zur
startseite
zum
archiv
Poltergeist
Willkommen
in Spielbergs Geisterbahn
Die
Freelings sind eine ganz normale Familie: Familienoberhaupt Steven (Craig T.
Nelson) ist erfolgreicher Immobilienmakler, Ehefrau Diane (JoBeth Williams)
ist Hausfrau und Mutter von drei wohlgeratenen Kindern. Die halbwüchsige
Tochter Dana (Dominique Dunne) zieht die bewundernden Blicke der Bauarbeiter
auf sich, die im heimischen Garten eine Grube für den geplanten Swimmingpool
ausheben, der schulpflichtige Robbie (Oliver Robins) zankt sich mit der großen
Schwester, wie es zwischen kleinen Brüdern und großen Schwestern
Sitte ist, und auch Nesthäkchen Carol Anne (Heather O'Rourke) ist, so scheint
es, ein ganz normales Kleinkind. Der Kanarienvogel der Familie ist gelb und
heißt Tweety, der Familienhund ist ein Golden Retriever und hört,
zumindest manchmal, auf den Namen Räuber.
So
durchschnittlich wie die Freelings es sind, ist auch die Nachbarschaft, in der
sie wohnen. Die Neubausiedlung Cuesta Verde ist ein kalifornisches Schlafstadt-Idyll:
vielleicht etwas langweilig, dafür aber offensichtlich fernab vom Lärm
und Dreck der Großstadt - ein Platz, an dem man gern lebt und an der wie
geschaffen dafür ist, seine Kinder großzuziehen. Alles ist gut im
Leben der Freelings; und daran ändert auch der jähe Tod von Kanarienvogel
Tweety nichts. Jedoch scheint das Ableben des Tierchens nur ein Zeichen auf
Schlimmeres zu sein, denn mit einem Mal gehen bei den Freelings ziemlich seltsame
Dinge vor sich, und bald ist nichts, aber auch wirklich gar nichts mehr normal
im Leben der Freelings.
Töchterchen
Carol Anne schlafwandelt nächtens vors TV-Heimgerät und scheint aus
dem weißen Rauschen nach Sendeschluss Stimmen heraushören zu können.
Mehr noch: Irgendwie scheint die Idiotenlaterne plötzlich als eine Art
Portal zwischen dieser und einer anderen Welt zu fungieren, und irgendwer oder
irgendwas ist jetzt offenbar von drüben nach hüben gelangt. "Sie
sind hier", verkündet Carol Anne ganz selbstverständlich, zu
Einzelheiten schweigt sich der kleine blonde Wonneproppen aber leider aus. Am
darauffolgenden Morgen ist der nächtliche Spuk aber schon fast wieder vergessen,
und nächtliches Rumoren sowie einige heftige Stöße, die das
Freeling'sche Domizil erzittern ließen, werden zunächst noch als
Zeichen seismischer Aktivität gedeutet. Wenn aber die erschütternden
nächtlichen Erlebnisse wirklich einem Erdbeben geschuldet waren, stellt
sich gleich die nächste Frage: Warum hat offenbar nur bei den Freelings
das Geschirr in den Schränken geklappert?
Am
helllichten Tag mehren sich die Merkwürdigkeiten noch. Ein Unsichtbarer
spielt mit den Stühlen rund um den Küchentisch die Reise nach Jerusalem,
ein Stück des Küchenfußbodens wird gar zu einer Art von begehbarem
Ouija-Brett: einfach auf den Pöter setzen, einen Moment warten - und sich
dann daran freuen, dass man plötzlich von Geisterhand mehrere Meter weit
über die Fliesen gezogen wird.
Bis
hierhin scheint das alles zwar seltsam, aber durchaus harmlos zu sein. Das ändert
sich jedoch schon in der nächsten Nacht schlagartig, als das Anwesen der
Freelings von einem Tornado gestreift wird. Es ist, als hätten sich die
Elemente selbst gegen die Freelings verschworen. Und als ob das nicht genug
sei, scheint plötzlich der uralte abgestorbene Baum vor dem Fenster der
jüngsten Freeling-Sprösslinge lebendig zu werden: Äste werden
zu Armen, und Zweige werden zu Klauen, die die Fensterscheibe einschlagen, um
Sohn Robbie zu greifen und in den hohlen Stamm zu ziehen. Derweil die Eltern
und die große Schwester vors Haus eilen, um den Jungen zu befreien, gehen
auch im Inneren des Hauses wieder seltsame Dinge vor sich: Erst flammt im begehbaren
Wandschrank ein widernatürlich helles Licht auf, und dann verwandelt sich
das Möbel in eine Art Schwarzes Loch, das unerbittlich alles an sich saugt,
was nicht niet- und nagelfest ist - Spielzeug, Mobiliar und schließlich
auch die kleine Carol Anne selbst. Als deren Familie samt in letzter Sekunde
gerettetem Bruder ins Tohuwabohu des Kinderzimmers zurückkehrt, ist es
bereits zu spät: die Einrichtung des Zimmers ist noch da - seine Bewohnerin
jedoch nicht. Dafür klingt Carol Annes Stimme jetzt aus dem Fernseher -
und dort, wo sie jetzt ist, scheint sie nicht allein zu sein, sondern auch "sie"
scheinen da zu sein - wo immer "da" auch sein, und wer immer "sie"
sein mögen ...
