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Rambo
Rückblick
auf "Rambo"
Der
Name der Kunstfigur Rambo ist schon lange zu einem geflügelten Wort geworden.
Der "Arbeitszeit-Rambo Pierer" las ich beispielsweise neulich auf
irgendeiner Internet-Seite über den ehemaligen Siemens-Chef. Als Sylvester
Stallones "Rambo" 1982 in die westdeutschen Kinos kam, hagelte es
in etlichen Großstädten Proteste; man forderte die Kinobesucher zum
Boykott des Films auf. "Rambo" als geflügeltes Wort gilt auch
heute noch als negative Beschreibung von Personen, denen Gewalttätigkeit
im Umgang mit anderen nachgesagt wird. Und insbesondere die beiden Nachfolgefilme
"Rambo 2" und "Rambo 3" werden als Paradebeispiel der revisionistischen
US-Geschichtsschreibung interpretiert: Die Niederlage im Vietnam-Krieg sei in
einen klammheimlichen Sieg uminterpretiert worden. Und nicht umsonst trage der
Filmheld den Namen des ersten im Vietnamkrieg gefallenen US-Soldaten.
Inzwischen
gibt es auch andere Lesarten des Films, etwa die, "Rambo" als Zeichen
für die Verlorenheit der amerikanischen Vietnam-Kämpfer zu sehen,
die bei ihrer Rückkehr in die Heimat von Militär und Gesellschaft
ignoriert worden seien, deren Re-Integration verunmöglicht oder zumindest
erschwert wurde usw. Eine andere Lesart hebt darauf ab, dass "Rambo"
zumindest keine Heroisierung darstelle, sondern die geistige Verfassung einer
Nation nach einem verlorenen Krieg sowie einen Mann zeige, der am Boden zerstört
nur noch seinen Idealen nachhänge, von denen keines mehr der Realität
entspreche.
Man
kann "Rambo" also auf ganz unterschiedliche Arten lesen.
WORÜBER
HANDELT "RAMBO"?
Der
aus einem Kriegsgefangenenlager der Nordvietnamesen geflüchtete John Rambo
(Sylvester Stallone), einer der Green Berets, der zu Kampfmaschinen ausgebildeten
US-Soldaten, kommt in die USA zurück und hat nur eines im Sinn: Er will
seine Kampfgefährten finden. Doch er findet niemanden mehr. Entweder sind
sie noch im Dschungel umgekommen oder zu Hause gestorben. Als Rambo in den Distrikt
von Sheriff Will Teasle (Brian Dennehy) kommt, vermutet der in Rambo einen Landstreicher.
Obwohl Rambo nur nach einer Möglichkeit sucht, etwas zu essen, vertreibt
ihn Teasle mit den Worten, 30 Kilometer weiter liege ein Dorf mit einem guten
Restaurant. Teasle fährt Rambo bis zur Stadtgrenze und schärft ihm
unmissverständlich ein, nicht wieder in seinen Distrikt zurückzukehren.
Als Rambo dennoch kehrt macht, wird er von Teasle verhaftet und wenig später
von einigen seiner Deputies sogar misshandelt und eingesperrt. Die zahlreichen
Narben an seinem Körper und die Behandlung durch die örtlichen Cops
verschaffen Rambo das Gefühl, in eine ähnliche Lage geraten zu sein
wie damals im Dschungel.
Rambo
hat gelernt, sich zu beherrschen und im entscheidenden Moment, in einer günstigen
Situation die Initiative zu ergreifen. Genau dies tut er auch jetzt. In kürzester
Zeit hat er einige der Deputies überwältigt und kann in die nahe gelegenen
Wälder flüchten. Teasle organisiert einen Verfolgungstrupp mit allen
ihm zur Verfügung stehenden Männern, samt Spürhunden und allen
Waffen, die in Reichweite sind. Als während der unbarmherzigen Verfolgungsjagd
ein Polizist abstürzt und stirbt, alarmiert Teasle die Nationalgarde und
macht Rambo für den Tod des Cops verantwortlich.
Rambo
kann dies alles nur so interpretieren, dass ihm die örtlichen Sicherheitskräfte
den Krieg erklärt haben. Darauf stellt er sich nun ein, ohne allerdings
irgend jemanden wirklich töten zu wollen. Wenn, dann verletzt er den einen
oder anderen seiner Verfolger, macht ihn kampfunfähig. Immer wieder entkommt
er aufgrund seiner Kenntnisse als Green Beret den Verfolgern, von denen nur
Deputy Mitch (David Caruso) erfolglos versucht, mäßigend auf die
anderen Polizeikräfte und Teasle einzuwirken - bis bei Sheriff Teasle plötzlich
Rambos ehemaliger Vorgesetzter Colonel Trautman (Richard Crenna) auftaucht,
der sowohl Teasle vor Rambos Erfahrungen warnt, als auch versucht, Rambo dazu
zu bewegen, sich zu stellen ...
