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Nobody
ist der Größte
Ein
Desaster
Als
Sergio Leone und Tonino Valerii mit "Mein
Name ist Nobody"
mit Terence Hill zumindest beim europäischen Publikum Erfolge feiern konnten,
dachten vielleicht viele, der Film würde eine Fortsetzung erhalten, obwohl
er eigentlich ein Abgesang auf den Western des alten Stils war. Zwei Jahre später
erblickte tatsächlich unter dem Titel "Un genio, die compari, un pollo"
ein "Nobody"-Film das Licht der Welt, bei dem Leone offiziell nicht
in Erscheinung trat. Trotzdem war er der Initiator für dieses Sequel, das
bei näherem Hinsehen gar keines war. Die einzige Verbindung zu "Mein
Name ist Nobody" war Terence Hill in der Hauptrolle.
Für
die Regie engagierte Leone den in (Western-)Komödien unerfahrenen Damiano
Damiani, der sich mit Politthrillern wie "Warum mußte Staatsanwalt
Traini sterben?" mit Franco Nero (1974) oder "Der Clan, der seine
Feinde lebendig einmauert" (1971), ebenfalls mit Nero und Martin Balsam,
einen Namen gemacht hatte. Zudem hatte Leone die für die weibliche Hauptrolle
engagierte französische Schauspielerin Miou-Miou in Bertrand Bliers "Les
Valseuses - Wir sind die Größten" (1974) gesehen, einer leicht
schlüpfrigen Komödie, in der Miou-Miou zwischen Gérard Depardieu
und Patrick Dewaere eine Frau zwischen respektive mit zwei Männern gespielt
hatte und mit ihren Reizen nicht geizte. Damit war die Grundstein für den
zweiten Nobody-Film geboren: Miou-Miou hier zwischen Terence Hill und dem relativ
unbekannten Robert Charlebois. Die Grundidee des Films ist die gleich wie in
"Mein Name ist Nobody": Hill spielt einen klugen Kopf, der seinen
Gegnern immer einen Schritt voraus ist. Allein diese Grundidee wird von Damiani
derart langweilig und dramaturgisch verfehlt umgesetzt, dass Leone selbst später
von diesem Film nichts mehr wissen wollte. Auch das Motiv "eine Frau zwischen
zwei Männern" kommt in diesem Film derart holprig und langweilig inszeniert
daher, dass es einfach keine Freude macht.
Nobody,
in der englischen Fassung auch als Joe Thanks benannt, will mit seinen Freunden
Bill Locomotiva (Robert Charlebois) und der reizenden Lucy (Miou-Miou) dem korrupten
Major Cabot (Patrick McGoohan), der 300.000 Dollar gehortet hat und als skrupelloser
Indianer-Hasser bekannt ist, das Handwerk legen. Durch seinen Gehilfen Mortimer
(Benito Stefanelli) lässt Cabot Colonel Pembroke (Jean Martin), der das
Fort, in dem Cabot herrscht, inspizieren will, auf dem Weg dorthin ermorden.
Nachdem Bill und Nobody Mortimers Leute in die ewigen Jagdgründe geschickt
haben, sollen Bill als Pembroke verkleidet und Lucy als dessen Tochter in das
Fort fahren. Doch irgend jemand hat die beiden verraten, so dass Cabot beide
einsperrt. Jetzt ergreift Nobody die Initiative und gaukelt Cabot vor, auf einem
Stück Land, das den Indianern gehört, befinde sich eine Mine, in der
massenhaft Gold zu finden sei. Der Indianerhäuptling aber will über
den Verkauf dieses Landes nur mit Col. Pembroke verhandeln. So muss Cabot Bill
erneut als Pembroke einsetzen, um an das Land zu kommen. Allerdings führt
Nobody Cabot ordentlich an der Nase herum ...
Bevor
diese Geschichte allerdings erzählt wird, präsentiert Damiani seinem
Publikum geschlagene 45 Minuten unzusammenhängende Episoden und Episödchen,
die mit der Handlung überhaupt nichts zu tun haben. Der Film beginnt mit
einer Szene, die zwar Ähnlichkeiten mit dem Beginn von "Mein Name
ist Nobody" hat, aber dramaturgisch so schlecht umgesetzt wurde, dass man
nur mit dem Kopf schütteln kann: Ein Mann namens Trader (Mario Valgoi)
in einem Haus mitten in der Prärie hört Geräusche, geht hinaus,
schießt wild um sich, bevor plötzlich ein gewisser Jelly Roll (Piero
Vida) hinter ihm steht. Während die Anfangsszenen von "Mein Name ist
Nobody" und vor allem auch von "Spiel
mir das Lied vom Tod"
die Fähigkeiten Leones zeigten, in seiner ihm eigenen Art episch lange
Szenen zu zeigen, bei denen die Spannung sich bis zum Zerreißen entwickelt,
bleibt davon in der Anfangssequenz dieses Filmes - nichts. Auch auf den Einsatz
von Landschaftsaufnahmen, wie in den beiden anderen Filmen, verzichtete Damiani.
Wie
eine miserable Karikatur auf Leones beste Filme entwickelt sich der Film fort.
