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Open
Range – Weites Land
Kevin
Costners Rückkehr
Nachdem
man ja nun schon einige Zeit nichts mehr von Kevin Costner gehört hat und
auch die Filme, die besagter Herr zuvor abgedreht hatte, sei es nun als Regisseur
und/oder Schauspieler, zumindest mein Lob nicht finden konnten und auch an der
Kasse durchfielen, stellt "Open Range" eine bemerkenswerte Rehabilitation
dar. Und das liegt nicht an außergewöhnlichen Umständen, sondern
vermutlich gerade daran, dass Costner, nachdem sein Stern erheblich verblasst
ist, seinen Starstatus aufgibt und endlich wieder ordentliche Filme macht, in
denen er nicht die schlechteste, aber auch nicht die alleinige Rolle spielt.
"Open
Range" ist ein Western, der in den mittlerweile üblichen Klassifizierungskategorien
als Spätwestern laufen würde. Das Land ist noch weit, wie der deutsche
Titel "Weites Land" suggeriert, aber der Westen auch nicht mehr das
Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Das müssen auch Charly und Boss
erfahren, zwei Cowboys im ursprünglichen Sinn des Wortes, Viehhirten nämlich.
Sie ziehen mit ihrer Herde durch das Land, zusammen mit einem gutmütigen,
etwas beleibteren Herrn namens Mose und einem kleinen elternlosen Mexikaner.
Dabei kreuzen sie den Machtbereich eines Großgrundbesitzers, der "sein"
Weideland, das zwar nicht im eigentlichen Sinne ihm gehört, aber seinem
Einfluss unterliegt, nicht abweiden lassen will. Der örtliche Marshall
ist eine seiner Marionetten, dazu kommen einige Revolverhelden und vor allem
viel Einschüchterung, so daß insbesondere auch in der lokalen Stadt
niemand es wagt, aufzumucken. Es kommt alles so, wie es der geübte Western-Zuschauer
erwartet, und doch auch anders. Natürlich muß alles in einem finalen
Showdown mit vielen Schüssen enden, natürlich kommt die Liebe nicht
zu kurz, und natürlich wird der Böse nicht triumphieren, aber das
ist auch gar nicht das Wesentliche. Viel entscheidender ist, dass, wie in allen
guten Western, die Charaktere nicht eindimensional gezeichnet werden und die
Klischees nicht unkritisch auf die Leinwand gepinselt werden. Das lässt
sich am einfachsten am Beginn zeigen:
Auf
die Leinwand wird eine wunderschöne Landschaft gepinselt, die tatsächlich
wie gemalt aussieht. Weiden, einige Hügel, kein Zaun: Keine menschliche
Hand scheint jemals ihre Hand an und auf dieses Gebiet gelegt zu haben. Dann
reiten die Cowboys ins Bild: Naturburschen, die noch eins mit der Landschaft
zu sein scheinen. Schließlich ein Unwetter, das allen unmissverständlich
klar macht, daß hier noch die Natur über den Menschen herrscht. Doch
dann der Bruch, sobald die eigentliche Geschichte an Fahrt gewinnt: Mit der
Stadt und damit den Menschen rückt zwar auch das Böse, Gefährliche,
Unnatürliche ins Blickfeld, andererseits aber wird enthüllt, dass
die Menschen, die zuvor eins mit der Natur schienen, es gerade nicht sind, weil
ihre Vergangenheit sie auf die verschiedenste Art und Weise nicht loslassen
will. Eins mit sich und damit ihrer Natur sind eher schon einige Charaktere
aus besagter Stadt. Mit dieser Verschiebung erreicht der Film dann tatsächlich
einen Grad von Differenziertheit, wie er alle großen Western auszeichnet,
seien es die früheren wie "El Dorado" oder die späteren,
allen voran "Spiel mir das Lied vom Tod". Und ich, der ich alle diese
Filme mag, möchte "Open Range" mit einigen Abstrichen tatsächlich
in diese Reihe stellen. Vor diesen aber noch ein Lob der Formalia:
Dieser
Film lebt von der Landschaft, dem Soundtrack und seinen Darstellern. Oscar-Nominierungen
sind selten zu verstehen, den dritten Teil des "Herrn der Ringe" hätte
ich etwa auf jeden Fall für seine Kamera nominiert und nicht für einige
der Kategorien, in der er nun Chancen auf den Goldjungen hat. "Open Range"
ist aber von der Kameraführung, den Einstellungen und ihrer Variabilität
für mich ohne Zweifel von den Filmen des letzten Jahres (zu denen auch
"Open Range" ja noch irgendwie gehört) mit das Beste, das zu
sehen war. Natürlich ist ein Western auch ein dankbares Betätigungsfeld,
bieten sich doch Möglichkeiten von großen und weiten Totalen in den
Landschaftsaufnahmen bis hin zu Close-Ups der angestrengten Gesichter vor dem
finalen Schusswechsel, aber wie das hier umgesetzt wird, ist unglaublich gelungen.