WAS
SAGT UNS "RAMBO"?
Über
eines sollte man sich zunächst bewusst sein: Rambo ist keine reale, sondern
eine Kunstfigur, d.h. ein aus verschiedenen Elementen zusammengesetzter Typus
von Subjektivität, dessen "Aufgabe" im Rahmen "seiner"
Geschichte, d.h. der Geschichte, die der Film erzählt, Identifikation ermöglichen
soll. John Rambo reduziert sich in dieser Hinsicht auf eine Figur, deren einzige
Möglichkeit der "Kommunikation" in dem besteht, was er gelernt
hat: zu kämpfen. Der reale Anknüpfungspunkt besteht in diesem Fall
im (verlorenen) Vietnam-Krieg, der Rambo sozusagen in seiner spezifischen Subjektivität
geprägt und "gestählt" hat. Die Perspektive, die er allein
hat, ist die des Kampfes, wenn er in eine ähnliche Situation gerät
wie in Vietnam. Er suchte vergeblich nach den anderen, die an seiner Seite standen.
Er allein blieb übrig.
Rambo
ist also in prägnanter Weise ein auf wenige Dimensionen "verkürzter"
Mensch, ein (durch den Vietnam-Krieg) deklassierter Held, dessen Heldendasein
aber eben auch nur eine ihm zeitweise zugedachte Funktion in seiner Gesamtfunktion,
definiert durch den politischen und militärischen Apparat, bedeutet. In
dieser Hinsicht sind die Interpretationen "richtig", die im Blick
auf den Film auf die Uminterpretation einer Niederlage in einen Sieg pochen.
Denn Rambo erscheint von dieser einen Sicht aus als Opfer derjenigen, für
die er (angeblich) sein Leben riskiert hat.
Doch
darin erschöpft sich der Film nicht, eben weil er Film ist. Denn Rambo
wird gerade visuell dem Betrachter als jemand präsentiert, der sich gegen
eine böswillige Meute von (örtlichen und dann auch nationalen) Sicherheitskräften
zu Recht zur Wehr setzt. Jedem leuchtet ein, dass der Einsatz der Nationalgarde
gegen einen Mann, der der Landstreicherei verdächtigt wird, völlig
unverhältnismäßig ist. Durch diese Konfrontation des ausgemachten
Bösen (v.a. Sheriff Teasle, der seine letztlich lächerliche Macht
demonstrieren will) mit dem in diesem Konflikt gar nicht tötungswilligen
Rambo wird positive Identifikation mit dem Verfolgten erst möglich. Rambo
repräsentiert in dieser Hinsicht einerseits die verdrängten Ängste
vieler (sei es Angst vor Armut, vor Gewalt, seien es Existenzängste überhaupt)
in einer individualistisch ausgestalteten Welt, in der der einzelne nicht mehr
einfach nur Teil eines Ganzen ist (wie vor Beginn der Neuzeit), sondern sich
einen eigenen Standpunkt gegenüber dieser Welt verschaffen kann und auch
verschafft. Diese zentrale Perspektive des Ich gegenüber der Welt ist grundsätzlich
etwas Positives, weil sie Teil dessen ist, was man etwas einseitig Selbstbestimmung
nennt. Zugleich jedoch erwächst aus den zunehmenden Ängsten gegenüber
einer Welt, die kaum noch durchschaubar ist, der Wunsch, sich auch in riskanten
oder gar existenzgefährdenden Situationen selbst behaupten zu können
- eine Fähigkeit, die vielen gerade wegen der sich rasant ändernden
sozialen Umstände und den damit verbundenen Defiziten der Gesellschaft
fehlt.
