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Der Pate 2
Der
zweite Teil von Coppolas Saga über die Geschichte der Familie Corleone ist mit
Verlaub das beste Sequel eines Films, das ich je zu Gesicht bekommen habe. Es
fällt schwer zu sagen, welcher der beiden Teile besser als der andere ist. Aber
das ist auch gar nicht nötig. Drei Stunden und zwanzig Minuten sind für einen
(Kino-)Film „eigentlich“ eine Zumutung. Bei „The Godfather: Part II“ empfand
ich es jedenfalls nicht so, im Gegenteil, vor allem als eine enorme
Bereicherung, was Inszenierung, Charaktere, Bilder und Geschichte angeht.
Coppola wagte mit diesem Sequel einiges. Er erzählt – parallel – die Jugend des
Paten, gespielt von Robert de Niro, und daneben den Aufstieg seines Sohnes
Michael (Al Pacino) ab 1958, seine Bemühungen um eine Erweiterung der Macht der
Corleones in Las Vegas und in Kuba kurz vor Ausbruch der Revolution Castros.
Diese
parallele Erzählung ist ein schwieriges Unterfangen. Coppola arbeitet hier
nicht etwa mit Rückblenden, sondern erzählt die Geschichte zweier Männer, Vater
und Sohn, ihren Aufstieg zu mächtigen Mafia-Bossen, als zwei eigenständige
Handlungen. Die Tatsache, dass dies gelungen ist, eröffnet die Perspektive des
Vergleichs der beiden Biografien bis in Details. Das macht u.a. die Größe
dieses Films aus.
I N H A L T
Schon
der Beginn der Geschichte von Vito Corleone erscheint wie ein Funke, der ein
Feuer auslöst, das sich über Jahrzehnte hinweg über die Familie Corleone und
weit darüber hinaus ständig ausbreitet. Der spätere Pate wurde geboren als Vito
Andolini in dem Ort Corleone in Sizilien. 1901 wurde sein Vater wegen der
Beleidigung des führenden Mafia-Chefs ermordet. Vitos älterer Bruder schwor
Rache und wollte sich in den Bergen verstecken. Auf dem Weg wird er aus dem
Hinterhalt ermordet. Als die Witwe Andolini (Maria Carta) den Mafia-Chef Don
Francesco Ciccio (Giuseppe Sillato) anfleht, ihren einzig verbliebenen Sohn
Vito zu schonen, weist er sie ruhig, aber unmissverständlich darauf hin, dass
der Neunjährige einmal groß werde und sich dann an ihm rächen würde. Daher
könne er ihn nicht schonen. Als sie daraufhin ein Messer zieht und es Ciccio an
den Hals hält, ergreifen die Männer Ciccios sie und töten sie. Vito kann dem
Zugriff der Mafiosi knapp entkommen und flieht mit Hilfe von Freunden nach
Amerika, wo er in Ellis Island als Einwanderer ankommt.
In
welcher Situation befindet sich Vito 1901? Er hat seine gesamte Familie
verloren – ermordet durch einen Mann, der keinen Widerspruch duldet, nichts
ungesühnt lässt. Und er hat seine Heimat verloren, in der er ebenso ermordet
würde. Das hat Vito, neun Jahre alt, gelernt.
New
York scheint der Ort, im allgemeinen Taumel vom Glück des Tüchtigen, der immer
eine Chance hat, aufzusteigen. Doch auch in New York herrscht die Mafia in
Person von Don Fanucci (Gastone Moschin), einem eitlen, skrupellosen
Mafia-Boss. Durch ihn verliert Vito – jetzt 25 Jahre alt – seine Arbeit in
einem kleinen Geschäft. Hier lernt er auch Clemenza (Bruno Kirby) kennen und
die Methoden, sich als Arbeitsloser mit Kleinkriminalität durchs Leben zu
schlagen. Als er Don Fanucci damit in die Quere kommt, für ihn zahlen soll wie
jeder im Bezirk, fasst Vito einen Entschluss: Er will Fanucci töten, die
einzige für ihn greifbare Möglichkeit voranzukommen und seine Familie zu
schützen. Der Mord an Fanucci ist für Vito der Anfang vom Aufstieg zum
Mafia-Chef.
1958.
Wie schon „Der
Pate“, erster Teil, beginnt auch die Fortsetzung der Geschichte
von Michael Corleone (Al Pacino) mit einem Fest, der Kommunion seines Sohnes
Anthony (James Gounaris). Senator Pat Geary (G. D. Spradlin) hält eine
Lobesrede auf Michael Corleone, der dem Staat einen Scheck zur Unterstützung
der Arbeit der Universität ausgestellt hat. Die Ausgelassenheit, Freude, das
Wiedersehen mit Mama Corleone (Morgana King), Michaels Schwester Connie (Talia
Shire), jetzt 31 Jahre alt, seinem älteren Bruder Fredo (John Cazale), dem
engen Freund und Berater Tom Hagen (Robert Duvall) und Michaels Frau Kay (Diane
Keaton) – das alles ist, wie wir schon aus dem ersten Film wissen, teils
trügerische Fassade, teils Ausdruck des Wunschbildes Michaels. Der steht vor
einigen Problemen:
Fredo
wird mit seiner ständig betrunkenen und mehr als ausgelassenen Frau nicht
fertig. Zudem ist ihm deutlich anzumerken, dass seine Stellung in der Familie
ihm immer mehr zu schaffen macht. Stets stand er im Schatten seines Bruders
Michael. Fredo ist in hohem Maße frustriert.
