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Was
hätte das für ein Film werden können, nein: Was hätte es
für einer werden müssen!
Ein
Film zur Zeit und gegen ihren politischen Geist, eine Kampfansage gegen das
Nazi-Geschwerl und seine Helfershelfer. Oder eine Studie über Verführbarkeit,
über Zivilcourage, über eine bestimmte Art der informellen Macht
in Deutschland. Aber geworden ist es nur ein biederer Fernsehfilm, der am Ende
auch noch alle politischen Angriffsziele in einer obskuren Verschwörungsfabel
verschwinden läßt.
Did,
ein verkrachter Schauspieler, der jetzt auf der Straße Haushaltsgeräte
verscherbelt, wird von einem früheren Bekannten (Dominic Raacke, gewohnt
widerlich), jetzt Manager und Wahlkampfleiter der Rechtspartei NSDU (National
Soziale Deutsche Union) angeheuert: Weil die Parteibonzen kein rechtes
Charisma entwickeln, soll er als Spitzenkandidat der Partei für Prozente
und dementsprechend Wahlkampferstattungen sorgen. Der „bunte Vogel"
kommt denn auch beim Publikum ganz gut an; vom Hinterzimmer bayrischer Provinzgasthöfe
bis zu überfüllten Sälen und vor die Fernsehkameras geht schnell
die Reise. Did macht sich schon längst seine Reden selbst, geht mit populistischen
Phrasen und seinen alten Gags auf Stimmenfang. Als er von schwarzvermummten
Typen auf der Bühne zusammengeschlagen wird, erkennt er schnell, daß
dies ein gezieltes Manöver für die Medien war, und auch sonst wachsen
seine Zweifel an dem ganzen Unternehmen.
Weil
er als Witwer hingestellt wurde, gibt es einen Riesenskandal, als Reporter Dids
verbitterte Frau ausfindig machen, die Unschmeichelhaftes über ihn
äußert. Man feuert ihn, aber bald darauf will man ihn zurück:
die Wähler verzeihen ihm offenbar alles. Nun aber spielt er längst
sein eigenes Spiel: er will die Partei entlarven. In der heißen Phase
des Wahlkampfes entdeckt er, daß die Partei nichts anderes als eine Tarnorganisation
ist, ferngesteuert aus Amerika. Er klaut dem Boß belastende Dokumente
und will sie einer Journalistin übergeben. Doch die ist nichts anderes
als eine Agentin im Dienste der Partei. Gegen sie hat Did keine Chance.
Daß
der Film nicht wurde, was er hätte werden können, liegt an diesem
und jenem, am wenigsten aber wohl an seinem Hauptdarsteller. Harald Juhnke gibt
diesen Gescheiterten, der immer wieder auf sich selber hereinfällt
und sich mit letzter Kraft gegen eine Macht zur Wehr setzen will, deren
Gefährlichkeit ihm eher instinktiv zu Bewußtsein gekommen ist,
zurückgenommen und mit jenem Gran Zärtlichkeit für eine
Rolle, die sie lebendig macht. Dafür verzeihen wir ihm sogar solche
Mätzchen wie die Koketterie mit der Milch-Reklame.
Das
Problem scheint mir eher in der Wahl der Stilmittel zu liegen. Was auf dem Bildschirm
noch als passable politische Komödie durchgehen würde, wirkt auf der
großen Leinwand ohne Tiefe und Substanz. Vielleicht ist der Vergleich
Mit BOB
ROBERTS nicht
ganz fair, aber man hätte dort studieren können, wie man mit einer
besonderen Form der Gestaltung hinter die Fassaden des Geschehens gelangen
kann. In DER
PAPAGEI sehen
wir einem Geschehen wie auf einer Bühne zu: die Story schlägt
zwar ein paar Volten, um uns zu überraschen, aber wir gelangen zu keiner
Einsicht dahinter. Der Film findet zu keiner investigativen Ästhetik. Wie
funktioniert eigentlich diese Macht? Abgesehen von ein paar bierdimpfeligen
Bayern zeigt Huettner nie das eigentliche Objekt des Machtspiels, und statt
uns zu erklären, wie eigentlich die Interaktion zwischen dem Populisten
und dem „Volk" abläuft, erklärt er alles zu einer üblen
Intrige. Damit aber macht der Film über den Populismus selber einen Sprung
in den Populismus und verrät seine aufklärerische Intention.
Politik ist ein schmutziges Geschäft, wissen wir nach diesem Film, und
irgendwie werden alle Leute betrogen. Ich fürchte nur, die Schönhubers
dieses Landes müssen weder aus Amerika ferngesteuert werden, noch sind
ihre Wähler ahnungslose Trottel, die sich von ein paar anbiedernden Scherzen
verleiten lassen. Nur wenig auch ist in Huettners Film von der wirklichen
Gewalt zu spüren, die von den Rechtspopulisten ausgeht.
Kurz
gesagt: DER
PAPAGEI ist
zu harmlos, um wirklich an die Zustände im Lande zu rühren. Die Charaktere
sind zu sehr Karikaturen, die Verschwörungen zu dubios, das Amüsement
zu wohlfeil, um uns erschrecken zu lassen. Und ein bißchen Erschrecken
sollte bei dem Thema schon sein.
Georg
Seeßlen
Dieser
Text ist zuerst erschienen in:
Der
Papagei - BRD 1992. R:
Ralf
Huettner. B:
Andy
T. Hoetzel, Ralf Huettner, Hans Dräxler. P:
Gloria
Burkert, Andreas Bareiß. K:
Diethard
Prengel. Sch:
Ulla
Möllinger. M:
Joe
Mubare & Orte Tongue. T:
Marc
Parisotto. A:
Christian
Kettler. Ko:
Eveline
Stößer. Pg:
Factory
EntertainmentIBR. V:
Filmwelt.
L:
89 Min. DEA: Berlinale
1993. D:
Harald
Juhnke (Did Stricker), Dominic Raacke (Rainer Towa), Ilse Zielstorff (Wilma
Stricker), Ludwig Haas (Fuchsmöhl), Veronica Ferres (Helga), Dietmar Mössmer
(Kal) Daniela Lunkewitz (Alexa), Amelie Fried (Moderatorin).
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