Die Umkehrung der Evolution
Planet der Affen
Keine zwei Jahre vor der Mondlandung, in einer Zeit, in der
der Wettlauf um die Herrschaft im All auf Hochtouren lief und
die Menschheit von einer Besiedelung der Planeten träumte,
entwirft Schaffner mit "Planet der Affen" eine
wissenschaftskritische Warnung, deren Aktualität nahezu
ungebrochen scheint.
"Nimm dich in Acht vor dem Menschen, denn er ist des Teufels
Verbündeter. Er allein unter Gottes Primaten tötet aus Sport,
aus Lust oder Gier. Ja, er wird seinen Bruder morden, um
seines Bruders Land zu besitzen" (Glaubenslehre der Affen, 29.
Rolle, 6. Vers).
Was treibt einen Menschen dazu, seine Heimat, seine Freunde,
seine Familie zu verlassen, wohl wissend, dass er niemals
zurückkehren, keinen, den er gekannt hat, je wieder sehen
wird? George Taylor (Charlton Heston) - Wissenschaftler,
Astronaut, Abenteurer - ist beseelt von dem brennenden Wunsch,
in den Weiten des Weltalls eine bessere, friedvollere Spezies
als die Menschheit zu finden. Daher meldet er sich zu einer
riskanten Mission, die ihn und seine dreiköpfige Crew im
Tiefschlaf zu einem Lichtjahre entfernten Planeten führt.
Das Jahr 3978. Mit dem bei der Wasserlandung versinkendem
Schiff endet der letztmögliche Kontakt zur Erde, die Forscher,
denen sich ein ungastlicher, öder Planet zeigt, sind zunächst
auf sich gestellt, doch schon bald begegnet man
menschenähnlichen Wesen, die zwar keiner Sprache mächtig sind
und auf einer niedrigen Entwicklungsstufe stehen, den
Eindringlingen aber keinerlei Feindseligkeit entgegenbringen.
"Wenn das die Besten von ihnen sind, beherrschen wir in sechs
Monaten den Planeten", kann Taylor noch anbringen, doch dann
zeigen sich die wahren Herrscher: Affen. Von den anderen
getrennt und gefangen genommen, bringt man ihn zur Affenstadt,
in der er durch sein ungewöhnliches Äußeres Aufmerksamkeit
erregt. Als dann noch deutlich wird, dass sein Intellekt weit
über das "menschliche" Maß hinaus ausgeprägt ist, er sogar sprechen kann, nimmt sich ein
Wissenschaftler-Paar seiner an, das mit seiner Hilfe die
Verwandtschaft zwischen Affe und Mensch beweisen will. Vom
Obersten Rat der Ketzerei und Häresie angeklagt, brechen sie
zur "Verbotenen Zone" auf, um endgültige Beweise für ihre
Theorie zu finden.
Schaffners Fabel beweist eindrucksvoll die Möglichkeit
intelligenter, spannender und - trotz aller Phantastik -
realistischer Science-Fiction. Dies wird vor allem dadurch
erreicht, dass sich das Geschehen jederzeit im Rahmen des
Möglichen abspielt, die naturwissenschaftlichen Begründungen
den - damaligen - Stand der Forschung widerspiegeln. In
Hassleins These etwa (der Name erinnert nicht von ungefähr an
Einstein), nach der ein sich mit Lichtgeschwindigkeit
bewegendes Objekt außerhalb der vierten Dimension, der Zeit,
bewegt, was ja erst die Tiefschlafreise ermöglichte, klingt
die Relativitätstheorie an, und auch die Suche nach dem
"Missing Link" ist der Abstammungslehre nachempfunden. Doch
ist dies alles lediglich Ornament, Beiwerk, um vor einer
exakten Kulisse die Frage zu diskutieren, ob und wieweit
Wissenschaft und Ethik einander beeinflussen dürfen. Die
beiden großen Gegenpole, die Forscher Cornelius und Zira, die
bedingungslose Aufklärung aller Fragen fordern, und Zaius,
Wissenschaftsminister und Verteidiger des Glaubens in
Personalunion, der im augustinischen Sinne vor der "sacrilega
curiositate", der gottlosen Neugier, warnt und die Grenze des
Wissbaren klar umreißt, repräsentieren zwei grundverschiedene
Auffassungen. Zaius soll recht behalten, so das
zerschmetternde Fazit, doch verkennt er dabei einen Grundzug
der menschlichen Natur: Denkmögliches wird gedacht, entgegen
Verboten und Repressionen, auch wider besseres Wissen. Taylor,
der Mensch, wird zur Randfigur degradiert, bestätigt aber alle
Vorbehalte, die Zaius seiner Gattung entgegenbringt - und
handelt dabei genau so, wie die Menschen, vor denen er einst
floh: Er spricht mit der Waffe in der Hand, die Macht, die
Gewalt, die von ihr ausgeht, missbrauchend (eine Geste, die
Heston bis ins hohe Alter, als Vorsitzender der
Waffen-Lobbyisten, glänzend beherrscht!).
Perfektion ist das Wort, mit dem die Inszenierung treffend
bezeichnet wird: Die Gestaltung der Affen, bis hin zu
Bewegungen und mimischen Details, die Kamera, mit
faszinierenden Aufnahmen der "Verbotenen Zone", und
schließlich Goldsmiths verblüffend wirkungsvolle Musik
unterstreichen den stimmigen und zugleich dramatischen Tenor.
Vor dem grandiosen, kaum zu überbietenden Finale, kongenial
parodiert in Mel Brooks' "Spaceballs" (1987), finden sich drei
theatralische Höhepunkte, die Momente, in denen das jeweils
erste, überraschende und unerwartete Wort gesprochen wird. Das
erste Wort eines Affen, das "Smile" eines Photographen (leider
in der deutschen Fassung: "So ist recht"), verdeutlicht dann
auch gleich auf Anhieb das menschliche Naturell, da Lachen
eine typische und einzigartige Fähigkeit des Menschen
darstellt und - wie im vorliegenden Fall - eine oftmals
unangebrachte, das bedrohliche, bösartige einer Szenerie
steigernde Handlung zu sein scheint. Der witzige Seitenhieb
auf den Generationskonflikt der 60er ("Trau' keinem über
dreißig") und, als Bonbon, die "Drei Affen" (Nichts sehen,
nichts hören, nichts sprechen) runden diesen meisterhaften
Film ab.
Der Erfolg von "Planet der Affen" zog vier überflüssige,
schlechter und schlechter werdende Fortsetzungen nach sich,
die sich allesamt in keiner Weise mit dem Charme, dem Esprit
des Urfilms messen können und wenig Innovationen bieten.
Gespannt hingegen wird das Remake von Tim Burton erwartet, das
Ende August in die deutschen Kinos kommen soll.
Stefan Strucken
Diese Kritik ist zuerst erschienen bei:
Planet der Affen (Planet of the Apes)
Produzent: Arthur P. Jacobs, Regie: Franklin J. Schaffner, Drehbuch: Michael Wilson und Rod
Serling (nach dem Roman von Pierre Boullé), Kamera: Leon Shamray, Maske: John Chambers,
Schnitt: Hugh S. Fowler, Darsteller: Charlton Heston (George Taylor), Roddy McDowall
(Cornelius), Kim Hunter (Zira), Maurice Evans (Dr. Zaius), James Withmore (Vorsitzender),
James Daly (Honorious), Linda Harrison (Nova), Robert Gunner (Landon), Woodrow Parfrey
(Maximus), Lou Wagner (Lucius) u.a.
USA 1967, Länge: 112 Min., FSK: ab 12 Jahren.