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The
Player
„They
never come back“ sagt man gerne über Künstler (seien es nun Schauspieler,
Musiker oder was auch immer), die, bei Kritik und Publikum in Ungnade gefallen,
zurücktreten mußten aus dem gigantischen Spotlight, das die Schönen,
Erfolgreichen und Wohlhabenden über den einfachen Pöbel erhebt. Diese
Showbiz-Weisheit wird hin und wieder ad absurdum geführt, wenn eine vermeintlich
in der Versenkung verschwundene Person die Rückkehr ins Rampenlicht schafft.
Was die Filmwelt betrifft, so gelang das wohl außergewöhnlichste
Comeback dieses Jahrzehnts dem Regisseur Robert Altman.
In
den Siebzigern war Altman einer der ganz großen Namen Hollywoods. Seine
Filme „M.A.S.H.“
und „Nashville“
gelten als zwei der besten des ganzen Jahrzehnts und machten ihn zu einer Galionsfigur
des seriösen Films. Doch mit dem Übergang in die Achtziger waren Altman’s
satirische Blicke in die Innereien Amerikas nicht mehr gern gesehen, denn die
Studios orientierten sich zusehends an gewinn- denn prestigeträchtigen
Projekten. Frustriert und allein gelassen kehrte Altman Hollywood den Rücken
und wart fortan nicht mehr gesehen.
So
dachte man zumindest, bis 1992 „The Player“ in die Kinos kam, die furioseste
und fieseste Rückkehr, die ein Regisseur wohl je hingelegt hat. Bitterböse
und ohne einen Funken Respekt entlarvte Altman die Oberflächlichkeit und
Arroganz der „Wichtigen“ in Hollywood. Dabei konnte er sich der tatkräftigen
Unterstützung von so ziemlich jedem sicher sein, der zu dieser Zeit Rang
und Namen hatte. Die großen Schauspielstars schlugen sich fast die Köpfe
ein, um in Altman’s neuem Film nur einmal kurz durchs Bild laufen zu dürfen,
und so vereingt „The Player“ eine in der Geschichte Hollywoods einmalige Ansammlung
an Cameos. Die Aufmerksamkeit des ganzen Landes war ihm sicher, und mit der
Oscar-Nominierung als bester Regisseur konnte Altman dann endgültig seine
Rückkehr in die Riege der großen Namen als vollendet bezeichnen.
Im
Zentrum von „The Player“ steht Griffin Mill, seines Zeichens Studio-Vizepräsident.
Nicht, daß das irgendwas bedeuten würde. Es wimmelt nur so von Vizepräsidenten
und Leuten, die eigentlich das selbe sind. Griffin Mill gehört zu denjenigen,
deren Namen später nicht an prominenter Stelle auf dem Filmposter stehen,
er hat noch nicht einmal die Befugnis, einem Projekt eigenverantwortlich grünes
Licht zu geben. Er ist lediglich eine Zwischenstation, erste Anlaufstelle für
Drehbuchautoren und solche, die es werden wollen. In einer kongenialen, achtminütigen
Kamerafahrt zu Beginn des Films veranschaulicht Altman im Eiltempo nicht nur
die Gesinnung der heutigen Studiobosse (klar waren die Filme früher besser,
aber wenn wir solche Filme heute machen würden, würden wir ja pleite
gehen), sondern zeigt auch die Funktionsweise von Griffin’s Job auf. Vor seiner
Tür stehen die Autoren Schlange, und wenn einer mal tatsächlich ins
Büro darf, hat er genau dreißig Sekunden, um seine Idee zu verkaufen.
Obwohl Griffin letztlich ein kleiner Fisch ist, für die Drehbuchautoren
ist er der Antichrist. Als er eines Tages anonyme Drohbriefe bekommt, stellt
sich daher auch kaum die Frage, woher diese kommen. Ein Autor fühlt sich
schlecht behandelt. Griffin hatte behauptet, er würde ihn zurückrufen,
und dies nicht getan. Jetzt trachtet man ihm nach dem Leben.
