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Operation:
Kingdom
Bei einem hinterhältigen, logistisch ausgeklügelten
Bombenanschlag in Riad, der Hauptstadt Saudi-Arabiens, kommen mehr als 100 Menschen
ums Leben, über 200 werden verletzt. Ziel der Attacke waren US-amerikanische
Staatsbürger, die als Angestellte von Ölfirmen mit ihren Familien
in der Metropole leben. Wenn US-Bürger im Ausland getötet werden,
ist die CIA zuständig, und doch kann erst nach umfänglichen diplomatischen
Verhandlungen ein vierköpfiges Spezialisten-Team nach Riad entsandt werden.
Dort sind die Ermittler nicht willkommen, weil die Präsenz amerikanischer
Beamter auf saudischem Boden den Islamisten beste Argumente gegen das nicht
mehr souverän an der Macht befindliche Herrscherhaus liefert. Die vier
CIA-Ermittler, drei Männer und eine Frau, bekommen folglich ein einheimisches
Kindermädchen an die Seite: Colonel Al Ghazi. Die Situation in Riad ist
politisch und kulturell höchst unübersichtlich: Die Petro-Dollars
haben das Land modernisiert, aber die Monarchie ist gleichwohl traditionell
orientiert – zumindest in der Öffentlichkeit. Der islamische Fundamentalismus
agitiert gegen die Verwestlichung des Landes, wobei der Frontverlauf unübersichtlich
ist – die Attentäter trugen Polizeiuniformen. Die arabischen Ermittler
sind in der Wahl ihrer Mittel nicht zimperlich, scheinen an der Festnahme der
Hintermänner des Verbrechens aber nicht interessiert.
In diese Gemengelage von Konflikten stolpern die
US-Ermittler, was zu einem „culture clash“ führt – obwohl man doch meinen
sollte, eine Jahrzehnte lange Präsenz des US-Militärs in der Region
habe zumindest den Agenten des CIA Grundkenntnisse von Kultur und Religion vermittelt;
aber Fehlanzeige. Zudem bleiben dem Team lediglich fünf Tage Zeit für
seine Aufgabe. Die Ermittlungen kommen zunächst gut voran, doch dann lässt
ein weiterer Anschlag, eine Mischung aus Hinterhalt und Autobombe, die Situation
eskalieren. Einer der Amerikaner wird entführt; eine wilde Verfolgungsjagd
beginnt.
Zumindest der erste Teil von „Operation: Kingdom“
trägt die Handschrift des Produzenten Michael Mann, wenn mit einem Star-Ensemble
und mit viel Geduld ein komplexes Bild der politischen Verhältnisse in
Saudi-Arabien und der administrativen Beziehungen zu den USA entworfen wird.
Auch die Darstellung der Arbeit der Ermittler vor Ort scheint von ausgezeichneter
Recherchearbeit geprägt. Nach dem furiosen Auftakt verströmt der Film
die Ruhe und Präzision äußerster Professionalität, unterfüttert
von einer latent präsenten Bedrohung. Wie sicher ist ein Regime, dessen
Vertreter sich nur noch mit dahinrasenden Konvois durch das Land bewegen können,
die nur noch in den Medien Bilder der Souveränität produzieren können?
Ab einem gewissen Punkt scheint den Filmemachern allerdings die Ruhe des Erzählflusses
zuviel geworden zu sein, weshalb der Film im letzten Drittel unvermittelt zu
einer Art „Black
Hawk Down“ (fd 35 629) mutiert, mit
viel Ballerei und erheblichen Kollateralschäden. In Mitleidenschaft gezogen
wird dadurch auch der Film, der den Zuschauer etwas ratlos zurücklässt.
Ein unübersehbarer Symbolstrang des Films erzählt
von den Kindern der Beteiligten, so, als gelte es, die kommende Generation vom
Virus des Fundamentalismus und der Gewaltbereitschaft frei zu halten. Freundschaft
zwischen den Kulturen sei mit etwas mehr Respekt voreinander durchaus möglich,
plädiert „Operation: Kingdom“ – und zweifelt doch selbst daran. Man kann
dem Film unterstellen, seine Botschaft sei, dass es gelte, im unübersichtlichen
Krisenherd des Nahen Ostens geduldig nach potenziellen „Buddies“ wie Colonel
Al Ghazi zu suchen, um den Terrorismus zu bekämpfen. Dieser Kampf aber
– daran lässt der Film in seiner Schlusspointe kaum Zweifel – führt
automatisch zur Reproduktion von Gewalt. Das Leben in Riad, wie es der Film
zeigt, ähnelt trotz allen Petro-Dollar-Glamours bereits dem in Bagdad;
einzelne Stadtteile sind nicht mehr oder nur noch mit Waffengewalt zu kontrollieren.
Vielleicht ist „Operation: Kingdom“ der erste US-Film, der die Niederlage des
Westens im Irak-Krieg (und im Nahen Osten) eingesteht und für einen Truppenabzug
plädiert.
Ulrich Kriest
Dieser Text ist zuerst erschienen
in: film-dienst
Operation:
Kingdom
USA 2007 - Originaltitel: The Kingdom - Regie: Peter Berg - Darsteller: Jamie Foxx, Jennifer Garner, Chris Cooper, Jason Bateman, Jeremy Piven, Andrew Astor, Brooke Langton, Minka Kelly, Frances Fisher, Trevor St. John, Tom Bresnahan - Start: 11.10.2007
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