Damiani zeigt die Flucht Bills vor einem Priester, dessen Kirche er ausgeraubt
hat, eine Szene in einem Bordell, wo plötzlich der Priester auftaucht,
um den Diebstahl aufzudecken, die Ankunft Pembrokes in diesem Ort usw. All das
ist derart inszeniert, dass man ständig nach dem Sinn fragt. Manchmal wirken
diese Szenen so, als ob jemand in der Fußgängerzone Passanten filmt,
die ein Schwätzchen halten, andere die weiter gehen usw., während
man selbst wartet darauf, dass irgend etwas Bedeutendes passiert.
Auch
das anfangs des Films gezeigte Duell zwischen Nobody und Doc Foster (Klaus Kinski)
hat nicht nur mit der weiteren Handlung überhaupt nichts zu tun, sondern
wirkt wie ein schlechter Abklatsch auf Szenen in "Spiel mir das Lied vom
Tod" - wobei Hill und Kinski hier eine Szene liefern, die noch zu den besten
des Films gehört!
Auch
eine weitere Szene, in der Nobody Cabots Lakaien, Sergeant Milton (Raimund Harmstorf),
auf die Schippe nimmt, entbehrt wirklicher Komik. Überhaupt wirkt all das,
was in dem Film als Komik präsentiert wird, gestelzt, gekünstelt,
gequält.
Insgesamt
verstieß Damiani mit dieser Inszenierung gegen sämtliche Regeln der
Dramaturgie. Der Film ist schwerfällig, die Szenerie zusammenhanglos, und
gerade in der Bordell-Szene anfangs des Films wird man den Eindruck nicht los,
als wenn hier Laienschauspieler und ein Laienregisseur ihr Unwesen getrieben
hätten. Selbst Morricones Musik ist nicht mehr als durchschnittlich, hangelt
sich an damals gängiger, meist seichter U-Musik entlang, und es ist kein
Wunder, dass die später produzierte CD mit dieser Musik kaum Absatz fand.
Die
englische Fassung des Films ist arm an Dialogen. Die deutsche Synchronfassung
hingegen wollte wohl durch die spezielle Komik Rainer Brands (bekannt für
seine Synchro von "The Persuaders", dt. "Die Zwei", 1971
ff.) noch etwas retten. Brand änderte die Originaldialoge und setzte etliche
zusätzliche Wortwitze etc. ein. Allein auch das konnte den Film nicht retten.
Bei
der Kritik fiel Damianis Film durch. Finanziell war der Streifen ein Desaster.
Und es sollte neun Jahre dauern, bis Leone 1984 sein letztes, wirklich großes
Werk "C'era una volta in America" ("Es
war einmal in Amerika")
vollendete, an dem er 15 Jahre lang gearbeitet haben soll.
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D V D •
Untertitel:
Deutsch, Englisch
Dolby,
HiFi Sound, PAL
Laufzeit:
231 Minuten
DVD
Erscheinungstermin: 15. August 2005
Preis
für die vier DVDs enthaltene Box: bei amazon € 29,95, bei jpc € 32,99
Der
Film ist zusammen mit "Mein Name ist Nobody" in einer vier DVDs enthaltenen
Box erschienen und bietet beide Filme in einem digitalen Transfer aufgrund der
besten noch existierenden 35-mm-Filmelemente, abgetastet auf einer Spirit Datacine
(vollständig restaurierte Fassung - ca. 119 Min. in 25f/s PAL - inklusive
vollständigen Abspanns & fehlender Sequenzen). Die Bonus-DVD enthält
eine 27 Minuten lange Dokumentation von Torsten Kaiser ",Nobody does it
half as good as you.' Leones letzter Western", die die Problematik dieses
Films und entsprechende Hintergründe aufdeckt. In einem weiteren Feature
(9 Minuten) erzählt Terence Hill über seinen Werdegang.
Wertung:
3 von 10 Punkten.
Ulrich
Behrens
Dieser
Text ist zuerst erschienen in: http://www.follow-me-now.de
Nobody
ist der Größte
(Un
genio, due compari, un pollo)
Italien,
Frankreich, Deutschland 1975, 120 Minuten (DVD: 119 Minuten)
Regie:
Damiano Damiani, (Sergio Leone)
Drehbuch:
Damiano Damiani, Ernesto Gastaldi, Fulvio Morsella
Musik:
Ennio Morricone, Mills
Kamera:
Giuseppe Ruzzolini
Schnitt:
Nino Baragli
Produktionsdesign:
Francesco Bronzi, Carlo Simi
Darsteller:
Terence Hill (Joe Thanks), Miou-Miou (Lucy), Robert Charlesbois (Bill Locomotiva),
Patrick McGoohan (Major Cabot), Raimund Harmstorf (Sgt. Milton), Piero Vida
(Jacky Roll), Rik Battaglia (Captain), Mario Valgoi (Thomas Trader), Frederick
Ledebur (Priester), Jean Martin (Colonel Pembroke), Klaus Kinski (Doc Foster)
Internet
Movie Database: http://german.imdb.com/title/tt0073036
©
Ulrich Behrens 2005
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