Connie
will schon wieder heiraten, einen Mann, der Michael überhaupt nicht gefällt.
Die Tinte auf ihren Scheidungspapieren sei noch nicht trocken, aber sie wolle
schon wieder heiraten. Sie würde ihre Kinder nur am Wochenende sehen und
ansonsten mit Männern um die Welt fliegen, die sie wie eine Hure behandelten
und sich nicht wie Ehemänner um sie kümmerten.
Senator
Geary (eine Figur, die wohl dem korrupten Senator Pat McCarren aus Nevada
nachempfunden ist) widersetzt sich dem Ansinnen Michaels, die Lizenz für ein
Casino zu erwerben, mit Hilfe derer er im Glücksspielgeschäft die Oberhand
gewinnen könnte. Eines der berühmten Angebote, das man nicht ausschlagen kann,
belehrt ihn später eines besseren.
Auch
aus New York droht Michael Ärger. Frankie Pentangeli (Michael V. Gazzo)
verlangt von Michael, konkurrierende Mafiosi, die Rosato-Brüder, aus dem Weg zu
räumen. Aber Michael lehnt dies ab, denn die Rosatos arbeiten für den mächtigen
Mafia-Boss Hyman Roth (Lee Strasberg) aus Miami, mit dem Vito Corleone schon
gute Geschäfte gemacht hatte und dem Michael zwar nicht über den Weg traut, der
sein Feind ist, den er aber wegen seiner eigenen Pläne zur Ausweitung des
Glücksspielgeschäftes und ins Auge gefasster Geschäfte in Kuba nicht gegen sich
aufbringen will ...
I N S Z E N I E R U N G
Aus
diesem Gespinst von Abhängigkeiten, Verbindungen, Konflikten, Entscheidungssituationen
und Personen zaubern, malen Coppola, Puzo und Gordon Willis ein dichtes,
überwältigendes, glaubwürdiges und emotional nahe gehendes Sittenbild einer
Familie, parallel erzählt über die Geschichten von Michael und seinem Vater
Vito, Vitos Aufstieg zum Mafia-Chef, Michaels Aufstieg zum ruchlosen Mafiosi,
der alles verliert, was ihm doch so heilig war: seine engsten Freunde und seine
Familie. Zwei Sätze sind für die beiden Männer zentral. Michael drückt das so
aus: „Ein Mann, der keine Zeit mit seiner Familie verbringt, ist kein richtiger
Mann.“ Und: „Halte deine Freunde nahe bei dir, aber deine Feinde noch näher.“
Coppola
schildert diese Familiengeschichte wie den Aufstieg und Fall des römischen
Reiches, vergleichbar einer Tragödie Shakespeares. Je mehr Michael Corleone
glaubt, alles im Griff zu haben oder unter Kontrolle zu bekommen, je mächtiger
er wird, je mehr Widerstände und Feinde er beseitigt, um seine Familie zu
schützen und zusammenzuhalten, desto erfolgreicher und größer wird sein
Imperium und sein Einfluss und desto mehr zerfällt seine Familie. Fredo wendet
sich gegen ihn, Tom Hagen kann am Schluss Michael nicht mehr verstehen, Kay
verlässt ihren Mann – obwohl sie ihn noch liebt –, weil sie seine Ruchlosigkeit
nicht mehr ertragen kann. Am Schluss bleiben ihm nur noch seine beiden Kinder
und seine Schwester.
Al
Pacino spielt in einer seiner besten Rollen Michael Corleone als einen Mann,
der zwischen der Liebe zu seiner Familie, seiner Frau, seinen Kindern, seinen
Geschwistern und dem, was er von seinem Vater gelernt hat und was ihm die
Geschichte seiner Familie gelehrt hat, einen Weg sucht, der ihn in die
Einsamkeit führt. Die Schlussszene des Films gehört wohl zu den besten der
Filmgeschichte. Wir sehen Michael Corleone, einem ruchlosen, seelenlosen,
machtkranken, einsamen Gangster, in die Augen; er ist ruhig und schaut in sich
hinein, nach dem letzten Mord, den er befohlen hat. Den größten Teil der
Familie, die er liebte, hat er zerstört, zum Teil ermordet. In Pacinos Augen
sehen wir, ohne dass ein Wort fällt, die ganze Tragödie des Lebens eines
Mannes, für den Kontrolle und Macht, Intrige und Mord die einzigen Mittel
waren, seine Familie zusammenzuhalten und mit denen er genau das Gegenteil
erreichte. Michael Corleone ist vereinsamt auf dem Höhepunkt seiner Macht.
