Mel
Gibson - Der Patriot
Man könnte meinen, man wisse ziemlich genau, was
da auf einen zukommt. Titel, Geschichte und die Beteiligten versprechen als
Kombination schon einiges: ein Blockbuster über die amerikanische Revolution
von 1776, über den erfolgreichen Kampf gegen die englische Kolonialmacht,
an der Spitze Mel Gibson, der auf dem Schlachtfeld die Rotröcke einen Kopf
kürzer macht. "Nicht zurückweichen!"
Produzent Mark Gordon und Autor Robert Rodat hatten zuletzt
für Saving
Private Ryan gearbeitet, was viel
Pathos und noch mehr detailliertes Gemetzel befürchten lässt. Inszeniert
wird das knapp dreistündige Opus noch dazu von Roland Emmerich, dem ja
spätestens seit Independence Day nachgesagt wird, er mache "amerikanischere"
und "patriotischere" Filme als die amerikanischen Patrioten. Die englische
Presse hat das Werk bereits zum Politikum erklärt und als "anti-britischen
Historienfilm" angeklagt. Dagegen haben amerikanische Rechtsradikale, so
heißt es, den Film längst zu ihrem Kultobjekt bestimmt. Alles in
allem also scheint der Titel tatsächlich Programm zu sein - Der Patriot.
Doch selbst wenn wir schon zu ahnen glauben, was sich
da Lautes, Blutiges, Pathetisches und ideologisch schwer Verdauliches vor unseren
Augen und Ohren abspielen wird, so zwingt uns Der Patriot in seiner dreisten Übererfüllung aller Erwartungen
doch dazu, über all dies neu nachzudenken.
Los geht's mit der Ruhe vor dem Sturm auf einer kleinen
Plantage in South Carolina, auf der die glückliche Familie des Witwers
Benjamin Martin (Mel Gibson) ihr beschauliches Dasein fristet. Zufrieden schuften
die Sklaven vor sich hin, die Sonne scheint, und die liebe Haus-Sklavin Abigail
(Beatrice Bush) - ganz die nette "Neger-Mammi" unzähliger Südstaaten-Epen
- bereitet mit quasi-mütterlicher Liebe Kuchen für die siebenköpfige,
weiße Kinderschar. So könnte es bleiben. Doch nein, auch dieses rassistische
Idyll ist in Gefahr - schon die erste Einstellung zeigt Waffen und mahnt an
die grausame Vergangenheit Martins aus den Kriegen gegen die Franzosen und die
Indianer. Ein Schatten auf der Seele des Kriegshelden, der darob den Film mit
der düsteren Ahnung eröffnet: "Ich habe lange befürchtet,
dass meine Sünden mich heimsuchen werden."
Die Heimsuchung kommt in Gestalt des Befreiungskrieges
gegen die Engländer. Der verantwortungsvolle Familienvorstand will zunächst
gar nicht mitmischen: "Ich bin Vater, ich kann mir den Luxus von Prinzipien
nicht leisten!" Dann aber wird ein Sohn von dem diabolischen englischen
Colonel Tavington (Jason Isaacs) erschossen, ein anderer gefangengenommen und
das Anwesen Martins von den skrupellosen Rotröcken niedergebrannt. Das
bringt den alten Kämpfer wieder zu sich selbst, und schon sind wir mittendrin
in einer abstrusen Mischung aus Braveheart, Fackeln im Sturm, Robin Hood, Vom Winde verweht und Mad Max. Martin wird Anführer einer Zivilmiliz und lehrt
den versnobten Engländern das Fürchten und Sterben.
Natürlich könnte man jetzt alle Stereotypen
und Mythen untersuchen, denen sich Der Patriot bedient, um seine Geschichte eines amerikanischen Helden
zu erzählen. Darin müsste z.B. der Cherokee-Tomahawk vorkommen, mit
dem Mel Gibson als eine Art Teilzeit-Indianer kämpft und als solcher dann
auch - eben wie ein "Wilder" - in einen argen Blutrausch gerät.
Oder man könnte von der amerikanischen Fahne reden, die Sohn Gabriel den
ganzen Film über mit Liebe zusammenflickt, damit sie sein Vater dann in
der alles entscheidenden Schlacht gegen die Rotröcke schwingen kann. Und
von den Schwarzen müsste gesprochen werden, die sich als zufriedene Sklaven
dann doch zumindest vereinzelt für die Freiheit entscheiden, d.h. in Gestalt
eines Ausnahme-Sklaven gegen die Engländer kämpfen. Obwohl, eigentlich
gibt es in Der Patriot überhaupt keine Sklaven - wie sagt einer der schwitzenden
"Field-Negroes" bei Massa Martin so schön: "Sir, wir sind
keine Sklaven. Wir arbeiten nur einfach auf diesem Land." Eine prima Anekdote
für den nächsten Ku-Klux-Klan-Herrenabend.
