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Der
Pinz aus Zamunda
Großartiger Anfang: Ein Flug über den
Dschungel, dazu dröhnende, ostinate und etwas kriegerische Männergesänge
(Nile Rogers hat „Juluka" gehört!); wir nähern uns einem Märchenschloß.
Was folgt, ist die Parodie einer Ausstattungsorgie; Prinz Akeem, der am heutigen
Tag einundzwanzig Jahre alt wird, darf nur auf Rosen gehen, die Dienerinnen
vor ihm ausstreuen, er wird von einem erweiterten Kammerorchester geweckt, und
jeder Handgriff wird von ergebenen, neckisch (oder auch mal gar nicht) gekleideten
Frauen ausgeführt. Alle Gegenstände des täglichen Lebens nicht
nur grotesk vergrößert, sondern auch mit schauerlichem „Luxus"
überladen. An der Frühstückstafel, die so groß ist, daß
Akeem seine Eltern am anderen Ende gerade noch erkennen kann (nicht gerade der
neueste Gag der Filmgeschichte), beklagt sich der Prinz über dieses Leben
im goldenen Gefängnis. Aber nichts da. Der gutmütig-strenge Vater
hat ihm für heute eine Braut ausgesucht. Nach dem morgendlichen Training
mit seinem Vetter und persönlichen Adjutanten Semmi wird ihm diese Braut
in einem gewaltigen Spektakel präsentiert. Aber was ihr bei aller überinszenierten
Schönheit fehlt, ist ein bißchen Persönlichkeit. Und genau das
ist es, was Akeem so sehnsüchtig von seiner zukünftigen Braut erwartet.
Sein Vater sieht ein, daß er ihn noch nicht zur Hochzeit zwingen kann,
und gibt Akeem, unter Begleitung von Semmi, vierzig Tage Zeit, sich in der Welt
umzusehen. Akeem hat etwas anderes im Sinn, nämlich sich eine Braut nach
seinem Geschmack zu suchen, und zwar in Amerika. In New York gibt es einen Stadtteil
namens Queens, das scheint ihm genau der richtige Ort für seine Suche.
Sehr geschickt hat der Film bis dahin die Spannung
aufgebaut: All diese Märchenpracht, das ist dem Zuschauer durch Akeems
Verhalten klar, hat ihren Sinn darin, mit einer anderen, ganz und gar gegenteiligen
Welt kontrastiert zu werden (das haben Murphy und Landis ja in DIE GLÜCKSRITTER
schon einmal geprobt). Der erste Teil dieses Films dient der phantastischen
Konstruktion einer Fallhöhe, die ja selber schon ein Witz wäre, wenn,
ja wenn der Mut zur Übertreibung und zur Groteske durchgehalten wäre
im zweiten Teil des Films.
Akeem ist verliebt in die „Authentizität"
des Lebens in der amerikanischen Stadt; er verwechselt Elend, Gewalt und Dreck,
die er hier vorfindet, mit der Alternative zu den Entfremdungen daheim, mit
dem Leben. Die beiden mieten sich in einem heruntergekommenen Haus ein, geben
sich als arme afrikanische Studenten aus und gehen in den Discos auf Brautschau.
Was sich da an holder Weiblichkeit anbietet, wird schon ein wenig denunziatorisch
vorgeführt, und wirklich findet Akeem denn auch in einer so patenten, schwarzen
middle class-Frau
sein Ideal, so daß die radikale Verkleinbürgerlichung des letzten
Dschungelkönigreiches befürchtet werden muß, das auf den Schwingen
der Phantasie noch zu erreichen war. Die vorhersehbaren Verwirklichungen lassen
Raum für ein paar hübsche Erfindungen: Ein Trio alter schwarzer Friseure,
die sich dauernd in den Haaren liegen (hier kann Murphy im übrigen seine
Verwandlungskünste unter Beweis stellen) und in deren Laden ein irgendwie
übriggebliebener weißer Immigrant vor sich hin murmelt: Mir kam vor,
als sei dies die Keimzelle für einen eigenen Film, eine eigene Fernsehserie
meinethalben, deren Satire bissiger als die von COMING TO AMERICA wäre.
