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Night Of The Living Dead
Filmhistorischer Hintergrund
Im Jahre 1967 hatte ein junger, gerade erst-27 jähriger Mann namens George Andrew Romero die Idee zu einer Art Film, wie es ihn bis dato noch nicht gegeben hatte. Des ewigen Mainstream- Einerlei überdrüssig deutete er die Zeichen seiner Zeit. Zwei der kommerziell gewinnbringendsten Genres hatten ausgedient. Der Kriegsfilm sowie der Western. Schon im Jahr 1964, durch Leones FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR und noch stärker durch Corbuccis DJANGO (1966) hatte der italienische Western den amerikanischen in Europa abgelöst. In den USA ergab sich diese Entwicklung vorrangig durch die jugendliche „Gegenbewegung“ der 60er, in der dieses antiquiert wirkende Genre den Idealen der Hippiegeneration, zumindest im Gewand der Edelwestern, nicht entgegen kam (psychedelische Western wie der 1976 entstandene MAD DOG mit Dennis Hopper waren damals noch in weiter Ferne). So war es denn auch nicht verwunderlich, dass Regisseure wie Sam Peckinpah oder Sergio Leone den Abgesang auf dieses Genre thematisierten. Dass der Kriegsfilm sich mangelnder Beliebtheit erfreute, lag im Zusammenhang mit dem in den USA und insbesondere Vietnam allgegenwärtigen Krieg nahe. So verhielt sich denn auch die amerikanische Filmindustrie, wie sich die Filmindustrie zu Kriegszeiten immer verhält. Ideenarm marschierten die Studios zurück in die 50er und versuchten das inzwischen stärker hinterfragende Publikum mit locker-leichten Unterhaltungskomödien zu begeistern, was rasch zu einer völligen Ablehnung sowohl der Inhalte, als auch der puritanischen Einstellung der Major- Studios, die diese mit ihren Filmen transportieren wollten, führte. Dem jungen Romero schwebte ein Film vor, dem inhaltlich leicht zu folgen sein sollte, der das Publikum von der ersten Minute in seinen Bann ziehen und derart doppelbödig inszeniert sein sollte, dass er reichlich Stoff für Interpretationen anbieten konnte. Er wollte nicht nur handwerklich neue Wege gehen, sondern auch im Hinblick auf allegorische Darstellung und Symboliken. Seine Grundidee einer Kritik an der Gesellschaft, ihrer Unterdrückung bestehender Probleme, sowie deren (gewaltsamer) repressiver Lösung bettete er absichtlich in eine triviale, dem Phantastischen verbundene Geschichte, gepaart mit (für damalige Verhältnisse) drastischen, bis an die Grenzen gehenden Gewaltdarstellungen ein, die medialen Charakter tragen sollten, um dem noch weniger abgeklärten Zuschauer eine bevorstehende Apokalypse zu verdeutlichen. Er schrieb das Drehbuch zusammen mit seinem Freund John Russo und legte es im Jahr 1967 verschiedenen größeren Hollywoodstudios vor. Diese lehnten das Drehbuch jedoch aus verschiedenen Gründen ab. Als erstes störte sie ein für die Traumfabrik typischer Punkt. Das Drehbuch hatte keine Liebesgeschichte vorzuweisen. Weiterhin störte sie das negative Ende, sowie die explizit beschriebenen Gewaltdarstellungen. Romero wurde der Vorschlag unterbreitet, das Drehbuch den Studiovorstellungen anzupassen und eventuell würde er eine Chance bekommen, den Film zu realisieren. Er lehnte dankend ab und war sich mit dieser Entscheidung darüber im klaren, dass er das Geld für die Finanzierung selbst auftreiben musste. Romero erwähnte in mehreren Interviews, dass ein geheimer vierter Grund für die Ablehnung seines Drehbuches vermutlich darin zu finden war, dass er die Hauptrolle mit einem Farbigen besetzen wollte und das war 1967 für amerikanische Filmstudios wirklich fernab des Möglichen. Ein Schwarzer mit Collegeabschluss, im Dienste des Staates und ausgezeichneten Manieren, wie ihn Vorzeigeschauspieler Sidney Portier in Norman Jewisons IN DER HITZE DER NACHT (1967) verkörperte, war gerade im Bereich des Möglichen, aber ein „gewöhnlicher“ Farbiger, der die absolut handlungstragende Figur sein sollte ( und der in einer Szene sogar eine weiße Frau niederschlägt) war utopisch. Melvin van Peebles Black Power Film SWEET SWEETBACK’S BAD ASSSS SONG und Gordon Parks SHAFT waren im Bewusstsein der weißen Gesellschaft noch in weiter Ferne und somit zeigt sich schon allein hiermit Romeros visionäre Sicht. So kehrte Romero in seine Heimatstadt Pittsburgh zurück und trieb mit Freunden soviel Geld auf wie nur möglich war, wobei Karl Hardman einen Großteil der Summe zur Verfügung stellte. Das Budget betrug insgesamt 114.000 Dollar und mit ihm sollte ein Film fertig gestellt werden, der sowohl in handwerklicher als auch inhaltlicher Inszenierung wegweisend für den Independend- und Undergroundfilm sein sollte. Romero drehte in Schwarz/Weiß und lehnte sich damit an den deutschen Expressionismus der 20-er Jahre an.
