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Picknick
am Valentinstag
Der
Valentinstag des Jahres 1900: Die Schülerinnen eines privaten Mädchen-Internats
brechen zum alljährlichen Valentinspicknick am Hanging Rock auf. Sie kehren
erst ungewöhnlich spät wieder zurück, denn drei der Mädchen
und eine Lehrerin sind dort einfach spurlos verschwunden. Suchtrupps werden
ausgeschickt, können aber keines der Mädchen finden. Erst einige Tage
später gelingt es Michael (Dominic Guard) und Albert (John Jarratt) das
Mädchen Irma (Karen Robson) lebend zu finden. Sie kann sich aber an nichts
mehr erinnern. Währenddessen spitzt sich die Lage in dem Internat mehr
und mehr zu, denn durch die Ereignisse droht der Schule die Schließung,
weil die Eltern ihre Kinder dort nicht mehr weiter unterrichten lassen wollen...
Diesen
Film mit einfach Worten zu beschreiben ist eine schwierige Aufgabe. Liest man
sich eine Inhaltsangabe zu dem Werk durch, so wird die Erwartung geweckt, es
mit einer konventionellen Art von Thriller oder Krimi, verbunden mit etwas Dramatik,
zu tun zu haben. Das Gegenteil ist aber in Wirklichkeit der Fall. Peter Weir
gelang das Kunststück, diesen Film wie einen 100-minütigen Traum zu
inszenieren, was vor allem an dem stimmungsvollen Soundtrack, einer grandiosen
Kameraführung, der australischen Landschaft und den größtenteils
eher spartanischen Dialogen liegt. Bereits die Anfangscredits zeigen in ruhigen
Bildern den morgendlichen Ablauf der Mädchen im Internat, getragen von
einer schönen Panflötenmusik von Gheorghe Zamfi. Der Aufenthalt am
Hanging Rock, ein Felsmassiv abseits jeder Siedlung, wird mehr und mehr von
einer düsteren, aber den Zuschauer immer packenderen Atmosphäre getragen,
die sich in einem massiven Panik-Schrei eines Mädchens entlädt und
somit die weitere Handlung ins Rollen bringt.
Zitat
"What
we see and what we seem are but a dream, a dream within a dream."
Die
ca. 18-minütige Sequenz am Hanging Rock ist dann auch die wohl beeindruckendste
Sequenz des ganzen Films, wenn die Mädchen den Felsen erkunden und sich
immer weiter hochtrauen. Es beginnt mit der Ankunft, Miranda öffnet für
die Pferdekutsche ein Gatter, als plötzlich Vögel aufgescheucht und
die Pferde nervös werden. Wenn sie den Felsen erkunden, wird durch den
Soundtrack eine gewisse Schwermut, ja gar Düsternis erzeugt, obwohl die
Mädchen selber schon fast traumwandlerisch weiterwandern. Nur eines der
vier Mädchen fühlt sich nicht wohl, möchte auch gar nicht weiter
hoch klettern, wird aber von den anderen drei ignoriert. In diesem Abschnitt
wirkt Peter Weirs Film auf den Zuschauer mehr durch seine Stimmung und seine
Atmosphäre und weniger durch eine rational erzählte Handlung. Eine
Technik, die in den letzten Jahren nur von wenigen Regisseuren wie z.B. David
Lynch wirkungsvoll umgesetzt werden konnte.
Aber
nicht nur das Verschwinden der Mädchen steht im Mittelpunkt des Filmes.
Dies Ereignis ist vielmehr der Auslöser einer Vielzahl von weiteren Geschehnissen
in dem Internat. Die Schulleiterin Mrs. Appleyard (Rachel Roberts) sieht sich
massiven finanziellen Problemen gegenüber, weil die Eltern ihre Kinder
von der Schule nehmen wollen. Die schüchterne Schülerin Sara (Margaret
Nelson), die als einzige nicht am Picknick teilnahm, hat besonders unter dem
Verschwinden von Miranda zu leiden, für die sie eine Art Liebe empfunden
hat. Der Film deutet unterschwellig auf zwischenmenschliche Gefühle unter
den Mädchen und die Entdeckung der eigenen Sexualität an, ohne es
in expliziten Szenen darzustellen. Als Zuschauer ahnt man mehr als man wirklich
sieht. Dann offenbart ihr die Schulleiterin auch noch, dass sie nicht mehr weiter
auf dem Internat bleiben darf, was für das Mädchen eine doppelte persönliche
Tragödie darstellt, da sie befürchtet in das verhasste Waisenhaus
zurückkehren zu müssen.
