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Outsourced – Auf Umwegen
zum Glück
Globalisierung als Chance auf
einen guten, alten Bildungsroman, verpackt in die Klischees einer farbenprächtigen
romantischen Komödie. Ist das Zynismus? Oder Chuzpe?
Todd Anderson, die Hauptfigur
von John Jeffcoats Film, lebt in Seattle als Leiter eines Call Centers und verhökert
patriotischen Ramsch. Leider ist Andersons Arbeit aber mittlerweile viel zu
teuer, weshalb das Call Center komplett ins indische Gharapuri „outgesourced“
werden soll. Todd bleibt die Wahl zwischen Arbeitslosigkeit inklusive Verlust
seiner mühsam erarbeiteten Aktienoptionen oder aber die Aufgabe, seine
indischen Nachfolger als Trainee auf US-Niveau zu bringen. Viel erfährt
man nicht über diesen Todd Anderson, aber seine Ausbildung, seine Weltläufigkeit
und auch seine private Situation verschaffen ihm noch reichlich Luft nach oben.
So gerät die Reise nach Indien zu einem fast schon absurd zugespitzten
Culture Clash, wenn Anderson vergeblich mit den landestypischen Gebräuchen
und Mentalitäten zu kämpfen hat, die er eigentlich aus dem Fernsehen
längst kennen sollte.
Indien wird als mega-pragmatisches
Boom-Land präsentiert, in dem willige Arbeitskräfte mit einem akzeptablen
Rest an kultureller Identität und Eigensinn am ökonomischen Aufschwung
arbeiten. Anderson geht es zunächst ganz borniert nur darum, seine Auszubildenden
zeitökonomisch auf US-Niveau zu drillen, und zwar nicht nur ohne die geringsten
landeskundlichen Kenntnisse, sondern auch ohne jegliche Neugier auf die fremde
Kultur. Wer sich in Indien auf die Suche nach einem Cheeseburger macht, hat
irgend etwas nicht verstanden. So hangelt sich Anderson von einem Fettnäpfchen
zum nächsten und „überlebt“ diese Krisenerfahrungen nur dank der liebenswerten
Geduld seiner einheimischen Mitarbeiter Puro und Asha, die sich letztlich als
die begabteren, freundlich-toleranteren Ausbilder erweisen. Tatsächlich
muss Anderson mühsam lernen, sich der ihm fremden Kultur zu öffnen,
um seinen Job erfolgreich zu erledigen. Die Inszenierung lässt zwar kein
Klischee aus – sie zeigt Rinder, die in Call Centern herumstehen, erzählt
vom farbenprächtigen Holi-Fest und von den Segnungen des Kamasutra –, tut
dies aber auf sehr charmante Weise. Außerdem lernt man fast schon in Form
einer Parabel, wie als Kehrseite von Ausbeutung ein neuer Markt entdeckt wird,
wenn man denn versucht, sich einer fremden Kultur zu nähern. Dass dabei
die Liebe zusätzlich ein Tor öffnet, versteht sich von selbst.
So positiv sich das „Outsourcing“
für Anderson und seine charakterliche Weiterbildung entwickelt, so wenig
macht der Film einen Hehl daraus, dass Indien nur eine Zwischenstation für
die Kapitalismus-Karawane ist. Mittlerweile wurde Andersons Firma nämlich
vom
Weltmarktführer in Sachen Direct Marketing geschluckt; die nächste
Station heißt China, wo die Ausbeutung von Arbeitskräften noch problemloser
funktioniert. Aus dem Rechner werden schnell noch ein paar Daten kopiert, bevor
die Hardware komplett verschenkt wird. Sinn macht das kaum, aber die Maschine
muss in Bewegung bleiben. Anderson jedoch steigt aus, kann es sich wohl leisten,
auf hohem Niveau zu privatisieren, und schickt in einer letzten Amtshandlung
Puro nach Shanghai. Ob das als Happy End verstanden werden soll?
Ulrich Kriest
Dieser Text ist zuerst erschienen
in: film-Dienst
Outsourced
- Auf Umwegen zum Glück
USA 2006 - Originaltitel: Outsourced - Regie: John Jeffcoat - Darsteller: Josh Hamilton, Matt Smith, Ayesha Dharker, Larry Pine, Asif Basra, Sudha Shivpuri, Shriti Tyagi - Prädikat: besonders wertvoll - FSK: ohne Altersbeschränkung - Länge: 102 min. - Start: 10.4.2008
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