumenkino platzen lässt - nein,
diese Puppen bergen in ihrer ganzen morbiden Bizarrerie auch eine Liebenswürdigkeit,
der man sich nur schwerlich erwehren kann. Es ist, als hätte jemand Leatherface,
Pinhead, Michael Myers, Jason Voorhees und Freddy Krueger auf Gartenzwerggröße
geschrumpft und nun zu einer "Singstar"-Karaoke-Runde versammelt.
"Nightmare before Christmas" ist sozusagen ein Panoptikum beseelter,
süßer Monster, jedes dazu mit eigenem Körpergadget.
Sally beispielsweise, eine Leiche mit flammendem
Herz, vermag sich ihren Arm anzunähen, so er denn wieder einmal abhanden
gekommen sein sollte. Oder Dr. Finklestein, Sallys Schöpfer: Er ist eine
Art mutierter Enterich im Rollstuhl, der seine Schädeldecke aufklappen
kann, um sich am erfinderischen Hirn zu kratzen. Der Kürbiskönig von
Halloweentown, der Großmeister des Spuks aber ist Jack Skellington. Nach
all den Jahren ist er des Erschreckens jedoch überdrüssig und sehnt
sich nach etwas Neuem. Dies lässt nicht lange auf sich warten: Ein Waldspaziergang
führt Jack zu Bäumen, deren Rinde jeweils ein Feiertagssymbol ziert.
Es sind die Pforten zu anderen Festtagsstädten. Hie ein Herz, dort ein
Kleeblatt. Und ei, welch Anmut, was ist denn das? Ein Tannenbaum ist das. Er
glitzert schön und ist geputzt. Da kann Jack nicht widerstehen.
Danny Elfmans Musik gibt wieder, was nun vorgeht
in unserem Helden. Sie tippelt und tänzelt, die Melodie wie auch der Gesang.
In die aufgeregte Verdutztheit mischen sich Neugier und Bezauberung. Jack ist
überwältigt, sein Entschluss steht fest: Halloweentown wird sich dieses
Jahr auf Weihnachten vorbereiten. Nur wie seinen Mitmonstern bloß Weihnachten
erklären? Jack präsentiert ihnen ein Geschenk, sie raten den Inhalt
ganz fein: "Ein Teil eines Leichnams, was kann es wohl sein?". Jack
zeigt 'nen Weihnachtsstrumpf darum, sie vermuten einen Fuß drin, "verrottet,
mit Schleim drum herum."
Kreaturen der Nacht den Geist des Weihnachtsfestes
begreiflich zu machen, das ist schon ein makabrer Spaß, ein Spaß
für die großen Kleinen und die kleinen Großen. Der Phantast,
der das alles erdachte, diese kaleidoskopische Gruselwelt und ihre bezirzenden
Gruftgestalten, der hat wirklich eine Schwäche für Verschrobenes.
Für die Inszenierung zwar mag sich Henry Selick verantwortlich zeichnen
- und inszeniert und arrangiert hat dieser auch ganz großartig -, doch
Idee und Konzeption freilich stammen von Tim Burton, von wem auch sonst? Wahrscheinlich
zieht es ihn immer wieder hin zu Frauenkleidern tragenden Filmemachern, extraordinären
Schokoladenfabrikanten oder Junggesellen mit Scherenhänden, weil er nicht
ablassen kann von der Faszination der im Außenseitertum liegenden Unverfälschtheit.
Und daran gemahnt schließlich auch die Moral von dieser Geschicht': Der
Schuster bleibt bei seinen Leisten, die Halloweenbäckerei bei ihrem Schleim.
Daniel Szczotkowski
Dieser Text ist zuerst erschienen
bei: www.ciao.de
Nightmare Before Christmas
The Nightmare Before Christmas
USA 1993
Regie: Henry Selick
Drehbuch: Tim Burton, Caroline Thompson, Michael McDowell
Produktion: Tim Burton, Denise Di Novi
Musik: Danny Elfman
Kamera: Pete Kozachik
Schnitt: Stan Webb
Originalstimmen:
Danny Elfman Jack Skellington (Gesang), Barrel, Clown with the Tearaway
Face
Chris Sarandon Jack Skellington
Catherine O'Hara Sally, Shock
William Hickey Dr. Finklestein
Glenn Shadix Mayor
Paul Reubens Lock
Ken Page Oogie Boogie
Ed Ivory Santa Sandy Claws Claus
Susan McBride Big Witch
Debi Durst Corpse Kid, Corpse Mom, Small Witch
Greg Proops Harlequin Demon, Devil, Sax Player
Kerry Katz Man Under the Stairs, Vampire, Corpse Father
Randy Crenshaw Mr. Hyde, Behemoth, Vampire
Sherwood Ball Mummy, Vampire
Carmen Twillie Undersea Gal, Man Under the Stairs
Glenn Walters Wolfman
Deutsche Stimmen:
Alexander Goebel Jack Skellington
Ron Williams Oogie-Boogie-Mann
Manfred Lichtenfeld Erzähler / Nikolaus
Michael Gahr Bürgermeister
Nina Hagen Sally
Fred Maire Dr. Finkelstein
Niko Macoulis Furcht
Katrin Fröhlich Angst
Crock Krumbiegel Schrecken
Manfred Erdmann Wolfmann
Sandra Schwittau Zombie-Kind
Michael Rüth Saxophon-Spieler / Männchen
im Kontrabass / Igor
Thomas Rau Akkordeon-Spieler
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