In
der Art wie die Mädchen dargestellt werden, entdeckt man nach einiger Zeit
einen gewissen roten Faden. Denn wenn hier etwas deutlich sugggeriert wird,
dann ist es eine Form von unterdrückter Persönlichkeit, die das gesellschaftliche
Korsett der viktorianischen Zeit mit sich brachte. Zu Beginn sieht man, wie
die Mädchen sich standesgemäß anziehen, inklusive der unbequemen
Korsetts. Auf dem Felsen beginnt dann eine Wandlung, Miranda und ihre beiden
Freundinnen ziehen zum Entsetzen des vierten Mädchens ihre Strümpfe
aus und wandern barfuß weiter. Später ist eine der Hauptsorge der
Lehrerinnen, ob die Mädchen evtl. sexuell missbraucht wurden. Der Verdacht
einer Sexualtat schwingt sofort mit, vor allem weil die beiden Jungs Michael
und Albert die Mädchen kurze Zeit vor ihrem Verschwinden noch gesehen haben.
Aber auch von Seiten der französischen Lehrerin Mlle. de Poitiers scheint
eine Zuneigung zu den Mädchen auszugehen, die über das normale Schüler-Lehrer
Verhältnis hinausgeht.
Somit
sei dieser Film denjenigen empfohlen, die gerne mal nicht nur die Oberfläche
betrachten und keinen besonderen Wert auf eine von Anfang bis Ende klare Geschichte
legen. Picknick am Valentinstag profitiert sehr von seiner Atmosphäre und
seiner subtilen, vielleicht nicht immer auf den ersten Blick klar erkennenbaren
Art die Dinge darzustellen. Symbolische Metaphern werden häufig benutzt.
Die Kamera bietet des öfteren ungewöhnliche Perspektiven oder Blickwinkel.
So spricht zu Beginn Miranda zu Sara, man sieht ihr Gesicht aber nur als Reflektion
in einem Spiegel, ganz so als ob es sich um ein Portät handelt. Später
sieht man dann Sara an der gleichen Stelle sitzen, mit einem Foto von Miranda
vor sich. Die schauspielerischen Leistungen tun ihr übriges dazu bei, den
Film zu einem rundum gelungenen Werk werden zu lassen, dass den Zuschauer, wenn
es ihn dann einmal gepackt hat, am Ende schweigend zurücklässt. Dieser
Film lädt zum eigenen Nachdenken, zum Puzzeln und zum Interpretieren ein
und ist auf seine Art ein kleines Meisterwerk.
Der
Film basiert auf einem Roman von Joan Leslie, der 1967 veröffentlicht wurde
und angeblich auf wahren Fakten beruht. Allerdings ist dies nicht unbedingt
glaubwürdig, da bei Recherchen, die nach Veröffentlichung des Buches
durchgeführt wurden, keine Zeitungsmeldung oder ähnliches auf solch
ein Ereignis hingedeutet hat. Außerdem fiel der Valentinstag des Jahres
1900 auch nicht auf einen Samstag, so wie es der Film zu Beginn durch eine Texttafel
behauptet. Peter Weir versagt dem Zuschauer in seinem Film auch jegliche Erklärung
am Schluß, was auch gut so ist, denn das würde die komplette Atmosphäre,
die zuvor aufgebaut wurde, komplett zerstören. Der Hanging Rock wurde von
Kameramann Russell Boyd aus vielen Winkeln aufgenommen und des öfteren
meint man Fratzen in dem zerklüfteten Steinfirmament zu entdecken. Es handelt
sich nur um ein Felsmassiv, das aber wie eine unheimliche Bedrohung auf den
Zuschauer wirken kann. Es ist ein Symbol des australischen Kontinentes, in dem
die Engländer trotz ihrer Kolonialisierung immer noch ein Fremdkörper
sind und sich der Umgebung, dem Land, noch anpassen müssen.
Der
in Australien geborene Peter Weir dreht seine ersten Filme in seiner Heimat,
dazu zählen der obskure Horrorstreifen The
Cars that ate Paris
(Die
Autos, die Paris auffraßen)
und The
Last Wave
(Die
letzte Flut).
Mitte der Achtziger ging er dann in die USA, wo er 1989 mit Dead
Poets Society
(Der
Club der toten Dichter)
einen international ausgezeichneten Film drehte, der ihn auf der ganzen Welt
bekannt machte. Danach folgten weitere angesehene Werke wie
The
Truman Show
mit Jim Carrey und zuletzt sah man von ihm das Hochseeabenteuer Master
& Commander.
DVD
Die
DVD von Kinowelt zeigt den Director's Cut des Filmes. Dieser ist aber erstaunlicherweise
kürzer als die Kinofassung und befreit den Film von einem Nebenplot, in
dem sich Michael und Irma näherkommen, sowie von 4 weiteren Szenen, die
wohl aus Laufzeitgründen entfernt wurden.
