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Das
Parfum – Die Geschichte eines Mörders
Die Geschichte
eines großen Budgets
Das deutsche Kino des Jahres 2006 kann sich über
einen Mangel an Aufmerksamkeit ebensowenig beklagen wie über einen Mangel
an guten Filmen. Dass also im Vorfeld von „Das Parfum“ im Fernseh- wie im Blätterwald
ein solches Gewese gemacht wird, als hätte Bernd Eichinger neben den Filmrechten
an Süskinds Roman auch noch die an der mindestens landesweiten Berichterstattung
gekauft, mag vielleicht mit dem unerfüllten Wunsch nach wahlweise dem einen
Film, von dem alle sprechen, oder dem großen deutschen Film schlechthin
liegen, wahrscheinlicher und weil so zu erwarten vermutlich auch vom Eichinger
geschäftstüchtig einkalkuliert aber an der Gespanntheit der angeblich
15 Millionen Buchkäufer und noch mehr angenommenen Leser und solchen, die
das ein oder andere vom Buch irgendwo gehört oder gelesen haben.
Dass die oft pharisäerhaften und erbsenzählerischen
Mäkeleien an den Abweichungen des Films von der Vorlage ebenso sicher nicht
ausbleiben werden, ist allerdings kein Hinderungsgrund, Tykwer und Eichinger
wahlweise Hardcover- oder Taschenbuchausgabe von Süskinds Roman immer dann
um die Ohren zu hauen, wenn sie Entscheidendes des Buches völlig verfehlen,
indem sie aus dem gottlosen Mörder einen hilflosen Tölpel machen:
Grenouille (Buch) bringt relativ früh ein – tomtykwermäßig passend
– rothaariges Mädchen um, beiläufig durch die völlige Abwesenheit
moralischer Bedenken, aber doch zielstrebig und effizient, während Grenouille
(Film) dieses Mädchen nur aus Versehen erstickt, weil er ihr zu lange den
Mund zuhält.
Genauso sollte wenigstens Tykwer, der es besser wissen
müßte, mit einer ganzen Bibliothek medienwissenschaftlicher Grundlagenwerke
zugeschmissen werden für die grauenhafte Szene, in der Baldini, der von
Dustin Hoffman gespielte alte Parfumeur, Grenouilles erste Eigenkreation riecht
und der Werkstatthintergrund sich in einen blühenden Garten verwandelt
und eine junge weibliche Schönheit anschwebt und ihm „ich liebe dich“ oder
so ins Ohr säuselt: Das wird zwar so ähnlich auch im Buch beschrieben,
aber eben als literarisches „als ob“ oder genaugenommen und filmäquivalent
als Rückblende auf klischeehaft schöne Jugenderinnerungen. Außerdem
traut sich eine solche Szene nicht mal mehr die Fernsehwerbung. Ähnlich
peinlich ist übrigens die Massenverführungsszene, für die immerhin
die katalanische Theatergruppe „La Fura dels Baus“ engagiert wurde – vermutlich
aber nur, weil eh gerade in Katalonien gedreht wurde und um den Namen im Abspann
zu haben wie den der Berliner Philharmoniker und Simon Rattles, die sich für
Teile des konventionellen symphonischen Raunens hergegeben haben.
„Im achtzehnten Jahrhundert lebte in Frankreich ein
Mann, der zu den genialsten und abscheulichsten Gestalten dieser an genialen
und abscheulichen Gestalten nicht armen Epoche gehörte.“ Dieser kleistisch-fantastische
Anfangssatz Süskinds fällt auch zu Beginn des Films, das heißt,
er fließt eher aus wie ein dickflüssiger Brei. Mit Otto Sander liest
ihn der vielleicht begnadetste deutsche Sprecher, der aber eben auch wieder
nur als solcher, als große Stimme engagiert wurde, den Text aber mit der
ihm eigenen Melancholie und Sentimentalität vorträgt, so dass alles
Schockhafte, was diesem Anfang innewohnt und um das sich danach so viele Bilder
bemühen, sich gleich in nebelhafte Bräsigkeit verflüchtigt und
im folgenden alles nur noch nach allerlangweiligstem Kostümkino aussieht,
bei dem die aufgewändete Intelligenz umgekehrt proportional zur Anzahl
der aufgefahrenen Requisiten ist.. Ob Tykwer das Regieführen verlernt hat
oder Eichingers Einflussnahme für das Scheitern des Films verantwortlich
ist, spielt eigentlich keine Rolle, jedenfalls zerfällt „Das Parfum“ in
eine Folge mehr oder weniger belangloser Einstellungen, die vorzugsweise in
Schmutz und Schleim nach dem suchen, was an der Geschichte eines Mörders
faszinierend sein könnte, ohne sich wenigstens zu ehrlichem Voyeurismus
zu entschließen oder wenigstens so zügig voranzuschreiten, dass sich
nicht allzu viel Langeweile ausbreiten kann.
Thomas Warnecke
Dieser Text ist zuerst erschienen
im:
Das
Parfum – Die Geschichte eines Mörders
D, E, F 2006. R,B,M: Tom Tykwer. B:
Andrew Birkin, Bernd Eichinger. K: Frank Griebe. S: Alexander Berner. M: Reinhold
Heil, Johnny Klimek. P: Constantin, VIP 4 Medienfonds, Nouvelles Éditions
de Films u.a. D: Ben Whishaw, Karoline Herfurth, Dustin Hoffman, Rachel Hurd-Wood,
Alan Rickman u.a. 147 Min. Constantin ab 14.9.06
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