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Pat
Garrett jagt Billy the Kid
Knockin on Heaven's
Door
In seiner kompletten Karriere hatte Sam Peckinpah
immer Ärger und Probleme mit Produzenten und Hollywoodstudios. Selten war
er in seiner Arbeit frei und durfte das abliefern, was er wollte. Am meisten
Ärger hatte er wohl bei "Pat Garrett & Billy the Kid". Schon
von Beginn der Produktion an war klar, dass Peckinpah sich mit dem produzierenden
Studio MGM immer und immer wieder anlegen würde. Erst wollte man ihn nicht
mit seiner gewohnten Crew arbeiten lassen, sondern verlangte, dass er billige
mexikanische Arbeiter engagieren solle. Hier konnte sich Peckinpah noch durchsetzen,
doch die "Rache" von MGM folgte sofort: Die veranschlagte Drehdauer
und das zur Verfügung gestellte Budget reichten nicht aus, was von vornherein
klar war. Peckinpahs Alkoholprobleme, Viruserkrankungen bei ihm und Teilen der
Crew sowie aufgrund eines technischen Fehlers unbrauchbares Filmmaterial bei
den Aufnahmen der ersten Tage kamen hinzu. Um wenigstens halbwegs "seinen"
Film zu machen, drehte Peckinpah Szenen heimlich und an drehfreien Tagen mit
den ihm größtenteils zugetanen Schauspielern. Es gelang, so gut es
unter diesem Umständen gelingen konnte. Peckinpah überzog die veranschlagte
Drehdauer dann wirklich noch um 21 Tage und hatte genug Material, um seine Schnittfassung
zu erstellen.
Doch der nächste Ärger kam sogleich. MGM
hatte angefangen, abseits der Filme in Casinos und Hotels zu investieren und
brauchte dringend Geld. Der Film sollte so schnell wie möglich ins Kino.
Peckinpah war es gewöhnt, sich viel Zeit für den Schnitt zu nehmen,
doch MGM gab ihm nur zwei Monate. Mit Unterstützung von mehreren Cuttern
arbeitete Peckinpah rund um die Uhr und präsentierte nach zwei Monaten
eine Schnittfassung, mit der er unter den Umständen zufrieden war, auch
wenn er immer wiederholte, dass er in weiteren Monaten noch mehr aus dem Material
herausholen könnte. Bei Vorführungen kam die Fassung von Peckinpah
hervorragend an, sogar beim Vizepräsident von MGM. Doch seine Vorstandskollegen
empfanden die über zwei Stunden dauernde Fassung als zu lang und ließen
sie von einem externen Cutter, der nicht mit dem Material vertraut war, um über
eine halbe Stunde kürzen. Die neue Fassung war eine Katastrophe (was bei
einem Peckinpah-Film bedeutet: Immer noch relativ gut und sehenswert) und scheiterte
an den Kinokassen gnadenlos. Auch einer weiteren, etwas längeren Fassung
widerfuhr an den Kassen das gleiche Schicksal. Peckinpah hatte mit diesen beiden
Fassungen nichts mehr zu tun, er hatte Hollywood schon verbittert den Rücken
gekehrt. 1989 machte sich der Cutter Roger Spottiswoode dann daran, eine Fassung
herzustellen, die der von Peckinpah bisher wohl am nächsten kommt.
Im Mittelpunkt des Films stehen, wie es der Name
schon deutlich macht, zwei große Westernlegenden: Pat Garrett (James Coburn)
und Billy the Kid (Kris Kristofferson). Schon in der ersten Szene lässt
Peckinpah die beiden aufeinandertreffen. Im New Mexico des Jahres 1881 sagt
Garrett seinem alten Weggefährten Billy the Kid, er solle fliehen. Billy
the Kid ignoriert die Warnungen und wird kurze Zeit später von einer Gruppe
Sheriffs unter Führung von Garrett verhaftet und ins Gefängnis gesteckt.
Schon hier spürt man die besondere Beziehung
zwischen diesen beiden Männern. Sie waren früher die besten Freunde,
zwei Banditen, die bedingungslos zusammenhielten, der alte Pat und der junge
Billy, fast eine Vater-Sohn-Beziehung. Nun steht Garrett auf der anderen Seite.
Er ist jetzt Sheriff. Sie stehen sich gegenüber. Billy bleibt nicht lange
im Gefängnis. Ihm gelingt die Flucht, wobei er zwei Deputies erschießt.
Garrett soll ihm nacheilen, ihn wieder einfangen oder noch besser, gleich erschießen.
Vor allem der Rancher Chisum (Barry Sullivan) hat daran ein Interesse. Er kontrolliert
die Gegend, hat alle Politiker bestochen und sieht in dem aufrührerischen
Billy the Kid natürlich eine Gefahr, die Garrett umgehend beseitigen soll.
Auch wenn der deutsche Filmtitel, in dem statt dem
"and" ein "jagt" zwischen den beiden Namen der Helden einen
anderen Eindruck vermittelt, handelt es sich bei dem Film nicht um eine Hatz
von Garrett auf Billy the Kid. Pat Garrett nimmt die Verfolgung nur sehr langsam
auf, trödelt herum, wenn man das so salopp formulieren will. In ihm sträubt
sich alles, doch er weiß auch, dass er keine Wahl hat. Die Umgebung beleuchtet
das noch eindrucksvoller. Die meisten Menschen, die Garrett fragt, versagen
ihm die Unterstützung, er muss sie schon zwingen. Sie drücken Billy
the Kid die Daumen, hoffen dass er entkommen kann, dass er nach Mexiko flieht,
was wohl auch Garrett hofft. Doch Billy the Kid will schlussendlich nicht davonlaufen,
sondern sich vor allem Chisum stellen.