In
dieser Hinsicht greift in der Moderne eine Teil der Literatur und des Films
auf den Typus des archaischen Helden zurück, der sich unter vielen anderen
u.a. auch in der Antike oder etwa in Shakespeares "Macbeth" finden
lässt. Obwohl Macbeth einen Typus von Herrscher verkörpert, der im
Übergang zur Moderne, d.h. auf dem Weg zum modernen Staat mit Gewaltmonopol,
verlieren muss, weil er selbst den gewalttätigen, historisch längst
überholten Stammesfürsten der vor-modernen Gesellschaft verkörpert,
ist der Rückgriff auf solche Typen von Subjektivität in der Geschichte
des Films und der Literatur durchaus gängig. Sie ermöglichen die Identifikation,
wie oben beschrieben, allerdings - wie in "Rambo" - mit einem entscheidenden
Unterschied:
Als
Rambo gegen Ende des Films von seinem ehemaligen Vorgesetzten Trautman eindringlich
gebeten wird, nicht so zu enden (nämlich im Kugelhagel von Polizei und
Nationalgarde), sondern aufzugeben, fängt Rambo plötzlich an zu reden.
Er beklagt sich über die Menschen, die bei seiner Rückkehr gegen ihn
demonstriert und ihn als Mörder von Frauen und Kindern hingestellt hätten:
"Wer sind die denn? Niemand von denen war da draußen in diesem Dschungel.
Sie wussten gar nicht, worum es geht!" Und: "Mir bedeutet das Zivilleben
gar nichts. Im Krieg, da hatten wir einen Ehrenkodex: Du deckst meinen Arsch
und ich decke deinen. Aber hier gibt's so was nicht." Schließlich:
"Da drüben flog ich einen Hubschrauber oder ich bin Panzer gefahren.
Ich war verantwortlich für eine Million Dollar Ausrüstung. Und hier
krieg ich nicht mal einen Job als Parkwächter!" Dann erzählt
er von einer Bombe, mit der einer seiner Kameraden getötet worden ist,
und bricht weinend vor Trautman zusammen: "Es ist sieben Jahre her, jeden
Tag sehe ich das. Nachts wache ich auf, weil ich davon träume. Was soll
ich denn nur machen? Er war völlig hilflos, wie er da lag und schrie. Ich
krieg das nicht aus meinem verdammten Schädel. Er ist verblutet."
In
dieser stark reduzierten Welt, der u.a. das Weibliche, das Sexuelle, das Alltagsleben
der anderen, der Kinder usw. fehlt, einer Welt ohne Lebenslust hat Rambo nur
eine Chance: das Verständnis des ehemaligen Vorgesetzten, der allein seine
Höllenqualen, sein emotionales und auch körperliches Rückwärts-Gerichtetsein
in die eigene Vergangenheit verstehen kann und deshalb in der Lage ist, John
Rambo zum Aufgeben zu bewegen. Es ist in gewisser Weise die Perversion dieser
Geschichte, dass ausgerechnet derjenige, der Rambo zum Green Beret, zur reduzierten
Kampfmaschine ausgebildet hat, auch derjenige ist, der ihn zum Sprechen und
zum Aufgeben bringt.
Und
genau hier, am Schluss des Films, drückt sich das aus, was man die Dichotomie
der Geschichte nennen könnte. Nicht nur Rambo - eine ganze Nation steht
an einer Weggabelung. Es bleibt unklar, in welche Richtung John Rambo, die Kunstfigur
gehen wird. Kann er sich integrieren oder bleibt ihm nichts als das, was er
war und bleiben wird? Kann die amerikanische Gesellschaft eine "wahrhaftige"
Beziehung zu ihrem "Engagement" in Vietnam eingehen oder folgt sie
dem damaligen Präsidenten Ronald Reagan in seinem Kurs der "Auferstehung"
einer bis an die Zähne bewaffneten Weltmacht, die Vietnam "positiv
überwunden" zu haben glaubt?
Rambo
ist eine Kunstfigur, ein kollektives Bild, eine zwiespältige, eben nicht
eindeutige Identifikationsfigur, die am Ende des Films überlebt, während
sie in der Romanvorlage stirbt. Jedenfalls könnte man schlussfolgern, dass
solche Kunstfiguren so lange für viele, vor allem auch Jugendliche Identifikationsmuster
bleiben, wie eine Gesellschaft nicht in der Lage ist, verdrängte Ängste
anders bewältigen zu können. Während Macbeth eindeutig als "Überbleibsel"
einer verfallenen Welt vor der frühen Moderne identifizierbar ist, verbleibt
Rambo in einem Bereich, in dem Eindeutigkeit kaum gegeben ist.
Trotzdem
"funktioniert" das kollektive Bild, das sich in den Köpfen festsetzen
kann, weil Herstellung von Subjektivität im Sinne einer emanzipierten,
kollektiv "abgeglichenen" Individualität eben immer weniger herstellbar
ist.