"Poltergeist"
war einer der Kinomagneten des Jahres 1982, und auf der Erfolgswelle des Films
schwamm neben zwei Fortsetzungen für die große Leinwand auch eine
TV-Serie, die freilich außer dem Namen nicht viel mit dem von Steven Spielberg
produzierten Original gemeinsam hatte.
"Poltergeist"
hat mich über die Jahre hinweg begleitet. Obgleich ich kein ausgesprochener
Fan von Horrorfilmen bin, habe ich mir "Poltergeist" immer wieder
gern angesehen, und daran hat sich bis heute nichts geändert. Das liegt
nicht zuletzt am Gütesiegel "Spielberg": tatsächlich hat
Spielberg erheblichen Einfluss auf den Film genommen - zuweilen ist zu lesen,
Spielberg sei mit der Arbeit von Regisseur Tobe Hooper derart unzufrieden gewesen,
dass in Wirklichkeit er selbst, Spielberg, irgendwann kurzerhand die Regie übernommen
habe. Es spricht einiges dafür, denn der Film trägt sehr unverkennbar
Spielbergs Handschrift. "Poltergeist" lebt vom Wechsel von Schrecken
und befreiendem Gelächter, und Schrecksekunden und "comic relief"-Elemente
sind, Spielberg-typisch, ausgezeichnet getimt. "Poltergeist" ist eine
filmische Geisterbahnfahrt: schaurig-schön, gruselig, temporeich und streckenweise
auch durchaus Schrecken erregend, aber der Schrecken wird eben auch immer mit
einer gehörigen Portion Augenzwinkern serviert - ein Rezept, das auch Spielbergs
"Der
weiße Hai"
und die Filme der "Indiana
Jones"-Trilogie
zu Erfolgen gemacht hat.
Trotzdem
hat die FSK-Altersfreigabe "ab 16 Jahren" durchaus ihre Berechtigung.
Einige Szenen in "Poltergeist" dürften nach wie vor nichts für
allzu Zartbesaitete sein - eine Szene, in der eine der Figuren Opfer einer ziemlich
unappetitlichen Halluzination wird, ist bei TV-Ausstrahlungen des Films in den
letzten Jahren mit schöner Regelmäßigkeit der Schere zum Opfer
gefallen (auf der DVD ist die Sequenz, in der einem unglücklichen Geisterjäger
gewissermaßen Stück für Stück das Gesicht ins Waschbecken
fällt, aber enthalten).
Die
DVD selbst ist leider weit weniger Aufsehen erregend und bietet lediglich den
Film, den man sich wahlweise im englischsprachigen Original, in der deutschen
oder spanischen Synchronfassung ansehen kann (jeweils im Tonformat Dolby Surround).
Untertitel gibt's in 19 verschiedenen Sprachen, zusätzlich gibt's noch
deutsche und englische Untertitel für Hörgeschädigte. Die Bildqualität
ist anständig, zur Bestwertung fehlt's dann aber doch am letzten bisschen
Schärfe; hie und da taucht auch ein Blitzer im Bild auf.
R
e s ü m e e
"Aus
anfangs harmlosen Streichen wird tödlicher Ernst", heißt es
im Klappentext der DVD. Von einem "alptraumhaften Horror-Thriller"
ist da die Rede. Das ist so reißerisch, wie es falsch ist, zumal es falsche
Erwartungen weckt. Der Clou an "Poltergeist" ist für mich nämlich
nicht zuletzt, dass der Film zwar über seine komplette Laufzeit von 110
Minuten ordentlich Spannung aufbaut, dabei aber auf Grausamkeiten weitgehend
verzichtet. Selbst wenn aus Spaß Ernst wird, wird's doch nur für
einen der Beteiligten tödlich - und dass es Kanarienvogel Tweety gleich
zu Beginn von der Stange haut, kann ja auch wirklich ein dummer Zufall gewesen
sein. Tatsächlich ist "Poltergeist" weniger ein "alptraumhafter
Horror-Thriller" als eine angenehm altmodische Spukhausgeschichte, die
einige sehr sehenswerte Effekte bietet (dafür, dass "Poltergeist"
aus einer Zeit stammt, in der Spezialeffekte noch nicht aus dem Rechner stammten,
sind die Effekte im Film wirklich überzeugend). Darüber hinaus punktet
Spielbergs filmische Geisterbahnfahrt mit einem ausgezeichneten Soundtrack von
Jerry Goldsmith; die DVD selbst bietet allerdings außer dem Film nichts,
was eine Kaufempfehlung wert wäre - unterm Strich gibt's deshalb von mir
auch in der Gesamtnote leider Abzüge für die entschieden lieblose
Präsentation eines spannenden Films auf einer höchst unspannenden
DVD.
Gemeinwesen
Diese
Kritik ist zuerst erschienen bei:
Poltergeist
POLTERGEIST
USA
- 1982 - 114 min. – Scope – Horrorfilm - FSK: ab 16; feiertagsfrei - Verleih:
UIP - Erstaufführung: 23.9.1982 - Fd-Nummer: 23664 Produktionsfirma: MGM
Produktion:
Steven Spielberg, Frank Marshall
Regie:
Tobe Hooper
Buch:
Steven Spielberg, Michael Grais, Mark Victor
Kamera:
Matthew F. Leonetti
Musik:
Jerry Goldsmith
Schnitt:
Michael Kahn
Darsteller:
Craig
T. Nelson (Steve)
JoBeth
Williams (Diane)
Beatrice
Straight (Dr. Lesh)
Dominique
Dunne (Dana)
Oliver
Robins (Robbie)
zur
startseite
zum
archiv