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Peter
Pan
Die Bilder scheinen direkt aus Mary Poppins zu stammen: Hausdächer und Kamine, die ihre Herkunft
im Filmstudio nicht verbergen, künstliche und stilisierte Kulissen - und
dazwischen fliegende Kinder. Peter Pan (Jeremy Sumpter) ist es, der über
die Dächer der Stadt fliegt - der Junge, der nicht erwachsen wird, und
mit ihm Wendy (Rachel Hurd-Wood). Wendy ist das Mädchen, das so gut Geschichten
erzählen kann, dass Peter Pan sie mitnehmen möchte ins Nimmerland,
wo seine Lost Boys nur darauf warten, eine Ersatzmutter zu finden. Wendy und
Peter als Mutter und Vater der elternlosen Kinder - das Motiv wird in der Peter Pan-Verfilmung von P. J. Hogan in vielen Szenen ausgereizt:
Das Märchen um den Jungen, der gegen die Piraten im Nimmerland kämpft
und um seine Begleiterin - die Fee Tinkerbell (Ludivine Sagnier) ist hier immer
zugleich auch eine jener coming-of-age Geschichten, die das Kino so gern erzählt.
Den Kuss, der in der Buchvorlage von J. M. Barrie bereits beim ersten Treffen
von Peter und Wendy ausgetauscht wird, spart sich der Regisseur filmgerecht
bis zum Schluss der Geschichte auf - um die angedeutete Liebesgeschichte zwischen
den beiden Helden auch wirklich zu vollenden, und auch die Konkurrenz zwischen
Fee Tinkerbell und Mädchen Wendy wird konsequent als durchaus erwachsenes
Dreiecksdrama inszeniert - trotz all der opulenten Kulissen, die versuchen,
kindliche Fantasie zu imitieren. Dass jener Imitationsversuch freilich dazu
verdammt ist, eine im Gegenteil sehr erwachsene, theaterhaft postmoderne Kunstwelt
zu schaffen, schadet nicht, sondern trägt dazu bei, dass Peter Pan genauso begeistert, wie die ausufernden Filmspektakel
Baz Luhrmans.
Der Vergleich zu Luhrmans Arbeiten liegt wohl auch deshalb
so nah, weil die spektakulären Bilder und das schreiend bunte Licht vom
gleichen Mann hinter der Kamera produziert wurde: Bereits in Moulin Rouge! und Romeo + Julia sorgte Donald McAlpine für exzentrische Lichtgebung
und Kamerafahrten, die es hauptsächlich auf Geschwindigkeit anlegten. So scheint es auch in Peter
Pan, als würde sich die Kamera hauptsächlich
darum bemühen, auf möglichst spektakulären Wegen durch Wolkentürme
aus Watte und Pappmaché oder über die puppenhausartigen Dächer
Londons zu winden. Und seine Arbeit funktioniert - sie gibt dem Film jene Geschwindigkeit,
von der er auch erzählen möchte, jene Spannung, die Wendy erlebt,
wenn sie mit Peter Pan ins Nimmerland fliegt - und wer könnte diese gemeinsame
Flucht anders deuten als eine Metapher auf das Erwachsenwerden. Peter Pans Weigerung,
die Kindheit zu verlassen, bedeutet für Wendy gleichzeitig den endgültigen
Abschluss mit der Kindheit, und jene Spannung überträgt sich auf Kamera
und Licht. Ein wenig schade nur, dass trotz eines Abspanns, dessen längster
Teil die Auflistung des Special Effects-Teams ist, es den Filmemachern nicht
gelungen ist, die Flugversuche der Protagonisten nach mehr aussehen zu lassen
als nach plumpen Trampolinsprüngen im Schulsport. So perfekt ist der visuelle
Eindruck des Films, dass der eigenartig hölzerne Flug Peter Pans in harschem
Kontrast steht zu den eleganten Bahnen der Kamera und dem ausgefeilten Setdesign.
Dennoch ist Peter Pan eine überaus gelungene Verfilmung des Stoffes,
deren Kostüm- und Ausstattungsorgie wohl durchaus bewusst an die Klassiker
des Hollywoodmusicals erinnert - auch wenn dabei auf Gesang und Tanz verzichtet
wird. "I do believe in spooks, I do, I do, I do" murmelt der Löwe
im Wizard of Oz vor sich hin und ruft damit den Spuk um sich herum erst
wirklich hervor. Ganz explizit nimmt P. J. Hogan diese Szene auf, wenn er nach
dem Tod Tinkerbells diese nicht durch Händeklatschen retten lässt,
wie es das Buch erzählte, sondern Peter und all die anderen "I do
believe in fairies, I do, I do" wie eine Beschwörungsformel aufsagen
lässt - der Glaube ans Übersinnliche ermöglicht erst seine Existenz,
und das ist es auch, was an fantasievollem Kino wie Peter Pan so Spaß macht: zu glauben an all das Übersinnliche,
von dem uns nicht nur in Kindestagen so viel erzählt wurde, und dabei zuzusehen,
wie all diese Märchen auf der Leinwand in die Existenz geholt werden.
Benjamin
Happel
Diese
Kritik ist zuerst erschienen in:
Zu diesem Film gibt's im archiv der filmzentrale mehrere Kritiken
Peter
Pan
USA
2003 - Regie: P.J. Hogan - Darsteller: Jason Isaacs, Jeremy Sumpter, Rachel
Hurd-Wood, Ludivine Sagnier, Olivia Williams, Harry Newell, Freddie Popplewell,
Lynn Redgrave, Richard Briers, Theodore Chester - FSK: ab 6 - Länge: 107
min. - Start: 1.4.2004
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