Zu
Anfang kann eine starke Körnigkeit beobachtet werden, die zum Glück
nur kurz anhält. Danach präsentiert sich das anamorphe Bild deutlich
ruhiger, auch wenn ein leichtes Grundrauschen stets vorhanden ist. Es lassen
sich aber über die ganze Laufzeit hinweg immer wieder kleinere analoge
Defekte in Form von weißen Punkten erkennen. Sofern es durch filmische
Stilmittel nicht anders gewollt ist, kann die Schärfe dieses Transfers
wohl überzeugen, auch wenn es im Detail nicht mehr ganz ausreicht. Über
Kontrast und Farben kann man sich ebenfalls nicht beklagen, allerdings lassen
sich vereinzelt kleiner analoge Defekte beobachten, die sich aber nicht störend
auswirken. Durch die Kompression lassen sich in einigen wenigen Szenen Doppelkonturen
ausmachen, ansonsten arbeitet sie unauffällig im Hintergrund.
Im
Vergleich zur schon länger erhältlichen Criterion DVD ist das Bild
der Kinowelt DVD oben und unten ganz leicht beschnitten. Da aber die DVD von
Kinowelt im Gegensatz zur Criterion anamorph ist und außerdem über
eine deutlich bessere Schärfe verfügt, fällt hier die Entscheidung
nicht schwer zur deutschen DVD zu greifen.
Der
deutsche Ton liegt hier nur in seiner original Monoform vor, allerdings wurde
er auf beide Stereokanäle verteilt. Die Dialoge sind allerdings gut verständlich
und die Musik klingt auch ohne weitere Makel aus den Boxen. Manchmal beschleicht
einem das Gefühl, dass die deutsche Tonspur ein paar Millisekunden dem
Bild hinterher hinkt, wahrscheinlich ist aber nur die Synchronisation an sich
nicht ganz punktgenau gelungen. Bei ein paar ganz wenigen Szenen fehlt eine
deutsche Synchronisation, diese Szenen werden dann im englischen Original mit
deutschen Untertiteln angezeigt. Der englische Ton in Dolby Digital 5.1 ist
auffällig leiser und dumpfer als der deutsche Ton. Dies erschwert natürlich
das Verständnis der Dialoge, vor allem wenn sich bei manchen Schauspielern
ein leichter australischer Slang einschleicht. Die Surroundabmischung enttäuscht
doch sehr, denn die Räumlichkeit hält sich stark in Grenzen. Nur selten
werden mal Umgebungsgeräusche auf die hinteren Boxen gemischt, der Ton
ist also insgesamt stark Front-lastig. Die Unterschiede zwischen der deutschen
Monospur und dem englischen DD-Ton sind also nicht sehr gravierend.
Bei
den Extras gibt es leider nicht viel. Lediglich den Kinotrailer und die 7 Deleted
Scenes, die für den Director's Cut aus der Kinofassung entfernt wurden.
Die Laufzeit der entfernten Szenen betragen zusammen ca. achteinhalb Minuten.
"Glückwünsche an Mlle. de Poitiers" (35 sek.) zeigt wie
einige Schülerinnen der französischen Lehrerin Mlle. de Poitiers (Helen
Morse) zum Valentinstag gratulieren und ihr Blumen und Karten schenken. Was
in "Michael verliert die Mädchen" (10 sek.) passiert, erfährt
man im Film im Dialog mit dem Polizisten. In "Irma trifft Michael"
(3:23 min.) treffen Irma und ihr Retter zum ersten Mal persönlich zusammen.
"Auf dem Dachboden" (63 sek.) zeigt einen Dialog zwischen Michael
und dem Arbeiter Albert. Hier wird sich auf die vorherige entfernte Szene bezogen,
wahrscheinlich der Grund dafür, dass diese auch nicht mehr im Film enthalten
ist. Das Zusammensein zwischen Michael und Irma wird noch einmal in "Alles
endet zur richtigen Zeit..." (90 sek.) fortgeführt. "Trauer beim
Gottesdienst" (54 sek.) ist lediglich eine Art Prolog zu einer Szene, die
noch im Film ist und "Mrs. Appleyard in Saras Zimmers" (42 sek.) ist
durch den Titel wohl selbsterklärend. Hier kann man sehen, wie die Schulleiterin
das Zimmer von Sara durchsucht.
Carsten
Henkelmann
Dieser Text ist zuerst erschienen in: sense of view
Picknick
am Valentinstag
Originaltitel:
Picnic at Hanging Rock
Land
& Jahr: Australien 1975
Laufzeit
ca.: 103 Min.
Regie:
Peter Weir
Darsteller:
Rachel
Roberts
Vivean
Gray
Helen
Morse
Kirsty
Child
Tony
Llewellyn-Jones
Jacki
Weaver
Frank
Gunnell
Anne-Louise
Lambert
Karen
Robson
Jane
Vallis
Christine
Schuler
Margaret
Nelson
Ingrid
Mason
Jenny
Lovell
Janet
Murray
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