Der Witz, den dieser Alte nach dem Nachspann erzählt und den natürlich
wieder niemand versteht (so wenig wie die Tatsache, daß auch hier Murphy
selbst am Werke ist), ist der beste des ganzen Films.
Was ist geschehen? Landis und Murphy haben einen
Familienfilm gedreht, einen Film für das Sommergeschäft. Die Rechnung
ist aufgegangenen, was den kommerziellen Erfolg in den USA anbelangt. Es gibt
ja wirklich ein paar gute Szenen: Akeem hört bei seiner Ankunft in New
York die Menschen ständig „Fuck" sagen; er weiß nicht, was es
bedeuten soll, und hält es für einen besonders herzlichen Gruß.
So tritt er strahlend vor Begeisterung ob der kolossalen Echtheit von Amerika
auf den Balkon, schaut auf so ziemlich die häßlichste Gegend der
Welt mit den häßlichsten Menschen darin und begrüßt sie
mit dem freundlichsten Lächeln der Welt mit einem herzlichen: „Fuck You
All!", Eddie Murphy hat sich hier gewissermaßen in sein eigenes Gegenteil
(oder eben doch: die schon immer geahnte andere Seite) verwandelt; statt streetwise
und aggressiv ist er naiv und durch und durch unschuldig.
Noch etwas ist geschehen: Eddie Murphy gibt an seiner
Seite Arsenio ganz uneitel Raum. Auch Hall hat nicht nur ein paar starke Szenen,
sondern kann auch in Cameo-Auftritten glänzen; zwei Arten zu grinsen ergänzen
sich da aufs beste, vielleicht die Geburt eines Komiker-Duos. Und was noch für
COMING TO AMERICA einnimmt, ist ein wohltuender Verzicht auf wie auch immer
verpackten wohlfeilen Neopatriotismus. Daß es in Amerika schöner
sei als in Zamunda, versucht der Film erst gar nicht zu denken.
Was den Film letzten Endes aber doch ruiniert, ist
nicht allein die Zähmung, die Verlangsamung des Eddie Murphy - auch der
wird älter und kann nicht auf ewig die Rolle eines Obszönitäten
verschießenden menschlichen Maschinengewehrs spielen -, sondern diese
penetrante Nettigkeit, mit der man amerikanische Kultur, amerikanische Soziographie
ein bißchen grotesk finden darf. Das schmutzige Amerika ist selber schon
wieder ein Klischee der Unterhaltungsindustrie geworden, ungefähr so wahr
wie Disneyland. Die Armut ist pittoresk, und Fast-Food-Läden sind schon
etwas komisch, vor allem, wenn sie von aufstiegsgeilen Negern geführt werden;
Brillantine fürs Nigger-Haar ist auch irgendwie daneben: Der neue schwarze
Mittelstand kriegt in COMING TO AMERICA sein Fett weg und feiert gleichzeitig
seinen Triumph. Es wäre der Jesse-Jackson-Film, wenn er nur nicht dauernd den
Mut verlöre, um dorthin auszuweichen, was er vielleicht fälschlicherweise
für das Märchenhafte hält. Aber im Märchen werden, nur so
zum Beispiel, die Menschenfresser verbrannt, die Wölfe erschossen, die
Riesen zu Fall gebracht. Arm und reich - das Lieblingsthema von Landis und Murphy,
und neben Lieben und Krieg wahrscheinlich das interessanteste Thema überhaupt
- begegnen sich hier, ohne sich überhaupt zu erkennen. Ja, so hätten
sie's gern!
Georg Seeßlen
Dieser Text ist zuerst erschienen
in: epd Film 9/88
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