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Der
Pferdeflüsterer
Es führt kein Weg daran vorbei, daß das
zugrundeliegende Buch formelhafter Schrott ist. Nicht daß ich's gelesen
hätte, aber es muß sehr schlecht sein, wenn man einem Film von Robert
Redford die trübe Quelle noch anmerkt, aus der er entsprungen ist. Die
Geschichte ist ursprünglich wohl so gegangen: Entfremdete Großstädterin
mitsamt Sleater Kinney hörender Tochter begibt sich in den nicht so wilden,
aber um so ursprünglicheren Westen der USA (Montana), wo ein wundersam
pferdeseelenbesprechender Cowboy beider verletzte Gemüter und das Pferd
dazu wieder heilt - oder umgekehrt: wahrscheinlich trifft die umgekehrte Reihenfolge
die Intention sogar noch besser. Der Film erzählt diese Geschichte denn
auch und als solche ist und bleibt sie unreflektierter Koyaanisqatsi-Kitsch.
Aber. Robert Redford ist ein großer Regisseur,
dabei bleibe ich. Dysfunktionale Familien, das Thema kehrt wieder, sein Erstling
An Ordinary Family bleibt freilich unübertroffen. Quiz Show war
die Saga von der verlorenen Unschuld der USA, am etwas merkwürdig gewählten
Gegenstand Fernsehen. Feier der Schönheit der Natur war bereits Aus der Mitte entspringt ein Fluß. Diesmal also verlorene Unschuld in New York plus
Heilung durch Rückkehr zur Natur. Das Pferd heißt Pilgrim. Die körperlich
und psychisch versehrte Tochter heißt Grace. Das Wunder ist, daß
Redford daraus eine recht komplexe Psychostudie macht, der man ihre spirituelle
Seite nach einiger Zeit des Kopfschüttelns je länger je mehr abnimmt.
Kristin Scott Thomas' Figur der Annie liegt in ihrem glaubwürdiger werdenden
Zwiespalt nach einer Weile immer interessanter neben dem Klischee, das sie ihrer
Anlage nach ist, und zwar gelingt das dank der Zeit, die ihr der Film läßt,
dank der Subtilität der Annäherung zwischen Tom Booker (Robert Redford,
der sich erfreulicherweise nicht in den Vordergrund spielt) und ihr, dank auch
der schauspielerischen Leistung von Kristin Scott Thomas.
Seine großen, wenigstens berührenden Momente
hat der Film denn auch vor allem dann, wenn nicht geredet wird. Der schwelgerischen
Landschaftsaufnahmen sind auch ein bißchen zu viele und zu postkartenähnliche,
als daß man sie so gänzlich goutieren möchte. Stark aber ist
die Inszenierung in der Bebilderung psychischer Konfrontationen. Zwischen Booker
und dem Pferd Pilgrim, zwischen Booker und Annie - vor allem die Szene beim
Tanz zur Country-Musik. Redford bleibt da immer der elegante und klassische
Regisseur, als der er tendenziell unterschätzt wird. Er versteht es, falsches
Pathos zu vermeiden und Komplexitäten des Charakters nicht wegzubügeln.
So hat er denn diesen Film, der trotzdem sein schwächster ist, noch gerettet.
Genaugenommen hat er nur einen Fehler gemacht: Gefallen an dieser Romanvorlage
zu finden.
Ekkehard Knörer
Dieser Text ist
zuerst erschienen bei:
Der
Pferdeflüsterer
THE
HORSE WHISPERER
USA
- 1998 - 169 min. Erstaufführung: 24.9.1998/25.3.1999 Video
Produktion:
Robert Redford, Patrick Markey, Joseph Reidy
Regie:
Robert Redford
Buch:
Eric Roth, Richard LaGravenese
Vorlage:
nach dem gleichnamigen Roman von Nicholas Evans
Kamera:
Robert Richardson
Musik:
Thomas Newman
Schnitt:
Tom Rolf, Freeman Davies, Hank Corwin
Darsteller:
Robert
Redford (Tom Booker)
Kristin
Scott Thomas (Annie MacLean)
Sam
Neill (Robert MacLean)
Scarlett
Johansson (Grace MacLean)
Dianne
Wiest (Diane Booker)
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