Als
ob der Arme gerade nicht genug Probleme hätte. Der Präsident hat soeben
einen jungen Hotshot von der Konkurrenz abgeworben, und der ist heiß auf
Griffin’s Posten. Der muß nun an zwei Fronten gleichzeitig arbeiten: Einerseits
muß er höllisch aufpassen, nicht entlassen zu werden, andererseits
sucht er den Autor der Drohbriefe. Den glaubt er bald ausgemacht zu haben, stellt
ihn nach einem Kinobesuch zur Rede, gerät in ein Handgemenge, und tötet
den vermeintlichen Täter. Mehr versehentlich als absichtlich. Aber das
macht jetzt auch keinen Unterschied mehr. Und schon hat Griffin ein weiteres
Problem: die Polizei. Gleichzeitig beginnt er sich für die Freundin des
Verstorbenen zu interessieren, die etwas extravagante Isländerin June Gudmundsdottir
(Greta Scacchi, damals ganz dick im Geschäft, inzwischen hat sie ein Comeback
mehr als nötig). Und nebenbei ist er noch dabei, ein Projekt zu pitchen,
das seine Position in der Studio-Hierarchie stark verbessern könnte.
Um
Griffin herum gruppiert sich eine gewaltige Masse an Nebencharakteren, wie sie
abwechslungsreicher und amüsanter kaum sein könnte. Da gibt es z.B.
Whoopi Goldberg als ermittelnde Polizistin, der es einen wahnsinnigen Spaß
zu bereiten scheint, Griffin so richtig ins Schwitzen zu bringen. Oder ein Autoren-Brüderpaar
(gespielt vom eigentlichen Autor Tolkin und seinem Bruder), das einen „wahren“
Film ohne große Namen machen will (es endet als eine blöde Schmonzette
mit Julia Roberts und Bruce Willis). Ein anderer Autor, der sein Buch so unbedingt
an den Mann bringen will, daß er kein kassenträchtiges Genre draußen
läßt („So it’s kind of a psychic-political-thriller-comedy, with
a heart“). Ein Sicherheitschef, der sich aufführt wie der Held einer Krimiserie
aus den Sechzigern. Und nicht zu vergessen Griffin’s neuer Studiokonkurrent,
der den famosen Vorschlag macht, die Autoren zukünftig aus dem kreativen
Prozeß auszuschließen. Eine blöde Story kann man sich schließlich
anhand jeder Zeitungsmeldung zusammen basteln.
Alle
zusammen malen ein herrlich gemeines Bild der Szene in Hollywood, wo man alles
dafür tut, um nach oben zu kommen, und dann möglichst gar nichts mehr
tut, um nicht wieder runter zu müssen. Wo künstlerische Ansprüche
durch geschäftliche Denkweisen korrumpiert werden. Und wo die Top-Angestellten
in einem eigenen kleinen Kosmos leben, in dem es einzig darum geht, besser auszusehen
als die direkten Konkurrenten, und Filme nichts mehr sind als ein Mittel zum
Zweck.
Tim
Robbins und Robert Altman haben mit Griffin Mill einen der schillernsten Charaktere
in der Filmgeschichte der Neunziger geschaffen. Er ist ein fieses, hedonistisches
Arschloch, aber dennoch ist er weit mehr als eine bloße Haßfigur,
denn irgendwie versteht der Zuschauer, wie Griffin zu dem werden konnte, was
er ist. Griffin ist nicht mehr als das Ergebnis seiner kaputten Umgebung und
somit nur ein weiterer Aspekt dieser säuberlichen Demontage der vermeintlichen
Traumwelt Hollywood.
Es
ist schon erstaunlich, daß Altman ausgerechnet mit einer gnadenlosen Abrechnung
Hollywoods seine alte Stellung in der Filmmetropole wieder erlangte. Nichtsdestotrotz
war er nach „The Player“ wieder ebenso unantastbar, wie er es 1975 nach „Nashville“
war, nur um einige wichtige Erfahrungen reicher. Von nun an konnte der Altmeister
endlich wieder die Filme machen, die er machen wollte. Bis auf den direkten
Nachfolger „Short
Cuts“
blieb er aber hinter seinen Möglichkeiten zurück. Doch auch wenn Robert
Altman inzwischen ein etablierter Name ist, so kann er sich doch rühmen,
das aufsehenerregendste Comeback dieses Jahrzehnts hingelegt zu haben.
Frank-Michael Helmke
Dieser
Text ist zuerst erschienen in:
The Player
originaltitel: the player
usa 1992
regie:
robert altman
drehbuch: michael tolkin
cast: tim robbins,
greta scacchi,
whoopi goldberg,
fred ward,
peter gallagher,
vincent
d'onofrio, u.v.a.
spielzeit
124 min.
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