Die Handlung
Ein abgelegener Friedhof irgendwo auf dem Land. Das Geschwisterpaar Johnny und Barbara hat eine lange Fahrt hinter sich gebracht, um das Grab ihres Vaters zu besuchen. Als ein Gewitter heraufzieht erinnert Johnny sich an alte Kindertage, in denen er seine schreckhafte Schwester mit kleinen Streichen geärgert hat. Barbara empfindet dies wenig komisch und sagt ihm er solle aufhören, doch er wiederholt immer wieder in geheimnisvollem Ton:“ Sie kommen und werden Dich holen.“ Als ein anderer Besucher den Friedhof betritt, setzt Johnny seine Neckereien fort und Barbara geht daraufhin wütend zum Auto zurück. Doch kaum geht sie an dem anderen Besucher vorbei, attackiert dieser sie ähnlich einem wilden Tier. Johnny erkennt die Situation sofort und drängt sich zwischen die Beiden, doch bei dem Kampf stürzt er zu Boden und verletzt sich am Kopf. Er scheint bewusstlos, und als der Fremde sich wieder auf Barbara stürzen will flüchtet diese zum Auto. Es gelingt ihr zu einem einsamen Landhaus zu entkommen, aber schnell merkt sie, dass es nicht bei diesem einen Angreifer bleibt. Das Haus ist von hypnotisiert scheinenden Menschen umgeben, die sich, sobald sie einen ihnen Nicht-Zugehörigen entdecken, in wilder Mordlust auf ihn stürzen. Schließlich schafft es ein anderer Mann, Ben, im Landhaus Schutz zu finden. Er versucht das Problem sofort anzugehen und nicht lange Spekulationen anzustellen, sondern das Nächstliegende zu tun. Die Telefonleitungen sind zusammengebrochen, im Radio spricht man von frisch Verstorbenen, die kurz nach dem Tode zu „neuem“ Leben auferstehen. Immer mehr Menschen finden sich in dem Landhaus ein und sehen sich einem aussichtslosen Kampf gegenüber. Doch dieser Kampf findet nicht mehr allein draußen gegen die Untoten statt, sondern auch im Haus unter den Lebenden.
Interpretation
Romeros Aussagen sind äußerst deutlich. Die Untoten sind ein Symbol für Probleme, Randgruppen oder Minderheiten, mit denen sich die Gesellschaft nicht auseinandersetzen will. Sie sind die „Ausgestoßenen“, die solange keine Beachtung finden, bis die Verdrängung zu einer explosiven Entladung führt und im Kollektiv zurück geschlagen wird. Jetzt, wo eine Ignorierung nicht mehr möglich ist, ist man gezwungen sich mit dem Verdrängten auseinanderzusetzen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die meisten Beteiligten nicht direkt durch die Untoten ihr Leben verlieren, sondern durch ihre Streitigkeiten untereinander.
