zur startseite
zum archiv
Pepi, Luci, Bom und die anderen Mädchen vom Haufen
Wie einem der erste Langspielfilm Pedro Almodóvars, der heute,
25 Jahre später, die wichtigste Größe im spanischen Kino darstellt,
gefällt, hängt wohl maßgeblich davon ab, wie erfolgreich man
es
schafft, seine Erwartungshaltungen
herunter zu fahren.
Der erste Blick im Œuvre Almodóvars (von seinen frühen
Kurzfilmen einmal abgesehen) geht durch ein Fenster auf die graue Fassade des
gegenüber liegenden Hauses. In dem Kamerablick der entgegen gesetzten Richtung
schaut ein Polizist (Félix Rotaeta) aus eben jenem Haus durch eben dieses
Fenster und was er sieht, ist die kleine Marihuana-Plantage, die die junge Pepi
(Carmen Maura) sich auf ihrem Fensterbrett hält. Er klingelt nun bei ihr,
um sie zu Liebesdiensten zu zwingen. Als sie sich wehrt, vergewaltigt er sie.
Rachedurstig wendet sich Pepi an ihre Freundin Bom (Olvido Gara), die Gitarristin
einer Rock-Band ist, um gemeinsam mit ihr dem Polizisten eine Falle zu stellen.
Ungünstigerweise vermöbeln sie dabei jedoch nur dessen Zwillingsbruder
(ebenfalls Félix Rotaeta).
Doch immerhin gelingt es den beiden Mädchen, dem Polizisten seine
masochistisch veranlagte Frau Luci (Eva Siva) auszuspannen. Dieser will alles
tun, um sie wieder zu bekommen, doch auch Bom wächst sie zunehmend ans
Herz. Am Ende kehrt Luci zu ihrem Mann zurück, der es nun versteht, ihre
masochistischen Bedürfnisse zu befriedigen. Da endet eine erfolgreiche
Liebesnacht schon mal im Krankenhaus und Außenstehenden wird hinterher
erklärt, Luci sei von einer Jugendbande zusammengeschlagen worden. Gegen
diese Auffassung der Ehe als sadomasochistische Zweckgemeinschaft kommen dann
auch die beiden Mädchen nicht an. Nach einem letzten „Rettungsversuch“
aus dem Krankenzimmer sind die drei nur noch zu zweit.
Almodóvar wurde mit Pepi, Luci, Bom Teil der „Movida Madrileña“, jener (sub-)kulturellen
Bewegung, die sich zu Beginn der Achtziger, also nur wenige Jahre nach dem Sturz
des frankistischen Regimes, 1975, bildete und das kulturelle Leben des Landes
bis heute stark beeinflusst. Wild ging es her in diesen Tagen des Umbruchs:
Da gibt es eine Party mit Penis-Längen-Wettbewerb und eine ständig
keifende Freundin mit Dreitagebart. Von den diversen „Wohltaten“, die sich Pepi
und Bom ausdenken, um den masochistischen Geschmack ihrer Freundin Luci zu treffen,
einmal ganz abgesehen. Den humoristischen Höhepunkt des Films bietet dann
sicherlich ein Werbespot für Damenunterwäsche der Firma „PONTE“ (was
auf spanisch soviel wie „Zieh’s dir an!“ bedeutet). Dieser Slip kann nämlich
nicht nur Furze in ein wunderbares Parfum verwandeln, sondern fungiert in anderen
Notfallsituationen auch als Windel oder – zusammengerollt - als Dildo. Den reaktionären
Gegenpol zum anarchischen Treiben bietet Lucis Mann, der ja schon von Berufs wegen die (alte?) Ordnung repräsentiert und beim Zeitungslesen
lauthals über die „Scheißkommunisten“ flucht oder darüber nachdenkt,
„wo das in diesem Land nur mal hinführen soll, mit so viel Demokratie.“
Sicherlich hat der Film über längere Strecken den Charme
eines 25 Jahre alten Konzertmitschnitts. Die Handlung fällt nach der noch
recht geschickten Einführung der Personen sichtlich auseinander und die
Provokationen werden zunehmend beliebig. Auch ist der Blick, der auf die Personen
und ihr Umfeld geworfen wird, nicht sonderlich tiefschürfend. Böse
sein kann man einem Film, der von einem Mann gedreht wurde, der damals noch
hauptberuflich bei der Telefongesellschaft arbeitete, für all das natürlich
nicht, aber es kommt eben auch nie das Gefühl auf, einem zeitlosen Meisterwerk
– wie, sagen wir, David Lynch’s Eraserhead, auch ein Langfilmdebüt - beizuwohnen.
Trotzdem ist Pepi, Luci, Bom ein „echter Almodóvar“. Der Themenkreis des Regisseurs
um Liebe, Gewalt, Tod und sexuelle Identität wird hier bereits angeschnitten.
Mit dem bereits erwähnten Werbespot, gibt es bereits die erste Film-im-Film-Sequenz,
jenes Verfahren, dass Almodóvar in seinen späteren Filmen, z.B.
Live Flesh oder Sprich mit ihr perfektionieren und bis zum Exzess betreiben wird, um
schließlich, in seinem bislang letzten Film La Mala Educación, die Grenze zwischen den beiden Realitätsebenen endgültig
einzureißen. Die Figur des brutalen Polizisten, der um seine Frau kämpft,
wird uns ebenfalls in Live Flesh wieder begegnen. Schließlich gibt es bereits hier
diverse Verweise auf die Populärkultur, so ist etwa Pepi, als wir sie zum
ersten Mal sehen, damit beschäftigt, Sticker in ihr Superman-Panini-Album
zu kleben und die Ausstattung, ein 80er Jahre-Alptraum in Pink und Neongelb,
gibt einen Ausblick auf die schrille, durch und durch künstliche Welt,
in der Almodóvars Filme der 90er – vor allem Kika - spielen werden.
Unter’m Strich gibt es nicht nur für Almodóvar-Fans und
Verfechter der Auteur-Theorie viel zu entdecken, nur eben leider kein Meisterwerk.
Nicolai Bühnemann
Pepi, Luci, Bom und die anderen Mädchen vom Haufen
Pepi, Luci, Bom y otras chicas del montón
Spanien 1980
82 min., 35mm
Regie und Buch: Pedro Almodóvar
Kamera: Paco Femenia
Schnitt: José Salcedo
Produktion: Figaro Films
Darsteller: Carmen Maura, Olvido "Alaska" Gara, Eva
Siva, Félix Rotaeta, Kiti Manver, Julieta Serrano, Cecilia Roth u.a.
zur startseite
zum archiv