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Der Kamerablick steuert langsam und pfeilgerade durch das Zimmer,
direkt auf die Kaffeekanne zu. Gleich reisst die Kamera sie um. Aber nein, sie
gleitet mühelos durch den Henkel, als wäre sie gar nicht eine Kamera,
sondern ein allwissender, mathematisch genau registrierender Fokus, der immer
auf der exakten Höhe und Distanz zu den Einbrechern bleibt, die sich hörbar
inzwischen an der Rückseite des Hauses zu schaffen machen.
Das kalt registrierende Auge in der Wohnung als Aquivalent
der äusseren Gefahr.
Ideen hat David Fincher („Seven“, „Fight Club“), das muss man ihm lassen. Es sind die Ideen eines Regisseurs
von Videoclips, der sich seit „Alien 3“ an der Epik von Spielfilmlänge
versucht. Nach dem opulenten und technisch ausgefeilten „Fight Club“, der als
sein bisher gelungenster Film gehandelt wird, hat sich Fincher im kargen „Panic
Room“ selbst auf den Prüfstand geschickt: Wenn einen guten Thriller-Regisseur
auszeichnet, dass er ohne großen Aufwand packend eine minimalistisch einfache
Geschichte erzählen kann, bin ich dann ein guter Thriller-Regisseur?, mag
sich Fincher gefragt haben. Hat sich hingesetzt, hat frustrierte Film-Mutter
plus (punkig-pubertierende) Tochter in ein altes, zu graues, zu riesiges, zu
teures Haus im Dauerregen von Manhattan ziehen lassen (womit sie sich an dem
reichen, treulosen Exgatten rächen kann) und hat ihnen dort einen mit dicken
Stahlwänden, Videoüberwachung, Notrationen, Toilette und einem noch
nicht angeschlossenen Nottelefon ausgestatteten Bunker eingebaut,- das also,
was gelegentlich auch „Schutzraum“, hier aber „Panic Room“ heisst,-, damit sie
sich darin gefälligst auch nicht geschützt fühlen, sondern in
Panik geraten, wenn nachts die drei Gangster kommen, unter denen selbstverständlich
einer ist, der sich Raoul nennt, aus der Bronx stammt, als einziger maskiert
ist und daher über Leichen geht. Die anderen beiden treibt eher durchschnittliche
kriminelle Energie um, und deren schwarzer Part, Forest Whitaker, scheint soeben
dem Film-Set von Jarmuschs „Ghost Dog“ entlaufen zu sein. Weder seine Underdog-Klamotten noch seinen
sensibel-gewissenhaften und erfindungsreichen Charakter („Hör auf, den
MacGywer zu spielen“) scheint er nach seinem beachtlichen Auftritt als Mafia-Samurai
abgelegt zu haben.
Diese Adaption/Adoption aber ist leider schon eines der wenigen
schauspielerischen Highlights von „Panic Room“. Dass Jody Foster nicht nur (wie
im „Schweigen der Lämmer“) wunderschön Angst haben, sondern auch starke Rollen abliefern
kann, hat sie mindestens seit ihrem 14. Lebensjahr immer wieder bewiesen („Das
Mädchen am Ende der Strasse“, „Taxi Driver“). Nicht grundlos scheint sie aber in „Panic Room“ nur der Ersatz
für die Erstbesetzung Nicole Kidman gewesen zu sein: Irgendwie kennen wir
Fosters Bandbreite zur Genüge, und wir kennen sie überzeugender als
hier (und leider hat sie immer noch niemand von ihrer nörgeligen deutschen
Synchronstimme befreit).
Wahrscheinlich aber wäre auch Kidman mit der etwas widersprüchlichen
Figur der Meg Altman überfordert gewesen, die z.B. mit einer ausgeprägten
Klaustrophobie eingeführt wird, diese aber, sobald es im „Panic Room“ ernst
wird, auf Befehl ihrer Tochter einfach so ablegen kann. Und hier sind wir auch
beim Hauptproblem: Dem Mangel an einer tragfähigen Psychologie und dadurch
dichteren Dramaturgie, ohne die ein auf wenige Figuren konzentrierter Thriller
einfach nicht funktionieren kann. Obwohl es nicht an Spannungspotential fehlt
- z.B. leidet drinnen die Tochter (mit Kristen Stewart
gut besetzt) an Diabetes, und die Insulinspritze ist draußen-, wirkt der
Film, als habe man ihn schon einmal gesehen, - und da war er auch nicht spannender.
Man könnte sagen, die filmischen Effekte in der Thrillerbranche
sind eben nun bald alle ausgereizt und immer schwerer zu übertreffen. Aber
genau diese Folgerung beruht auf der, besonders in Hollywood, verbreiteten falschen
Annahme, unkonventionelle Kamerafahrten und spektakuläre Gasexplosionen
könnten allein schon Suspense bewirken. Alfred Hitchcock hat diesen Irrtum
vor vierzig Jahren mit einer langen Szene widerlegt, in der sich auch ein Grüppchen
von Menschen gelähmt vor Angst nachts verbarrikadiert hat. Zu sehen ist
dabei ausser diesen Leutchen und ein Paar Spatzen fast nichts, zu hören
aber genug, um das gemütliche Häuschen am Bodega Bay in „Die Vögel“ bis heute in ein vorbildliches „Panic House“ verwandelt zu haben.
Vielleicht beruht die Kunst, Spannung herzustellen, zuerst auf Menschenkenntnis.
Bei David Fincher aber wirkt gerade dieser Bereich unterentwickelt. Und in „Panic
Room“ gibt’s leider kein abgesaugtes Fett und keine in Spaghetti ersoffenen
dicken Männer, die uns als Ersatz für die ersehnte Panik wenigstens
mit ekligen Randattraktionen unterhalten könnten.
Nein, die strenge, reine Form ist für Fincher nichts. „Panic
Room“ ist ein mittelmäßiger Thriller von einem mittelmäßigen
Thrillerregisseur.
Andreas
Thomas
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diesem Film gibt’s im archiv
mehrere Kritiken
Panic Room (Panic Room)
USA 2001, Länge: 112 Minuten,
Darsteller: Jodie Foster (Meg Altman), Forest Whitaker (Burnham), Jared Leto
(Junior), Dwight Yoakam (Raoul), Kristen Stewart (Sarah) u.a.; Regie: David Fincher; Drehbuch: David Fincher.
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