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Was soll man noch sagen? Soll man es noch einmal
sagen? Dass ein Film, der seinen Figuren politische Thesen in den Mund legt
und um die Münder herum Darsteller castet und um die Darsteller herum Bilder
baut, indem er Kameras in Palästina aufstellt und hinter seinen Darstellern
mit den Mündern, aus denen politische Thesen sprechen, mit der Kamera herläuft
durch die Straßen der West Bank, dass ein solcher Film das Gegenteil eines
politischen Films ist? Dass er, schlimmer noch, auch das Gegenteil von Kino
ist und man seinen Machern raten würde, doch einen Zeitungsartikel zu schreiben,
wenn, ja
wenn sie überhaupt irgend etwas Interessantes
mitzuteilen hätten.
Soll man es noch einmal sagen und immer wieder sagen
und irgendwann einfach nichts mehr sagen, den Wettbewerb abhaken und hoffen,
dass die Ära Kosslick möglichst bald vorüber geht, damit man
Filme wie „Paradise Now“ nicht mehr im Mittelpunkt eines der großen Festivals
der Welt ertragen muss? Was soll man sagen? Soll man es noch einmal sagen: Dass
das Gegenteil von gut noch stets gut gemeint war und das Gegenteil von Kunst
das sozialdemokratische Verständnis davon?
Also, fürs Protokoll. Erzählt wird die
Geschichte zweier palästinensischer Selbstmordattentäter, Khaled und
Said, der Film zeigt sie am letzten Tag vor dem geplanten Anschlag und am Tag
des Anschlags selbst. Ein kurzes Video wird gedreht, in dem sie zum Abschied
ihre revolutionären Sprüche aufsagen. Später wird sich die Frau,
aus deren Mund der Pazifismus hängt wie in einem mittelalterlichen Gemälde
die Erläuterungen auf weißen Bändern aus den Mündern der
Figuren hängen, darüber empören, dass man diese Videos in palästinensischen
Läden kaufen kann. Der Anschlag wird scheitern, einer der beiden, Said,
wird durch die Straßen irren auf der Suche nach der Botschaft des Ganzen,
die der Film am Ende salomonisch entzwei teilen wird.
Es wäre schon falsch zu sagen, „Paradise Now“
sei ein schlechter Film. Eigentlich ist er, wie gesagt, gar kein Film, sondern
der hilflose Versuch, die verteufelte Lage im Nahen Osten irgendwie in Szene
zu setzen. Die politische wie die ästhetische Naivität, mit der das
geschieht, ist so offenkundig, dass es schon übertriebener Aufwand wäre,
sich dem Ganzen ideologiekritisch zu nähern. Wie wenig man komplexen politischen
Situationen durch Personalisierung gerecht werden kann, wie peinlich es ist,
solche Vereinfachungen durch die obligatorische Liebesgeschichte auch noch in
den Kitsch zu treiben, wie albern es ist, aus dem Nichts mal so eben, ohne irgendeinen
Grund, eine Abendmahlszene zu inszenieren, muss man das noch sagen? Noch einmal,
immer wieder? Ach.
Ekkehard Knörer
Dieser Text ist anlässlich
der Berlinale 2005 zuerst erschienen in:
Paradise
Now
Niederlande
/ Frankreich / Deutschland 2005 - Regie: Hany Abu-Assad - Darsteller: Kais Nashef,
Ali Suliman, Lubna Azabal, Amer Hlehel, Hiam Abbass, Ashraf Barhoum, Mohammad
Bustami - Prädikat: besonders wertvoll - FSK: ab 12 - Länge: 90 min.
- Start: 29.9.2005
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