Langsam nähert sich die Kamera Al Pacinos Gesicht. Abspann.
Nicht
nur in dieser Schlussszene erweist sich Coppolas Meisterwerk als eine Tragödie,
die weit über die Geschichte einer Mafia-Familie hinausführt. Coppola nennt die
Bedingungen, die das Leben eines Kindes in seiner familiären und sozialen
Umgebung prägen, die Schlüsse, die es daraus für sein Leben zieht, die Umstände
und Konflikte, in denen sich erweist, ob diese Schlüsse sein eigenes Leben
bestimmen sollen, die Möglichkeiten und Alternativen, die sich anbieten, aber
oft so schwer zu ergreifen sind, die Umstände, in denen man Schuld auf sich
lädt. Die Vielfalt der Beziehungen und die für einen Film unglaubliche Anzahl
von Personen, die in einem komplexen und komplizierten Netzwerk miteinander und
gegeneinander agieren, fügen sich zu einem Gesamtbild, das trotzdem für den
Betrachter völlig durchschaubar bleibt. Noch lange wird man sich an einzelne
Personen erinnern können, ihre Namen kennen, ihre Gesichter vor Augen haben –
eine Leistung, die Coppola in – nimmt man alle drei Filme zusammen – fast neun
Stunden überzeugend und faszinierend inszeniert. Dazu trug natürlich auch die
Besetzung bei. Neben Al Pacino sind hier vor allem Robert de Niro, Robert Duvall
Diane Keaton, John Cazale und Talia Shire zu nennen, aber auch Lee Strasberg
als Hyman Roth und Michael v. Gazzo als Pentangeli.
F A Z I T
„Der
Pate“, insbesondere dieser zweite Teil der Saga, ist einer jener Filme aus
Hollywood, in denen eine glaubhafte Nähe zu den Figuren aufgebaut wird, in
denen das Betrügerische, Falsche vieler Produktionen aus der Filmstadt gänzlich
vermieden wurde. Gerade die Identifikation mit einer Person wie Michael
Corleone ist von einer Ambivalenz geprägt, fernab eines trivialen
Gut-Böse-Schemas, die den ganzen Reigen von Gefühlen gegenüber einer Film-Figur
einschließt, Wut, Hass, Liebe, Verständnis wie Unverständnis, Hoffnung wie
Enttäuschung, Mitgefühl wie Ablehnung. „Der Pate“ ist ein zeitloser Bildbogen,
ein Werk, das ich nicht vergessen werde, das im Gedächtnis haftet und im Herzen
einen Platz gefunden hat. Der zweite Teil der Geschichte ist eines der wenigen
Sequels, die die Qualität des ersten Teils noch einmal erhöhen konnte. Von
welchem Sequel kann man das schon sagen? Ein Meisterwerk, das für mich ganz
oben auf der "Bestsellerliste“ steht.
Wertung:
10 von 10 Punkten.
Ulrich
Behrens
Dieser
Text ist zuerst erschienen bei: ciao.de
Der Pate 2
(The Godfather: Part II)
USA 1974, 200 Minuten
Regie: Francis Ford Coppola
Drehbuch: Francis Ford Coppola, Mario
Puzo, nach dem Roman von Mario Puzo
Musik: Carmine Coppola, C. Curet Alonso,
Nino Rota
Kamera:
Gordon Willis
Schnitt:
Barry Malkin, Richard Marks, Peter Zinner
Spezialeffekte:
–
Hauptdarsteller:
Al Pacino (Michael Corleone), Robert Duvall (Tom Hagen), Diane Keaton (Kay
Adams-Corleone), Robert de Niro (Vito Corleone), John Cazale (Frederico „Fredo“
Corleone), Talia Shire (Constanzia „Connie“ Corleone-Johnson), Lee Strasberg
(Hyman Roth / Stukowski), Michael V. Gazzo (Frankie Pentangeli), G. D. Spradlin
(Senator Pat Geary), Richard Bright (Al Neri), Gastone Moschin (Don Fanucci),
Tom Rosqui (Rocco Lampone), Bruno Kirby (Clemenza), Frank Sivero (Genco),
Francesca De Sapio (die junge Carmella Corleone), Morgana King (Carmella
Corleone), Marianna Hill (Deanna Dunn-Corleone), Abe Vigoda (Sal Tessio),
Leopoldo Trieste (Signor Roberto), Dominic Chianese (Johnny Ola), Troy Donahue
(Merle Johnson), Joe Spinell (Willi Cicci)
Internet
Movie Database: http://us.imdb.com/Title?0071562
Weitere
Filmkritiken:
„Movie Reviews“ (James Berardinelli):
http://movie-reviews.colossus.net/movies/g/godfather2.html
„CultureDose.com“ (John Nesbit):
http://www.culturedose.com/review.php?rid=10001642
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