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Owning
Mahowny
Filme,
die sich den Zusatz "nach einer wahren Geschichte" verleihen, haben
immer ein besonderes Flair. Was auch passiert in den erzählten Ereignissen,
das Mantra "it's only a movie!", es verliert zumindest teilweise seine
Gültigkeit, wenn die Bilder, die man sieht, mit einem Echtheitsanspruch
versehen werden. Owning
Mahowny
ist einer dieser Filme, und er erzählt nicht nur von irgendeiner Begebenheit,
sondern von dem größten Bankbetrug, den Kanada je gesehen hat. Gary
Stephen Ross hat die Ereignisse von 1982 bereits 1987 in seinem Bestseller Stung:The
Incredible Obsession of Brian Molony
verarbeitet.
Man
hätte einen schnellen Thriller aus dem Stoff machen können: Der Bankangestellte
Dan Mahowny (Philip Seymour Hoffman) lebt tagsüber als enorm erfolgreicher
Kreditgeber und verbringt seine Freizeit vorzugsweise in Spielcasinos hinter
der amerikanischen Grenze – mit dem Geld, das er tagsüber an nicht-existente
Kunden als Kredit vergeben hat. Man hätte es inszenieren können als
stetigen Drahtseilakt zwischen der Angst Mahownys, entdeckt zu werden und der
Angst, ein Spiel zu verpassen – doch Richard Kwietniowski hat etwas anderes
getan: Er hat einen langsamen Film gedreht, der sich auf seinen Hauptdarsteller
stützt – selten lässt ihn die Kamera aus den Augen und selbst wenn
der Zuschauer die Überwachungszentrale des Casinos sieht, ist Mahowny im
Bild – auf den Bildschirmen des Managers. Dieser hat ein Auge auf seinen besten
Kunden geworfen, er lässt ihm alle Annehmlichkeiten zukommen, die auch
seine anderen VIP-Gäste genießen: Drogen, Sex, Unterbringung in einer
grandiosen Suite – all das wird aber von Mahowny ignoriert. Das Einzige, was
er essen möchte, sind Spare Ribs mit Coke, und die Nacht in seiner Suite
zu verbringen, wäre Verschwendung, wo doch die ganze Erfüllung seines
Daseins am Spieltisch liegt.
Owning
Mahowny
ist die Geschichte einer Obsession, einer Sucht, und Hoffmans Spiel ist quasi
der Gegenpol zu Nicholas Cages verzweifeltem Trinker, der in Mike Figgis' Trinkerportrait
Leaving
Las Vegas
seinen
eigenen Dämonen erlag. Wo Cage extrovertiert den Verzweifelten gab, da
spielt Hoffman leise und unaufgeregt einen Mann, der sich langsam selbst zerstört.
Die Innereien einer kaputten Seele, die sich auf Hoffmans Gesicht abzeichnen,
kontrastiert Kwietniowski mit den Bildern seiner glatt polierten Innenräume:
Die Banken, die Casinos, die Zimmer im schönen 80er-Design – all die glänzenden
Oberflächen helfen Mahowny über die Leere hinweg, die die verspielten
Millionen in ihm hinterlassen. Der Kater am Morgen danach – er überfällt
auch Mahowny, und reumütig kehrt er immer
wieder zu seiner Freundin Belinda (Minnie Driver) zurück, der er verspricht,
alles werde sich ändern. Dass sein Tun zu einer Sucht geworden ist, versteht
sie freilich lange vor ihm – er beteuert, lediglich in "finanziellen Schwierigkeiten"
zu stecken. Finanzielle Schwierigkeiten in Höhe von 10 Millionen $ waren
es am Ende, die ihren Weg in die Taschen der Croupiers und der Spielhöllenmanager
gefunden haben.
Owning
Mahowny
funktioniert deshalb auf so beeindruckende Weise, weil die kühle Regie
vorgibt, nur zu beobachten, während sie doch über die Räume und
Farben so viel preisgibt über ihre Helden - die Inszenierung wird so zur
kongenialen Ergänzung zu Hoffmans subtilem Spiel: Die verzweifelte Sehnsucht
nach der Befriedigung einer Sucht versinnbildlicht
dieser in den kleinen Gesten – dem 50-Dollar Chip etwa, den er in der Hand behält
nach einer Nacht, in der er mindestens das 100-fache verloren hat. Er sitzt
am Steuer seines Wagens, kurz davor, sich auf den Heimweg zu machen. Vorsichtig
dreht und wendet er den Chip, und als dann am nächsten Morgen seine Freundin
ihn fragt, ob er etwas gewonnen habe, antwortet er, es sei ganz gut gelaufen:
"Ich bin mit 50 $ nach Hause gekommen."
Dieser
Text ist zuerst erschienen in:
Owning
Mahowny
Kanada
/ Großbritannien 2003 - Regie: Richard Kwietniowski - Darsteller: Philip
Seymour Hoffman, Minnie Driver, John Hurt, Maury Chaykin, Sonja Smits, Ian Tracy
- FSK: ohne Altersbeschränkung - Fassung: O.m.d.U. - Länge: 104 min.
- Start: 7.10.2004
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