Es sind verkehrte Seiten in Peckinpahs Westernabgesang.
Der Bandit "Billy the Kid" hat die Sympathien auf seiner Seite. "Ich
aber nicht", antwortet er in einer Szene auf Garretts Aussage "Das
Land hat sich geändert." Er ist seinen Prinzipien treu geblieben.
Er ist der letzte freie Cowboy des Wilden Westens. Ihn begleitet noch diese
Wild-West-Romantik, die man aus vielen Western kennt. Um ihn herum regiert dagegen
schon das Geld, kapitalistische Interessen der Großgrundbesitzer, die
keine Freiheit mehr lassen, in deren Welt kein Platz mehr für umherziehende
Männer ist. Garrett dagegen hat die alten Ideale verraten. Er versucht,
sich an die neue Welt anzupassen und wird dabei von ihr ausgenutzt. Seine "Jagd"
auf Billy the Kid macht ihm dies immer weiter deutlich und als Höhepunkt
des Ganzen erschießt er nach dem Showdown sein Spiegelbild. Der neue Pat
Garrett, der sich verkauft hat, erschießt in dieser Szene, den alten,
von vielen bewunderten, aufrichtigen Cowboy.
Peckinpahs Film ist sehr melancholisch geworden.
Wie sein bekanntestes Werk "The
Wild Bunch" zeigt er kritisch
eine neue, hereinbrechende Welt, in der schließlich Geld über Freundschaft,
Verrat über Treue siegt. Für Peckinpah typisch, fügen sich die
kurzen, brutalen Shootouts, die Kugeln, die in Zeitlupe in die Körper eindringen,
perfekt in den Film ein. Sie unterstreichen die Aussagen des Films.
Dass "Pat Garret and Billy the Kid" ein
solches Meisterwerk geworden ist, liegt auch an der genauen Figurenzeichnung.
Selbst kleine Nebenfiguren wirken nicht beliebig, sondern haben Hintergründe,
die sich in Geschichte und Aussage des Films einfügen. Dazu ist die Schauspielerauswahl
sehr gelungen. Das betrifft nicht nur die beiden hervorragend agierenden Hauptdarsteller,
sondern auch die Nebenrollen, für die Peckinpah den ein oder anderen prominenten
Namen gewinnen konnte.
Ein besonderer Glücksgriff ist ihm in zweierlei
Hinsicht mit der Verpflichtung von Bob Dylan gelungen. Dylan spielt nicht nur
sehr überzeugend einen der Banditen aus Billys Bande, er hat den Film auch
darüber hinaus geprägt. Während der Dreharbeiten fing er in den
Pausen an, ein paar Songs über die beiden Helden zu schreiben. Peckinpah
gefielen die Lieder so gut, dass er Dylan als Zuständigen für die
komplette Filmmusik durchsetzte. Dies sorgt für eine hervorragende musikalische
Untermalung. So wird eine der besten und ergreifendsten Szenen des Films auch
von Dylans Musik begleitet. Zu den Klängen von "Knockin on Heaven's
Door" macht eine der Nebenfiguren ihre letzten Atemzüge.
Ein mehr als sehenswerter Film von Peckinpah, der
leider immer noch nicht auf DVD erschienen ist. Doch für Fans besteht Hoffnung:
Der Cutter Paul Seydor, Regisseur der 1997 für den Oscar nominierten Dokumentation
"The Wild Bunch: An Album in Montage" arbeitet an einer neuen Fassung,
die, ausgehend von Spottiswoodes Version aus dem Jahr 1989, der von Peckinpah
angestrebten Fassung am nächsten kommen soll. Diese Version soll dann auch
auf DVD erscheinen und wurde im Rahmen einer Peckinpah-Box von Warner für
die USA für Anfang des Jahres 2006 angekündigt.
Björn Becher
Dieser Text ist zuerst erschienen
bei: www.filmbesprechungen.de
Pat
Garrett jagt Billy the Kid
Pat
Garrett & Billy the Kid
Regie:
Sam Peckinpah
Buch:
Rudolph Wurlitzer
Kamera:
John Coquillon
Musik:
Bob Dylan
Schnitt:
Roger Spottiswoode, Garth Craven, Robert L. Wolfe, Richard Halsey, David Berlatsky,
Tony De Zarraga
Darsteller:
James Coburn (Pat Garrett), Kris Kristofferson (Billy the Kid), Bob Dylan (Alias),
Slim Pickens (Sheriff Baker), Katy Jurado (Mrs. Baker), Jason Robards (Gov.
Lew Wallace), Richard Jaeckel (Sheriff Kip McKinney), Chill Wills (Lemuel),
John Beck (Poe), Rita Coolidge (Maria), R.G. Armstrong (Deputy Ollinger), Luke
Askew (Eno), Jack Elam (Alamosa Bill), Paul Fix (Pete Maxwell), Harry Dean Stanton
(Luke), Aurora Clavel (Ida Garrett), Gene Evans (Mr. Horrell), Sam Peckinpah
(Will), Dub Taylor (Josh), Elisha Cook jr. (Cody)
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