Konkurrenzkampf, Profilierungssucht und gegenseitige
Schuldzuweisungen bestimmen einen Großteil der messerscharfen und exzellent
durchdachten Dialoge. Die einzelnen Figuren werden zwar geradezu stereotyp dargestellt,
aber immer wieder in ihren Klichees gebrochen. Hierbei werden typische Rollenbilder
der 60er Jahre benutzt und bloß gestellt. Als erstes wäre da Barbara,
die auf die Situation mit weiblicher Hysterie reagiert und, nachdem sie erkennt,
dass sie die Komplexität der Ereignisse nicht durchschauen wird, in einen
katatonischen Zustand verfällt. Sie verbleibt den gesamten Film über
apathisch, bis sie sich am Ende, als die Untoten das Haus erstürmen, mit
wildem Gekreische aus ihrer Apathie befreit und sich der Horde entgegenstellt.
Die Frau der späten 60er befreit sich aus ihrem engen Korsett und will
nicht länger die Rollen einnehmen die ihr zugedacht sind. Die Emanzipation
der Frau sollte Romero in seinem zweiten Film der Untoten-Trilogie genauer beleuchten.
Schon gleich als zweites wird uns die Haupt- und Überfigur des Filmes vorgestellt.
Der farbige Ben. Er sieht von Anfang an nur das Naheliegende und weiß,
dass für Erklärungssuche keine Zeit ist. Es muss gehandelt werden
oder die „Dinger“, wie sie im Film genannt werden, töten sie.
Dies ist auch der Grund, warum Ben der einzige sein wird
der die Attacke der Untoten überlebt. Sich auf sich und seine Fähigkeiten
besinnend, aber niemals den sozialen Zusammenhalt vernachlässigend ist
er der Bedrohung gewachsen. Als er das Haus verlassen möchte, nachdem alle
Untoten verschwunden sind, wird er von einer Bürgerwehr, die ihn für
einen eben solchen Untoten hält, belanglos über den Haufen geschossen.
Die Gesellschaft geht mit Problemen so um wie gewöhnlich. Es wird unterdrückt
- im Notfall sogar mit Gewalt in härtester Form. Ben ist der Beweis, dass
man auch ohne die Gesellschaft überleben kann und muss deshalb beseitigt
werden, da er der Gesellschaft somit nicht mehr angehört. Als Nicht-Dazugehöriger
kommt er auf den Leichenhaufen der anderen „Ausgestoßenen“ und wird zusammen
mit ihnen verbrannt.
Harry Cooper stellt den typischen, aufrechten Amerikaner
der 60er dar. Er weiß alles, mischt sich in jedes Gespräch ein und
ist von seiner Überlegenheit überzeugt. Der selbstbewusste Ben ist
somit eine Konkurrenz für ihn. Doch egal wie hitzig die Debatten auch zwischen
den Kontrahenten ausfallen, so wird man doch nie das Wort hören, das man
in Anbetracht von Bens Hautfarbe und Coopers rechtskonservativem Auftreten erwarten
könnte. Romero vermeidet dies bewusst um der Figur des Cooper nicht den
Stempel des Rassisten aufzudrücken. Denn das würde es dem Zuschauer
zu leicht machen, ihn in eine Schublade zu stecken. Außerdem ging es ihm
um Symbolik. Dass er die Hauptrolle mit einem Farbigen besetzt hatte, sollte
das Synonym für eine Außenseiterfigur sein. Konkrete Rassenproblematik
sollte nicht angesprochen werden, um die abstrahierende Form zu wahren. Die
Rolle des Cooper wurde übrigens (meiner Meinung nach brillant) von Karl
Hardman gespielt. Helen Cooper, Harrys Frau, ist die typische Hausfrau, die
sich um den Zusammenhalt der Familie sorgt. Deutlich ist anzumerken, dass ihre
Ehe auseinander bricht und sie nur noch von der gemeinsamen Tochter zusammengehalten
wird, die verletzt im Keller des Landhauses liegt. Die Tochter wird sich ihrerseits
gegen die Institution Familie wenden, wenn sie sich in einen Untoten verwandelt
und ihre Eltern angreift. Die Letzten in der Gruppe sind das Teenagerpaar Tom
und Judy. Sie sind verwirrt, haben Angst in der Situation, da sie nicht wirklich
wissen, wie sie sich verhalten sollen. Am liebsten würden sie noch wie
Kinder reagieren, doch dafür sind sie zu alt. Die Reife der Erwachsenen
fehlt ihnen noch und so können sie auch kaum Entscheidungen überzeugt
fällen. Tom ist in seiner vermittelnden Art das Bindeglied zwischen den
Streitparteien Ben/Cooper. Als sich herausstellt, wie man die Untoten beseitigen
kann, weicht die Panik der Menschen. Die Seuche hat sich inzwischen im ganzen
Land ausgebreitet und Nationalgarde und Bürgerwehren lösen das Problem
mit Waffengewalt. Hier zeigt sich deutlich, warum Romero seine Angreifer aussehen
lässt wie „normale“ Bürger. Seine “Zombies“ sind gekleidet wie Buchhalter,
Hausfrauen oder Briefträger und trotzdem laufen andere, die sich optisch
kaum unterscheiden durch die Straßen und töten sie. Da der gesamte
Film sehr dokumentarisch eingefangen ist, mit einem hohen Maß an Authentizität,
wirken diese Bilder wie der gesellschaftliche Weltuntergang. Die Menschen töten
einander aus kühler Berechnung gegenseitig, nur um ein System am Laufen
zu erhalten, welches vorrangig sich selbst dient. Konkretere Verweise, wie z.B.