Gleiches
gilt für die Musik. Ich habe lange nichts mehr von Michael Kamen gehört,
hier zeigt er sich auf der Spitze seines Könnens. Variabel passt sich der
Soundtrack dem Geschehen auf der Leinwand an, bietet die ganze Bandbreite von
stillen, intimen Themen bis hin zur ganzen monumentalen Orchesterwucht. Dabei
trägt diese musikalische Untermalung für mich sehr viel zur Wirkung
von "Open Range" bei.
Schließlich
die Darsteller. Ein Film, in dem ein Regisseur sich selbst als Schauspieler
inszeniert, verspricht häufig nichts Gutes. Hier ist das Gegenteil der
Fall. Als erstes wird im Vorspann Robert Duvall genannt, mit gleichem Recht
hätte auch Kevin Costner’s Name eingeblendet werden können. Beide
zusammen bilden ein Paar, das besser nicht hätte sein können. Der
Verzicht auf einen klaren Hauptdarsteller dürfte beide um den Oscar gebracht
haben, dem Film tut es unendlich gut, dass ausgewogen zwei Charaktere gleichmäßig
wichtig genommen werden. Zumal beide auch extrem gut harmonieren, mit wenigen
Worten und Gesten sehr viel ausdrücken können. Es scheint sehr so,
als hätten sich hier zwei Schauspieler gefunden, mit denen man noch viele
weitere Filme sehen möchte. Anette Bening als nicht ganz einsame, aber
alleinstehende Quotenfrau und Michael Gambon als Bösewicht komplettieren
ein insgesamt überzeugendes Schauspielerensemble. Kevin Costners Regie
schließlich ist stimmig und macht das, was man aus diesem Ensemble, dem
Drehbuch, der Musik und dem Drumherum eben machen kann: Einen richtig guten
Film.
Ohne
Mängel bleibt aber auch "Open Range" nicht: Gerade in der Mitte
sind manche Szenen etwas langatmig geraten, hätte man den Film von seiner
Überlänge auf die üblichen zwei Stunden zusammengeschnitten,
dabei gerade in der Mitte gespart, wäre wohl der Streifen insgesamt noch
überzeugender ausgefallen. Ebenso bleibt das, was die richtig guten Western
ausmacht, etwas auf der Strecke: Exemplarisch wird das Ende des sogenannten
"Wilden Westens" anhand des Geschehens an einem begrenzten Ort gezeigt.
Das ist auch in "Spiel mir das Lied vom Tod" und anderen ähnlich
gelagerten Filmen so. Aber während dort durch das Fortkommen der Eisenbahn
die Welt hineinkommt, bleibt "Open Range" seltsam auf seinen Ort beschränkt,
gerade auch, weil die Charaktere noch am Ende über diesen nicht hinauskommen.
Die Übertragbarkeit also, das Überzeitliche und Überörtliche,
fehlen in "Open Range" ein wenig.
Ansonsten
aber und trotz dieser Einwände bleibt "Open Range" ein sehr empfehlenswerter
und weit überdurchschnittlicher Film. Kevin Costner ist vom Starkult abgekommen,
prompt kommt nach Starvehikel-Flops wie "Waterworld" und "Postman"
wieder ein richtig guter Film heraus. Das lässt für die Zukunft doch
hoffen!
Benjamin
Stello
Diese
Kritik ist zuerst erschienen bei: ciao.de
Open
Range (Weites Land),
USA 2002
Regie:
Kevin Costner
Darsteller:
Robert Duvall, Kevin Costner, Anette
Bening
140
Minuten, freigegeben ab 12 Jahren
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