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Private
Parts
Was
soll bloß aus einem werden, der schon als kleiner Junge auf dem geschenkten
Puppentheater Pornografisches inszeniert? Was, weiter, wenn dieser Knabe, mittlerweile
ein recht verschüchterter junger Mann, der kaum den Mund aufkriegt, ausgerechnet
Radiomoderator werden will? Kühnheit oder Verzweiflung? Howard, so heißt
der junge Mann, macht seine Ambitionen wahr. Langsam, von Niederlage zu Niederlage,
klettert er die Erfolgsleiter nach oben. Irgendwann gelingt es ihm sogar, seine
privaten, größtenteils sexuellen Obsessionen, mit den exhibitionistischen
Aspekten des Jobs zu befruchten. Das ist der Durchbruch. Und irgendwann ist
er ein Star.
Den
Mann gibt es wirklich. Er heißt Howard Stern und hat sich mit seinen anarchischen,
alle Geschmacks- und Anstandsregeln mißachtenden Radioshows in den 80er
Jahren den ersten Platz auf der Hitliste der US-Rundfunkmoderatoren erobert.
Seine 1993 veröffentlichte Autobiografie „Private Parts" stand wochenlang
ganz oben in den amerikanischen Bestsellerlisten. Jetzt wurde „Private Parts"
verfilmt, mit Howard Stern in der Hauptrolle.
Wie
wird einer zum Clown? Eigentlich wollte auch Howard nur eins - geliebt werden.
Aber wie soll das gehen, wenn einer spillerig ist. Brillenträger, eine
unförmige Nase im Gesicht hat und dazu auch noch verklemmt ist? Ganz klassisch
motiviert PRIVATE PARTS seine „Künstlerbiografie" im Schicksal des
jugendlichen Outcasts, treibt dabei allerdings die Schreckenssiuationen üblicher
Kindheits- und Pubertätszenarien ins Groteske, indem er sie gnadenlos übersteigert:
In der Schule ist Howard der einzige Weiße unter lauter Afro-Amerikanern.
Die Eltern sind autoritäre Monster. „Drugs made me paranoid", erzählt
der Halbwüchsige, dann versteckt er mit zittrigen Fingern die Zigaretten
und spült mit ein bißchen Rasierwasser nach, während Mutter
an die Tür donnert.
Mit
ähnlich grellem Humor schildert PRIVATE PARTS die Stationen von Sterns
beruflichem Werdegang: vom ersten Vorstellungsgespräch, über diverse
Provinzsender bis ins NBC-Studio in New York. Dabei mausert sich der Held vom
unbeholfenen Plattenansager zu einem mit allen Tricks des Hörfunk-Journalismus
gewaschenen Profi-Moderator, dem es nicht nur gelingt, eine gewalttätige
Auseinandersetzung mit dem Studiochef live nach draußen zu übertragen,
sondern auch so wenig medienadäquate Stoffe wie „die erste nackte Frau
im Radio" oder eine DEEP-THROAT-Nummer mit einer 13-Inch-Salami rundfunkgerecht
aufzuarbeiten und rüberzubringen. Robin Quivers, seine Nachrichtenfrau
(auch sie spielt sich hier selbst, wie der größte Teil von Sterns
Team), verwickelt er während der Sendung in Gespräche über ihr
Liebesleben. Höhepunkt aber ist eine Episode, in der es Stern gelingt,
eine Anruferin über den Äther zum Orgasmus zu bringen, eine Art Fern-Cunnilingus.
Eingesetze Hilfmittel: ein Studiomikrofon, Schallwellen und der heimische Baßlautsprecher.
Ganz New York hängt an den Radios und verfolgt gebannt das Spektakel.
Natürlich
leidet unter solchen Mätzchen das Eheleben. Das der Sterns kriegt den entscheidenden
Knacks, als Ehefrau Alison (Mary McCormack) eines morgens unter dem Beifahrersitz
eine feuchte Unterhose findet, trauriges Überbleibsel von Sterns einzigem
Fast-Seitensprung. Die weiteren Abenteuer bleiben Moderatorengeschwätz.
Die Aufspaltung in ausufernde Phantasie und biederes Familienleben hat Stern
perfekt internalisiert. Ein bißchen zu verbissen wird hier versucht, uns
zu zeigen, daß sich hinter den öffentlichen Exzessen ein nicht immer
ganz einfacher, aber doch grundanständiger Familienvater verbirgt.
Wenn
Howard mit dem Kampfruf „lt's baby time" ein häusliches Schäferstündchen
einleiten will, ist das tragikomisch, aber auch ein wenig altbacken. Origineller,
witziger und auch spannender sind die Momente des Films, die Einblicke in die
Arbeitsweise Sterns und auch in die internen Machtkämpfe der Sendeanstalten
geben. Denn natürlich ist so einer wie Howard Stern auch eine leidenschaftlich
umstrittene und gehaßte Figur.
PRIVATE
PARTS zeigt (und gibt damit den schrillen, zynischen Begleitakkord zu einem
anderen aktuellen biopic, Milos
Formans LARRY
FLYNT)
die Händel und Hahnenkämpfe hinter den Studiomauern als unterhaltsamen
Einblick in die Mechanismen von Quoten, Medienmacht und öffentlicher Moral.
Dabei taucht Zensur im Film nur auf der Ebene von senderinternen Verhaltensvorgaben
und ihrer tolldreisten oder trickreichen Umgehung auf. Die Freiheit der Rede
wird hier weniger hochgehalten als schlicht praktiziert. Und am Ende siegt das
liebe Geld: Die, die ihn lieben, hören ihn eine Stunde am Tag, heißt
es einmal, die, die ihn hassen, zwei.
Ist
das nun alles wahr oder gelogen? Ist der Schauspieler Howard Stern der ernsthafte
Privatmann oder der öffentliche Clown? Nach 104 Minuten ist klar, daß
für die Darstellung dieses zapplig neurotischen Energiebündels nur
einer in Frage kommt, eben Stern. Ebenso klar ist, daß Stern an diesem
Film stärker beteiligt ist, als es die Credits erscheinen lassen. Zu sehr
sind große Teile mit seiner Improvisationskunst gewürzt. Der Mann
ist ein begnadeter Komiker. Vermutlich wird dies nicht sein letzter Film sein.
Vielleicht führt er beim nächsten Mal selbst Regie. Es wird interessant
sein zu sehen, was für eine Vita sich aus der Leinwandfigur Sterns entwickelt.
Silvia
Hallensleben
Diese
Kritik ist zuerst erschienen in: epd film
PRIVATE
PARTS
USA
1997. R: Betty Thomas. B: Len Blum, Michael Kalesniko (nach dem Buch von Howard
Stern). P: Daniel Goldberg, Joe Medjuck, Keith Samples, Ivan Reitman. K: Wall
Lloyd. Sch: Peter Teschner. M:
Von Dyke Parks. M: Peter Afterman. T: Tod A. Maitland. A: Charles Rosen, Rick
Butler.Ko: Joseph G. Aulisi. Pg: Paramount/ Rysher Entertainment. V: UIP. L:
109 Min. FSK: 12,ffr. St: 24.7.1997. D: Mary McCormack (Alison Stern), Paul
Giamatti (Kenny), Carol Alt (Gloria), Richard Portnow (Ben Stern), Kelly Bishop
(Ray Stern) und mit: Howard Stern, Robin Duivers, Fred Norris, Gary Dell'Ahate,
Jackie Martling.
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