auf den Vietnamkrieg lassen sich an verschieden Stellen wiederfinden, waren
aber nicht die angestrebte Kernaussage. Romeros Rundumschlag war noch viel umfassender.
Generell wollte er aufzeigen, wie sich die westliche Gesellschaft im wahrsten
Sinne des Wortes selbst „zerfleischt“, angedeutet in den kannibalistischen Verspeisungen
durch die Untoten. Der Grund für die Wiederkehr der Untoten wird nur minimal
beleuchtet und ist auch mehr als humorvolle Anlehnung an die EC-Comics und Horrorfilme
der 50er Jahre zu sehen. Auch die Handwerkliche Inszenierung war bahnbrechend.
Sowohl mit seiner Arbeit mit der Handkamera, als auch mit dem Videoclip-ähnlichen
Schnitt - fast 20 Jahre vor M-TV - beeinflusste Romero nicht nur das Genre des
Horrorfilmes, sondern den Film allgemein. Kritiker sahen das damals natürlich
vollkommen anders und verrissen den Film hauptsächlich wegen seiner drastischen
Gewaltdarstellungen. Junge Filmemacher kümmerte dies wenig. Im entscheidenden
Filmjahr gedreht (1968: 2001-ODYSSEE IM WELTRAUM, ROSEMARIES BABY, THE WILD BUNCH - SIE KANNTEN KEIN GESETZ, BONNIE & CLYDE) revolutionierte er den Film und ist seit einigen Jahren
im Museum of Modern Art in New York, als auch in London ausgestellt, als einer
der wegweisendsten Filme des modernen Kinos ab den 70er Jahren. Nebenbei sollte
er auch noch ein Sub-Genre des Horrorfilmes etablieren, welches zwar schon 1963
mit dem Film BLOOD FEAST seinen Anfang fand, aber durch diesen Film erst Annerkennung
fand: Den Splatterfilm. Dieser sollte im Laufe der Jahrzehnte einige Wandlungen
durchmachen, vom gesellschaftskritischen Film in den selteneren, über den
Billig-Schockerfilm in den häufigeren, bis zum Fun-Splatterfilm in den
heutigen Fällen. Dass Romero maßgeblich auch für diese Entwicklung
verantwortlich war, interessierte ihn wenig. Er verstand sich erst sehr spät
als Genre-Regisseur, da er irgendwann feststellen musste, dass seine apokalyptisch
geprägten Allegorien einfach am besten im Horrorfilm funktionieren.
Marcos
Ewert
Dieser Text ist zuvor erschienen in:
Zu diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere Kritiken
Die
Nacht der lebenden Toten
(Night
of the Living Dead)
USA
1968, 96 Minuten [FSK 16]
Regie:
George A. Romero
Drehbuch:
George A. Romero
Musik:
Scott Vladimir Licina
Kamera:
George A. Romero
Schnitt:
George A. Romero, John A. Russo
Darsteller:
Duane Jones (Ben), Judith O’Dea (Barbra), Karl Hardman (Harry Cooper), Marilyn
Eastman (Helen Cooper), Keith Wayne (Tom), Judith Ridley (Judy), Kyra Schon
(Kareen Cooper), George Kosana (Sheriff McClelland), Russell Streiner (Johnny)
Internet
Movie Database: http://german.imdb.com/title/tt0063350
©
Ulrich Behrens 2004
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