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Planet
der Affen(2001)
Um
den Verstand gebombt
Tim
Burton wütet auf dem "Planet der Affen" - gegen den Geist der
Vorlage
Am
Ende steht der Astronaut Taylor, letzter Vertreter einer uns ähnlichen
Menschheit, vor den Trümmern seiner Vergangenheit. Bewaffnete Affen sind
ihm auf den Fersen, als er das Geheimnis des Planeten entdeckt, auf dem er vor
einiger Zeit notlanden musste. Die verwitterte Spitze der New Yorker Freiheitsstatue
ragt aus der Wüste dieser Welt, die von hoch entwickelten Affen beherrscht
wird und die für den Erdling "das Fremde" an sich bedeutet. In
diesem Augenblick weiß er, dass er eine Zeitreise hinter sich hat und
der bedrohliche Planet nichts anderes ist als seine Heimat nach der atomaren
Katastrophe. "Ihr Wahnsinnigen!", schreit er, "ihr habt die Erde
in die Luft gesprengt. Ich verfluche euch alle!" Damit ist die Menschheit
vor der Katastrophe gemeint, der Fluch gilt uns.
Das
wird nicht wieder vorkommen. Keine Angst, der neue Planet
der Affen
ist kein reines Remake des berühmten gleichnamigen Films von 1968 - schon
aus dramaturgischen Gründen. Der Clou des Originals hatte gerade darin
bestanden, zum Schluss die wahre Identität des Affenplaneten zu enthüllen.
Die ist nun zu bekannt, um daraus noch einmal Spannungskapital zu schlagen.
Dafür hat eine Saga gesorgt, zu der neben Franklin J. Schaffners Planet
der Affen
(1968) noch vier Kinofortsetzungen (1970-1973), zwei Fernsehserien (1974 &
1975), zwei Fernsehfilme (1981 & 1998) und jede Menge Comics gehören.
Anders gesagt: Wenn sich mittlerweile selbst Die
Simpsons
in mehreren Folgen über das ehemals beängstigende Ende des Planeten
der Affen
lustig machen, dann muss für die Kinowiedergeburt ein neuer Schluss her.
Also
hatten die Verantwortlichen um Regisseur Tim Burton bereits vor Monaten verkündet,
der neue Film biete eine andere Auflösung. Mark Wahlberg wird als Astronaut
Davidson nicht das gleiche Schicksal erleiden wie einst Charlton Heston als
Taylor, womit sich Burtons Film in ein interessantes Spannungsverhältnis
zu dem von Schaffner begibt: Ich bin anders, sagt das Remake. Ganz wie Taylor
und Davidson können wir uns also auf die Inspektion dieses Planeten
der Affen machen,
um herauszufinden, was an ihm so anders ist. Zur Orientierung dienen die Wiedererkennungswerte:
Auch diesmal findet sich ein notgelandeter, weißer Raumfahrer (Mark Wahlberg)
auf einem Planeten wieder, der von sprechenden Affen beherrscht wird. Die hegemonialen
Verhältnisse haben sich umgekehrt: Menschen werden hier wie Tiere gefangen,
unterjocht und wahlweise als Haustiere, Spielzeug oder Sklaven gehalten. Der
gestrandete Astronaut findet für seinen Widerstand gegen die animalische
Despotie und seine Flucht schließlich Verbündete unter den Affen.
Dabei setzt sich vor allem eine Affenfrau für die Rechte des Menschenmannes
ein.
Schaffners
Film hatte aus diesem Grundgerüst eine reichlich düstere, zivilisationskritische
Parabel gemacht, verflochten mit vielfältigen politischen Diskursen der
späten Sechziger. Fragen nach dem zeitgenössischen Rassismus, die
Präsenz der Civil Rights Movement, die Angst vor dem nuklearen Doomsday
sowie die Fragwürdigkeit des Krieges in Vietnam wurden anhand des Planeten
der Affen
und der Nachfolgefilme fühl- und diskutierbar. Ethische Fragestellungen
nach dem Umgang mit allem, was als "das Andere" stigmatisiert wird,
drängten sich anhand der Menschenversuche auf, die Schaffners Affen zu
Forschungszwecken und Machterhalt durchführen. Auch das Verhältnis
von Aufklärung, Darwins Evolutionstheorie und christlichen Fundamentalisten
in der US-Gesellschaft schimmerte als Thema durch: Die menschenfreundlichen
Affenwissenschaftler Dr. Zira und Dr. Cornelius untersuchten die vom herrschenden
Ältesten Rat verbotene These, der Affe stamme vom Menschen ab.
