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Rana’s
Wedding
Jerusalem
als eine von Straßensperren und Polizeikontrollen zerrissene Stadt, in
der Selbstmordattentate auf der Tagesordnung stehen. So kennen wir sie aus der
abendlichen Fernsehberichterstattung. Eine Möglichkeit zu zeigen, wie sich
in Jerusalem der Alltag inmitten dieser abnormen Situation gestalten lässt,
liefert das Medium Spielfilm. So zeigte „Göttliche Intervention“ ein surrealistisches
Bild: auf die als absurd empfundenen palästinensisch-israelischen Beziehungen
antwortet er mit einem seiner entfesselten Fantasie entsprungenen subversiven
Humor.
Hany
Abu-Assad wirft einen vermeintlich realistischeren Blick auf den „täglichen
Wahnsinn“ in Jerusalem aus der Sicht eines Filmkünstlers, der sich mit
Hilfe der Fiktion der durchaus komplexen Lage nähert: der jungen, offensichtlich
aus wohlhabender Familie stammenden Rana setzt ihr Vater eine Art Ultimatum:
wenn sie bis vier Uhr nachmittags nicht geheiratet hat, soll sie mit ihm nach
Ägypten reisen. Dazu hat er Rana eine Liste mit den ihm genehmen Heiratskandidaten
ausgehändigt. Doch Rana denkt nicht daran, jemand aus der ominösen
Kandidatenliste zu heiraten. Wenn sie eine Ehe eingehen soll, dann mit dem Theaterregisseur
Khalil, in den sie verliebt ist.
Ein
Tag im Leben einer jungen Palästinenserin. Der Zuschauer folgt Rana durch
Ostjerusalem, dann macht er sich zusammen mit ihr in Richtung Ramallah auf der
besetzten Westbank zum Theater auf, wo Khalil arbeitet, und wo er die Nacht
verbringen musste, weil die Straße nach Jerusalem wieder einmal gesperrt
war. Der Entschluss, Khalil heute noch zu heiraten, hin und wieder von Zweifeln
und zwiespältigen Gefühlen begleitet, wird zu einem Hindernislauf:
Rana muss sich durch die allgegenwärtigen Straßensperren und Checkpoints,
an mit Steinen werfenden Jungen vorbei, durcharbeiten, um zu Khalil zu gelangen.
Zusammen mit einem Freund des Theaterregisseurs machen sie sich im alten VW-Käfer
auf die Suche des Standesbeamten. Die woanders routinemäßigen Vorbereitungen
einer Hochzeit – Beschaffung der entsprechenden Dokumente, Ringkauf, Friseurbesuch,
Besorgung des Hochzeitskleids – drohen im Chaos der zerrissenen Stadt zu scheitern.
Ein
Meisterwerk ist „Rana’s Wedding. Jerusalem,
another day“ sicher nicht. Dafür
nimmt sich der Erzählrhythmus zu unausgeglichen aus: mitten in der Handlung
hält der Film immer wieder unvermittelt inne; die Kamera verweilt auf dem
hübschen Gesicht Ranas, sie liebkost es eins ums andere Mal eine Spur zu
lang. Zwar besitzt die Schauspielerin Clara Khoury genügend Ausstrahlung,
um dieser teilweise penetranten Kameraführung Stand zu halten – die Auszeichnung
mit dem „Prix de l’interprétation feminine“ auf dem Marrakech Filmfestival
2002 zeugt davon –, dies geschieht jedoch auf Kosten der anderen Rollen. So
erhält etwa Ranas Bräutigam Khalil eigentümlich wenig Konturen;
aber auch alle anderen Figuren verblassen gegenüber Rana. „Rana’s Wedding“
wird zu einer „One Woman Show“.
Dennoch:
mit feinen Pinselstrichen wird der israelisch-palästinensische Konflikt
zur Folie, auf der Ranas Wettlauf gegen die Uhr stattfindet. Die Schlacht, die
sich israelische Soldaten mit Steine und Molotowcocktails werfenden Jugendlichen
liefern, der Abriß eines Hauses neben der Wohnung einer Freundin durch
die Militärs, die Begräbnisprozession eines Palästinensers, die
Plastiktasche, die für eine Bombe gehalten und von einem Spezialkommando
gesprengt wird, besitzen stark dokumentarischen Charakter, zumal der ausschließlich
in Ost-Jerusalem und Ramallah gedrehte Film ohne jede Drehgenehmigung entstand.
Aus diesen vereinzelten kurzen Sequenzen entsteht ein aussagekräftiges
Bild des heutigen Jerusalem.
Obwohl
„Rana’s Wedding“ weniger skurril als „Göttliche Intervention“ ausfällt,
besitzt auch diese fiktionale Erzählung symbolischen Charakter: „Wenn Absperrungen
und Besetzung Alltag werden, verwandeln sich normale Dinge, wie Liebe und Heirat
in Fiktion. So ist das Leben in Palästina“, erklärt Abu-Assad die
Grundidee von „Rana’s Wedding“.
Trotz
allem bietet Regisseur Hany Abu-Assad durch die zauberhaften Bilder der Stadt
eine optimistische Sicht auf die Menschen, die mit einer Prise Humor die Widrigkeiten
der bizarren politischen Situation zu meistern und mitten in einer zerrissenen
Stadt einen halbwegs normalen Alltag zu führen versuchen. Menschen wie
die junge Rana, die sich entgegen der islamischen Tradition ihren Bräutigam
selber aussucht und mitten im israelisch-palästinensischen Konflikt ihr
Glück zu finden hofft.
José
García
Diese
Kritik ist zuerst erschienen in:
Rana’s
Wedding
Rana's
Wedding. Jerusalem, another Day
Al
Quods Fee Yom Akhar
Regie:
Hany Abu-Assad
Darsteller:
Clara Khoury, Khalifa Natour, Ismael Dabbag, Walid Abed Eslalam, Zuher Fahoum
Palästina
2002
Laufzeit:
86 Minuten
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