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Porträt
Marianne Rosenberg
Rosa von Praunheim wird von Albert
Krogmann interviewt. Das gibt ihm Gelegenheit, die hohe Stimme der Sängerin
zu rühmen; sie reiche an Qualitäten chinesischer Schlagersängerinnen
heran. Er lobt die amerikanische Kitschigkeit des Stars; sie erziele das durch
eine Übertreibung, die eventuell jedenfalls teilweise Parodie sei. Die
Tonspur bringt »Fremder Mann«. In der folgenden Sequenz ist wiederum
Rosa von Praunheim zu sehen. Er steht aufgeregt am Flughafen, eine rote Rose
in der Hand, und holt Marianne Rosenberg ab. Erste Frage: »Ich darf doch
du sagen? Bist du glücklich?« Antwort: »Man jagt dem Glück hinterher.«
Hinter einem durchsichtigen Vorhang läßt sie nunmehr die deutsche
Version des amerikanischen Schlagers erklingen: »Wenn es Nacht wird in
Harlem«. Das gibt Praunheim Anlaß zur Frage: »Wie stehst du
zur Homosexualität?« Antwort: »Es stört mich nicht.« Praunheim: »Erzähl
von den Tieren.« Sie tuts. Nunmehr ertönt »Liebe kann so weh tun«
(Joachim Heide). Dann tritt Marianne Rosenberg vor einen Rosenherz-Vorhang.
Praunheim: »Dein Name läßt darauf schließen, daß
du Jüdin bist. Wurdet ihr rassisch diskriminiert?« Antwort: »Nein.«
Die Ausstattung des 12-Minuten-Films,
der von einem Fernsehteam für die Reihe »Treffpunkte« gedreht
wurde, ist dreist ins Überkitschige gesteigert. Marianne Rosenberg fand
nichts dabei. Sagt Rosa von Praunheim. »Sie hat gestutzt.«
In den Draperien der Interview-Wohnung (es ist die von Ulrike Ottinger) und
in den Tanzbewegungen einer Dritten (Tabea Blumenschein) entwickelt sich eine
Sub-Bild-Ebene, die allerlei lesbische Signale enthält. Diese bieten sich
jedoch primär nicht zum Entschlüsseln an. Die Mutter der Marianne
Rosenberg, die während der Filmaufnahmen dabeisaß, griff nur bei
der Frage nach der rassischen Verfolgung ein. »Das geht ans Image.«
Unterbrechung der Aufnahme. Und dann kam das schlichte »Nein«.
Praunheim erzählt, daß
Marianne Rosenberg erkältet war und Fieber hatte. Das störte weder
sie noch ihn, da sie sich gegenseitig vom Fernsehinterview etwas versprachen,
und das sollte eh fiebrig sein. Wie anders als im Fieberwahn kann man die Interviewfragen
stellen, die Christoph Eichhorn für Praunheim zuvor eiskalt ersonnen hatte?
Der Kitsch der Regenbogenpresse wird verdoppelt und mit halbem Einverständnis
entlarvt. Praunheim steht auf Du und Du mit dem deutschen Popstar und berauscht
sich an der bezaubernden Kopfstimme. »Wenn sie ihr Lied >Wenn es Nacht
wird in Harlem< singt, zerspringen die Gläser.« Und gleichzeitig ironisiert
er sie, liebevoll. Das Klischee der Fernsehsendung und der Starpresse ist gleich
mitgemeint. Niemand kann Praunheim deshalb böse sein. Weil er die vielen
Klischees nicht attackiert, sondern benutzt, ja überhaupt erstmalig mit
Leben füllt. Drum ist das PORTRÄT ein genialer Film, zu dem alle,
gewiß widerstrebend, ja sagen können.
Dietrich Kuhlbrodt
Dieser Text ist zuerst erschienen in: Rosa von Praunheim; Band 30 der (leider eingestellten) Reihe Film, herausgegeben in Zusammenarbeit mit der Stiftung Deutsche Kinemathek von Peter W. Jansen und Wolfram Schütte im Carl Hanser Verlag, München/Wien 1984, Zweitveröffentlichung in der filmzentrale mit freundlicher Genehmigung des Carl Hanser Verlags
PORTRÄT
MARIANNE ROSENBERG
BRD
1976 - Regie: Rosa von Praunheim - Kamera, Ton: unbekannt. -Schnitt: Suzanne
Göbel. - Musik: »Fremder Mann«, »Wenn es Nacht wird in
Harlem«, »Liebe kann so weh tun«, »Ich bin wie Du«,
gesungen von Marianne Rosenberg; japanisches Lied. - Darsteller: Marianne Rosen
berg, Rosa von Praunheim, Albert Krogmann, Tabea Blumenschein (Tänzerin).
- Produktion: SWF. - Drehzeit: April 1976. - Drehort: Wohnung von Ulrike Ottinger,
Berlin. - Format: 16 mm, Farbe. – Origial-Länge: 12 min. - TV: 26.5. 1976
(ARD).
Beitrag
der TV-Serie »Treffpunkte«.
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