Doch so einfach es wäre, dies und mehr aufzuzählen,
um es unter "amerikanische Gründungsmythologie" abzubuchen, so
wenig wäre damit gewonnen. Denn die reaktionären Klischees und chauvinistischen
Mythen haben mehr mit uns zu tun, als es der Verweis auf einen US-amerikanischen
Patriotismus wahr haben möchte. Die Fahne, der historische Hintergrund
und das ständige Schwafeln von einem "Krieg für die Unabhängigkeit
und Freiheit einer ganzen Nation" sind hier nichts anderes als eine leere,
leicht benutzbare Hülle: ein Vehikel für eine Geschichte, in der es
kaum um die USA, selten um dezidiert "Amerikanisches" oder historische
Entscheidungen geht, sondern um eine vertraute Inszenierung von Krieg, Familie
und weißer Männlichkeit.
Krieg ist und bleibt der Ort, an dem sich diese Männlichkeit
beweist - kein schöner Platz natürlich, wie der Titelheld am Anfang
zu bedenken gibt. In Schönheit sterben aber kann man da, in Ehre und bei
schmalziger Musik. Und wenngleich Krieg auch das Leben Unschuldiger kostet,
wie Martin warnt, so ist er doch zugleich der einzige Weg, "diese Toten
zu ehren". Krieg ist hier in erster Linie ein Weg zur Befreiung, ein tragisches,
notwendiges Übel, zu dem es keine Alternative zu geben scheint. Wenn der
hehre Colonel Burwell (Chris Cooper) in dieser Logik ernst und zerknirscht die
Lage erklärt, dann erinnert dies schon sehr an die Argumentationen der
jüngsten Kriegseinsätze in Ex-Jugoslawien: "Krieg ist der einzige
Weg."
Während die Männer also für Frieden und
Freiheit töten, halten die Frauen die Familien und Häuser in Schuss
und dürfen außerdem den heimkehrenden Kämpfern die gespaltenen
Schädel und geöffneten Bauchhöhlen aus dem schwermütigen
Sinn vertreiben. "Du hast nichts getan, wofür du dich schämen
müsstest", weiß Martins holde Schwägerin Charlotte (Joely
Richardson). Damit hat sie sich als sein zukünftiges Weib empfohlen.
Nichts von alledem in Der Patriot ist historisch in dem Sinne, dass eine Begründung
dafür oder ein Widerspruch dagegen zu führen wäre. Der Film erzählt
keinen historischen Stoff, sondern wiederholt im historischen Gewand das bekannte
Melodram der weißen Männlichkeit auf eine Weise, die bei Independence Day und Saving Private Ryan ähnlich funktioniert hat. Nebenbei werden genug
"Attraktionen" geboten, damit sich hier selbst Schwarze, Frauen und
Engländer nicht nur diskriminiert, sondern auch unterhalten fühlen
dürfen.
So gesehen funktioniert Der Patriot als filmischer Global Player, als allgemeingültiges
Markenprodukt. Dass eine derart rassistische und sexistische Großproduktion
heute darauf rechnen darf, weltweit Zuschauer zu finden, sagt mehr über
uns und unsere (Bilder-)Welt aus als über einen etwaigen US-Patriotismus.
Jan Distelmeyer
Dieser Text ist zuerst erschienen in epd film 8/2000
The Patriot
USA 2000. R:
Roland Emmerich. B: Robert Rodat. P: Dean Devlin, Mark Gordon, Gary Levinsohn.
K:
Caleb Deschanel. Sch: David Brenner. M: John Williams. T:
Lee Orloff. A: Kirk M. Petruccelli, Barry Chusid. Ko: Deborah L. Scott. Sp:
Stuart Robertson. Pg: Sony/Columbia/Mutual Film/CentropolisEntertainment. V:
Columbia. L: 164 Min. FSK: 16, ffr. Da: Mel Gibson (Benjamin Martin), Heath
Ledger (Gabriel Martin), Joely Richardson (Charlotte Selton), Jason Isaacs (Col.
William Tavington), Chris Cooper (Col. Harry Burwell), Tcheky Karyo (Jean Villeneuve),
Lisa Brenner (Anne Howard).
Start: 3.8. (D), 27.7. (CH), 4.8. (A).