Die
Attraktion vor allem der ersten drei Filme um den Planeten der Affen lag daher
nur zum Teil in der Faszination des Monströsen, im Schauwert der aufwendigen
Affenkostüme. Ebenso wichtig war offenbar die umfassende, wenn auch bisweilen
aufdringliche Verzahnung mit politischen Phänomenen, die grundlegend mit
der Frage nach der Definition des Monströsen verbunden war. Das Publikum
konnte sich sowohl mit Taylor als auch mit den Aufklärer-Affen Zira und
Cornelius identifizieren - das Grauen lag in den Herrschaftsverhältnissen.
"Das Problem für uns Intellektuelle ist", sagte Cornelius einmal,
"wir haben zwar Verantwortung, aber keine Macht!"
Dass
und wie ein solcher Satz in Tim Burtons Planet
der Affen
unmöglich wird, ist wichtig für das Verhältnis zu seinem entfernten
Vorbild. Die Konzentration auf die Affenwelt ist nun in erster Linie eine äußerliche.
Mit viel Aufwand wurden die Masken perfektioniert (sodass Tim Roth als herrschsüchtiger
General Thade prompt nicht zu erkennen ist). Die Affen springen weit, verfallen
leicht in Grunzen und Getrommel, besitzen abnorme Körperkraft, und ihre
Uniformen erinnern hübsch an eine Mischung aus japanischen Soldaten des
16. Jahrhunderts und Gary Oldmans Rüstung aus Bram Stoker's Dracula. Die
Konflikte innerhalb der Affengesellschaft - bei Schaffner noch ein Dreiklassensystem
aus Orang-Utans, Schimpansen und Gorillas - sind auf ein Minimum reduziert.
Wissenschaft und höhere Technologie gibt es diesmal nicht. Stattdessen
bilden "die Affen" eine zutiefst archaische und tendenziell homogene
Einheit, aus der nur die Schimpansin Ari (Helena Bonham Carter) als Rebellin
heraussticht.
Die
kulturellen Differenzen aus Schaffners Film werden auf die Ausnahmefigur der
mitfühlenden Frau reduziert. Und genau diese Verlagerung von Gesellschaft
auf Individualität, von Komplexität auf Einfachheit, dominiert Burtons
Planet
der Affen.
Selbst das Geheimnis um die Existenz des mysteriösen Planeten führt
diesmal nicht zu einer Verfehlung der Menschheit oder der Mächtigen zurück,
sondern zum Fehler eines Einzelnen. Mark Wahlberg geht entsprechend unberührt
durch sein Abenteuer, der Zweifel ist seine Sache nicht, weil die Spiegelfunktion
der Affenkultur fehlt. Der Affe bleibt "das Andere", dem der zivilisierte
und bewaffnete Mensch - das ist der Höhepunkt der Rückstufung durch
Differenz - allemal überlegen ist.
In
diesem Sinne verdreht Tim Burtons Planet
der Affen
fast alle selbst- und kulturkritischen Momente der alten Filme in ihr Gegenteil:
Vorgegebene Gegensätze werden weniger erschüttert als bestätigt,
Technologie ist ein Segen und die Bombe keine Bedrohung mehr. Im Gegenteil ist
es hier die Schusswaffe, die den Menschen über den Affen erhebt, und eine
Bombe hilft den finalen Kampf Mensch gegen Affe zu entscheiden, damit am Ende
Frieden kommt. So wirkt selbst das verstörende Schlussbild des Films, das
im direkten Rückgriff auf die Romanvorlage von Pierre Boulle die Heimkehr
des erfolgreich geflohenen Mark Wahlberg zeigt, eher wie ein Zitat von Verstörung
- oder wie ein Versprechen auf einen zweiten Teil.
Der
Verlust des verunsichernden, kulturkritischen Potenzials, oder besser: die Umkehrung
der früheren Fragen in affirmativen Schauwert, stereotype Antworten und
das restaurative Vertrauen auf Fortschritt-durch-Technologie tragen darum viel
zur Verödung des Burton-Films bei. Anders ist dieser Planet
der Affen
also, weil er reaktionär ist - jedenfalls im Verhältnis zum Original.
Insofern passt er ebenso gut in das aktuelle Hollywood, wie Schaffners Film
ein Ausdruck seiner Zeit gewesen ist.
Jan Distelmeyer
Dieser Text ist zuerst erschienen in: Die Zeit 36/2001
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Planet
der Affen
USA
2001 - Originaltitel: Planet of the Apes - Regie: Tim Burton - Darsteller: Mark
Wahlberg, Tim Roth, Helena Bonham Carter, Michael Clarke Duncan, Paul Giamatti,
Estella Warren, Cary-Hiroyuki Tagawa, Kris Kristofferson - Länge: 120 min.
- Start: 30.8.2001
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