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Die
Polizistin
Großen Worten aus dem Off über die Liebe,
das Leben, Schicksale, die man sich zuzieht wie eine Beule am Auto, folgen die
unprätentiösen Bilder aus einem Polizistinnen-Alltag, die die Qualität
von Andreas Dresens Film ausmachen und sogar die großen Worte, die am
Schluss eine Fortsetzung finden, legitimieren (vermutlich sind sie dennoch überflüssig).
Stark ist der Film im Detail und es sind viele Details, deren Darstellung ihm
gelingt: den Geschichten, die er erzählt, ist durch den beiläufigen,
gelegentlich sehr komischen, nie jedoch auch nur ansatzweise zynischen Ton der
Erzählung alle Sentimentalität ausgetrieben, sie sind so traurig wie
alltäglich, im Zentrum das Drama um den 10jährigen Benny und die zerrütteten
Familienverhältnisse, in denen er aufwächst.
Diese Geschichte reimt sich freilich erst nach und
nach zusammen, aus der Perspektive der ehemaligen brandenburgischen Postbeamtin
und nunmehrigen Polizistin in Rostock-Lütten-Klein, die der Film bei der
Arbeit beobachtet, als wäre er eine Dokumentation. Sachte im Hintergrund
bleiben die narrativen Schließungen der Mini-Plots, erst im Nachhinein
erkennt man, wie kunstvoll die Drehbuchautorin Anspielungen und Details zu einem
zusammenhängenden Plot verwoben hat. Auf der Bildoberfläche dominieren
dagegen die Handkamera, die körnigen Bilder, die durch sprunghafte Schnitte
nachvollzogene Unruhe des Polizei- und Polizistinnen-Alltags.
Die Polizistin ist keine Heldin und sie wird auch
an keiner Stelle dazu stilisiert. Sehr bewusst zieht der Film nirgendwo eine
Trennlinie zwischen Privatleben und Beruf - die Unmöglichkeit der Trennung
von beidem ist gerade das Problem, mit dem die Protagonistin es zu tun bekommt.
Ihre Unfähigkeit, ihre Persona zu spalten, kühle Distanz zu den Objekten
ihrer Arbeit zu entwicklen, die sich ein ums andere Mal als, und wie kann es
anders sein, Mitmenschen erweisen. Die „dicke Haut", die die Kollegen einfordern,
wäre genau diese Fähigkeit zur Verrohung, die den männlichen
Kollegen, wie der Film mit - zum Glück - leisen genderspezifischen Konnotationen
zeigt, besser gelungen ist. Maik, Anness Partner, führt diese Virtuosität
im Errichten mentaler Schranken in der klaren Trennung von Ehe- und Liebesleben
gleich noch einmal vor. Dennoch: Andreas Dresens Film verurteilt keine einzige
der Figuren, mischt unters Schwarz und Weiß mit menschenfreundlicher Gründlichkeit
gezielte Grautöne und verzichtet auf Schuldzuweisungen. Sein Blick, das
wird daran ein weiteres Mal deutlich, ist der seiner Heldin. Die, das muss einfach
erwähnt werden, in Gabriela Maria Schmeide eine großartige Verkörperung
gefunden hat.
Ekkehard Knörer
Dieser Text ist zuerst erschienen
in:
Die
Polizistin
Deutschland
2000 - Regie: Andreas Dresen - Darsteller: Gabriela Maria Schmeide, Axel Prahl,
Jevgenij Sitochin, Paul Grubba, Katrin Saß, Martin Seifert, Horst Krause,
Christian Giese, Eberhard Kirchberg, Werner Buhr, Eberhard Bremer - Länge:
97 min. - Start: 10.5.2001
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