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Red Love
Ein Paar setzt sich auseinander.
Über innerkommunistische Probleme. In einem new yorker Kleinappartement.
Kleidungsattribute sind das Palästinensertuch, der Parka, die dunkle Sonnenbrille
- vor der nächtlichen Kulisse der Hochhäuser. Wladimir und Wassilissa
sprechen über Parteiarbeit und Privatgefühle. Währenddessen ziehen
sie sich aus. Die Kamera zeigt eine Nummer des Esquire. Wenn die Auseinandersetzung
stockt, wird ins Textbuch geguckt. Es wird englisch gesprochen. Arbeiterheld
Wladimir rechtfertigt sich: »I used to be an anarchist. I'm no
communist anymore. I am going to the party committee tonight to explain my actions.«
Wassilissa spricht hinter einem
Vorhang. »What about the fact what I
feel.« Auf
sein »shit« reagiert sie mit »I fuck you«. Beide liegen
auf dem Bett. Der Gasofen brennt. Er träumt von Moskau. Da gibt es neue
Möbel. Damit kann sie nichts anfangen: »I am no movie queen, I am
no victim.« Sie denkt an die Parteiarbeit. Sie muß eine Rede halten:
»I am working on a speech. This is my work.« Wladimir: »I am stronger as you. You are getting hysteric.« Ihr Schlußsatz:
»I hate you.« Sie sagt ihn dreimal.
Der 11-Minuten-Film verlegt Szenen
des Romans von Alexandra Kollontai aus der Sowjetunion der frühen 20er
Jahre ins New York von 1980. Lindzee Smith und Betsy Sussler spielen mit der
Hitze derer, die Angst vor Virginia Woolf haben. Durch den Blick in die Dialogliste
legen sie offen, daß es sich um Theater, Experiment, Probe handelt. Im
Spiel ist nichts Naives und Dilettantisches. Der kurze Film ist eine Probe dafür,
wie ein Spielfilm Praunheims mit professionell auftretenden Schauspielern aussehen
würde. Lindzee Smith und Betsy Sussler sind Mitglieder der new yorker Theater-,
Film- und Videogruppe Nightshift.
In RED LOVE ist Praunheim als
Person abwesend. Was er zu sagen hat, ist verarbeitet, in einem Werk. Die Szenen
aus dem Roman der bolschewistischen Feministin sind nicht nur zeitlich und örtlich
ins aktuelle New York verlagert, Praunheim hat durch den optischen Verweis auf
die abgebildete Nummer des Esquire auch aktuelle deutsche Politik ins Spiel
gebracht; die Baader-Meinhof-Story des Magazins ist mit Junkie-Texten von William
S. Burroughs vermischt; Thema ist die white cell, die Isolationsfolter.
RED LOVE, gedreht an einem einzigen
Tag, war Probe und erste Sequenz für einen langen Spielfilm, der in New
York und Miami entstehen sollte. Zu diesem Film ist es, man muß wohl sagen:
leider, nicht gekommen. Praunheim hatte Geld dafür zur Verfügung (Prämien
des Bundesinnenministeriums und des Kuratoriums Junger Deutscher Film). Nach
den Aufnahmen der Lindzee Smith/Betsy Sussler-Sequenz wurden Praunheim jedoch
Gelder der berliner Filmförderung offeriert. Er entschloß sich daraufhin,
ROTE LIEBE in Deutschland zu drehen, notgedrungen mit anderen Darstellern. Und
mit einem Etat von einer Million Mark.
Die RED LOVE-Sequenz wurde später
in die erste Fassung der ROTEN LIEBE WASSILISSA) aufgenommen; sie fehlt in der
zweiten (mit Helga Goetze). Da es die zweite Fassung war, die in den Kinos ausgewertet
wurde, gibt es RED LOVE als Extrafilm.
Dietrich Kuhlbrodt
Dieser Text ist
zuerst erschienen in: Rosa von Praunheim; Band 30 der (leider eingestellten) Reihe Film, herausgegeben in Zusammenarbeit mit der Stiftung Deutsche Kinemathek
von Peter W. Jansen und Wolfram Schütte im Carl Hanser Verlag, München/Wien
1984, Zweitveröffentlichung in der filmzentrale mit freundlicher Genehmigung
des Carl Hanser Verlags
RED LOVE
BRD/USA 1980 – Regie, Drehbuch: Rosa von Praunheim, nach Motiven
des Romans Wassilissa Malygina von Alexandra Kollontai. - Kamera: Michael Oblowitz.
- Schnitt: Rosa von Praunheim, Elke Granke. - Ton: Mike Shephard. - Darsteller:
Lindzee Smith, Betsy Sussler. - Produktion: Rosa von Praunheim. - Drehort: New
York. - Format: 16 mm, Farbe (Kodak). – Original-Länge: 11 min. - Uraufführung:
20.2. 1982, Internationales Forum des jungen Films, Berlin.
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