Die
Sequels "Rambo 2" (1985) und "Rambo 3" (1988) in ihrer direkten
Bezugnahme auf Vietnam bzw. Afghanistan waren übrigens im Unterschied zum
hier besprochenen Film anderer Qualität. Sie rekurrierten in klischeehafter
und ideologisch eindeutiger, wenn auch billiger Machart auf das "neue Selbstbewusstsein"
einer Nach-Vietnam-Weltmacht, die sich anschickte, der anderen Supermacht den
Garaus zu machen.
Während
"Rambo" (noch) den zwiespältigen Eindruck eines modernen, teilweise
auf archaische Vorbilder rückführbaren "Helden", der zugleich
Opfer war, hinterlässt, präsentieren Kriegs- und z.T. Actionfilme
der Gegenwart eher den eindeutigen "Kämpfer", die Kampfmaschine,
die als bevorzugtes und bewundernswert dargestelltes Klischee den heutigen Zustand
der Weltmacht USA nach Golfkrieg, Afghanistan, Irak usw. durchscheinen lässt.
•
D V D •
Sprachen:
Deutsch (Dolby Surround) Englisch (Dolby Surround) Spanisch (Dolby Surround)
Italienisch (Dolby Surround)
Untertitel:
Deutsch, Englisch, Spanisch, Portugiesisch, Italienisch, Türkisch
Bildformat:
16:9, 2.35:1
PAL
DVD
Erscheinungstermin: 31. Oktober 2000
Besonders
ins Zeug gelegt hat sich Kinowelt bei der im Jahr 2000 editierten DVD hinsichtlich
Zusatzmaterial zur DVD nicht. Außer zwei Trailern herrscht gähnende
Leere auf der Scheibe. Eine Dokumentation über die zeitgenössischen
Diskussionen zum Film zum Beispiel hätte der DVD nach über 20 Jahren
sicherlich gut getan.
Geradezu
grotesk verhält sich das Bild auf dieser DVD - wenn es ins Dunkle geht.
Sowohl Bildschärfe, als auch Kontrast lassen merklich nach, es kommt bei
dunklen Flächen zum typischen Pixel-Rauschen. Bei hellen Szenen (Tag, Räume)
ist der Gesamteindruck zwar besser, allerdings findet man in manchen Szenen
dann auch hin und wieder zu viel Licht.
Beim
Ton muss erwähnt werden, dass - abgesehen von der überzeugenden englischen
Spur, an der es eigentlich nichts zu mäkeln gibt - auf die Restaurierung
der deutschen Tonspur nicht gerade besonders viel Wert gelegt wurde. Insgesamt
durchweg dumpf und "rauschig" sind es lediglich Musik und Effekte,
die bei der deutschen Tonspur überzeugen können. Selbst in Szenen
mit zu erwartenden deutlichen und hervorgehobenen Geräuschen jedoch (etwa
ein Aufschrei Rambos, aber auch bei leiseren Geräuschen) zeigt die deutsche
Tonspur kein "Gefühl" für Details.
Insgesamt
also eine eher enttäuschende Edition bei einem so umstrittenen und viel
diskutierten Film. Die DVD ist immerhin für nur € 9,97 bei amazon zu erhalten.
Wertung
Film: 8 von 10 Punkten.
Wertung
DVD: 4 von 10 Punkten.
Ulrich
Behrens
Dieser
Text ist zuerst erschienen bei:
Zu
diesem Film gibt’s im archiv
mehrere Kritiken
Rambo
(First
Blood)
USA
1982, 97 Minuten
Regie:
Ted Kotcheff
Drehbuch:
Michael Kozoll, William Sackheim, Sylvester Stallone, nach einem Roman von David
Morrell
Musik:
Jerry Goldsmith
Kamera:
Andrew Laszlo
Schnitt:
Joan E. Chapman
Darsteller:
Sylvester Stallone (John J. Rambo), Richard Crenna (Col. Samuel Trautman), Brian
Dennehy (Sheriff Will Teasle), Bill McKinney (State Police Capt. Dave Kern),
Jack Starrett (Dep. Sgt. Arthur Galt), Michael Talbott (Deputy Balford), Chris
Mulkey (Deputy Ward), John McLiam (Orval, Hundeführer), Alf Humphreys (Deputy
Lester), David Caruso (Deputy Mitch)
Internet
Movie Database: http://german.imdb.com/title/tt0083944
©
Ulrich Behrens 2005
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