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Propaganda
Das
Plakat sieht aus, als würde es einen Technicolor-Schinken aus den fünfziger
Jahren anpreisen. Nur die beiden Männer im Hintergrund, der eine in türkischer
Uniform, der andere mit dem arabischen Männerkopftuch geschmückt,
weisen, wie auch der Stacheldraht, der das Plakat unterteilt, über den
melodramatischen Kontext hinaus. Propaganda spielt Ende der vierziger Jahre,
nach der Ära Atatürk, in einem anatolischen Dorf direkt an der syrischen
Grenze.
Nicht
nur in Deutschland gab und gibt es pflichtbesessene Beamte. Der Grenzschutzoffizier
Mehdi kehrt in reifem Alter aus Ankara in sein Heimatdorf zurück, mit dem
Auftrag, dort eine Grenzstation zu errichten. Mehdi nimmt seine Aufgabe sehr
ernst. Ein Wachhäuschen nebst Schlagbaum wird errichtet und ein Zaun gezogen
- mitten durchs Dorf. Ab sofort gilt Passzwang, doch keiner der Dörfler
hat einen Pass, warum auch. Der Arzt also kommt nicht mehr zu den Kranken, die
Lehrerin nicht zur Schule. Schafherden stranden. Selbst der Freund wird zum
Fremden. Und natürlich gibt es auch Romeo und Julia: Er ist Mehdis Sohn,
sie ist schwanger und von der anderen Seite.
Es
sind das Liebespaar und Mehdis Ehefrau, die gegen den Grenzchef aufbegehren.
Doch der scheint bereit, die Familie dem Vaterland zu opfern. Ganz altmodisch
und mit einigem Augenzwinkern wird das erzählt. Mit ihrer antiobrigkeitsstaatlichen
Stoßrichtung ist diese politische Parabel eine bissige Attacke, nicht
nur gegen den türkischen Nationalismus. Leider kommt Propaganda -
konträr zum eigenen Anspruch - ganz schön patriarchal daher. Wie Regisseur
und Autor Sinan Cetin seine Heldinnen narrativ der Beschwörung von Vater-Sohn-Männer-Freundschaften
unterordnet, hinterlässt einen schalen Nachgeschmack. Optisch wird Propaganda den
märchenhaft bunten Versprechungen des Plakats voll gerecht: Es war einmal
in Anatolien. In der Türkei war Propaganda ein
riesiger Erfolg, jetzt bringt ihn Warner in die deutschen Kinos.
Silvia
Hallensleben
Diese
Kritik ist zuerst erschienen in: epd Film 11/1999
propaganda
BRD/Türkei
1999. R: Sinan Çetin. B: Sinan Çetin, Gülin Tokat. P:
Cemil Çetin. K:
Rebekka Haas. Sch: Aylin Tinel M: Sezen Aksu. T: Frank Delle, Dominique Kehl.
A: Ismet Ergün. Ko: Yudum Yontan. Pg: Plato Films. V: Warner. L: 110 Min.
FBW: besonders wertvoll. St: 14.10.1999. D: Metin Akpinar (Rahim), Kemal Sunal
(Mehdi), Meltem Cumbul (Filiz), Rafet El Roman (Adem), Ali Sunal (Mahmut), Meral
Orhonsay (Sahane), Müge Oruçkaptan (Mazmye), Berfi Dicle (Melek).
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