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Renegades – Auf eigene Faust
Die Heimkehr der verlorenen Söhne,
dem Ruf der Väter folgend. Aber vorher muß Hank Storm, Indianer vom
Stamm der Sioux, noch die heilige Lanze suchen und finden, und zwar mitten in
Philadelphia 1989. Das bedeutet für ihn eine harte Probe und für die
Zuschauer deftige action und beste Unterhaltung. „Du bist zurückgekommen,
weil Dein Platz bei uns ist", eröffnet ihm Häuptling Red Crow
und schließt ihn in die Arme. Nein, Hank ist kein Renegat, und auch sein
Mitstreiter Buster McHenry ist nicht abtrünnig, denn der weiße Polizist
rächt seinen Vater, welcher von korrupten Polizisten und italienischen
Gangstern ins Verderben gestürzt ward.
Hank und Buster, die Doppelhelden
des Films, verfolgen aus verschiedenen Motiven das gleiche Ziel, nämlich
die bösen Gangster- und Polizeibosse zur Strecke zu bringen. Und damit
ist RENEGADES auch ein Film über die Beziehung der beiden Männer.
Sie raufen sich zusammen, und die gegenseitige Aggressivität mündet
in einem scheuen Lächeln, wozu das indianische Reinigungsritual des Salbeidampfes
hilfreich beiträgt. RENEGADES erzählt die Geschichte einer Männerfreundschaft;
ist Actionfilm, auch Dritteweltfilm, Gangsterfilm, Indianerfilm und - freilich
aktualisiert - Fantasyfilm. Denn der Mythos vom goldenen Vlies lebt in der Suche
nach der heiligen Lanze, auch wenn das Ambiente eher an „Miami Vice" gemahnt,
und genau in dieser Serie hat der Darsteller des indianischen Helden (Lou Diamond
Philipps) jüngst gespielt. Wenn er aber nach einigen wüsten Autocrashs
aufs Pferd steigt, den Körper reckt und die brennende Lanze ins Herz des
bösen Feindes schleudert, dann fragen wir uns, ob nicht an gänzlich
unvermuteter Stelle der längst vergessen geglaubte Indianerfilm seine Auferstehung
feiert.
Man wird bei der Aufzählung
der Genres den Liebesfilm vermissen, und in der Tat kommt eine Barbara in RENEGADES
zwar vor, aber nicht zum Zuge. Das macht aber nichts. Regisseur Jack Sholder
(NIGHTMARE II, THE HIDDEN): „Wenn es in solchen Filmen eine Liebesgeschichte
gibt, dann zwischen den Männern. Normalerweise stören die Frauen da
nur."
Weil die Operation mit den verschiedenen
Genres ganz auf die Protagonisten konzentriert ist und andererseits alles Störende
entfernt ist, funktioniert der Film im Ergebnis nicht schlecht. Aufklärungs-,
Bildungs- und Gedankenarbeit kann man nicht erwarten, denn die Doppelhelden
haben anderes im Sinn. Nur was es bringt, die auferlegten Proben und Abenteuer
zu bestehen, wird auf der Leinwand gezeigt. Wenn der fahle Mond am Nachthimmel
steht und der alte Häuptling im schäbigen Hotelzimmer sein Beschwörungsritual
entfaltet - der Film hat den Folkloresänger und Minderheitenvertreter Floyd
Westerman engagiert -, dann steht das praktischer- und notwendigerweise für
die stationäre Versorgung einer Schußwunde. Naturgewalt, Intuition
und zweites Gesicht erweisen sich auch von hohem Nutzen, wenn es darum geht,
Auto-Fährten auf innerstädtischen Verkehrsknotenpunkt zu wittern oder
bissige Schäferhunde in zutrauliche und händeleckende Menschenfreunde
zu verwandeln. Was Hank, der Indianer, an täglichen Wundern vollbringt,
ist gut für den weißen Kumpel Buster. Und was gut für die Helden
ist, ist auch gut für den Film und für die Wagen von General Motors,
die hundertfach zu Bruch gefahren werden. Die Übersinnlichkeit, Magie und
Weisheit der Dritte-Welt-Sioux läßt sich so anschaulich und unmittelbar
verwerten. Daß dies eine Art der Ausbeutung sein könnte, kommt weder
unseren Helden noch dem Film in den Sinn. Denn, so lehrt uns der Film, nicht
Sinnproduzenten, wohl aber die Helden und die Starken überleben: „Only
The Strong Survive" (Film-Song).
Regisseur Sholder verteilt in
lapidaren Bildkonzentraten seine Sympathien. Kalte, düstere Farben für
Italiener und Gangster, schwarze BMWs und im Ohrläppchen ein goldenes Kreuz.
Offene Hügel- und Stadtlandschaften, Horizonte und Himmelsgestirne auf
Seiten der Indianer und ihrer Freunde und genügend Platz für übersinnliche
Verständigung. Ein Blick, eine kaum merkliche Veränderung. Visionen
im Alltag und mitten im Klischee. Ein bemerkenswerter Film.
Dietrich Kuhlbrodt
Dieser Text
ist zuerst erschienen in: epd Film 11/89
Renegades – Auf eigene Faust
RENEGADES
USA 1989. R: Jack Sholder. B: David Rich. K: Phil Meheux. Sch:
Caroline Biggerstaff. M: Michael Kamen. T: Bryan Day. Ba: Carol Spicr. A: James
McAteer. Ko: Gina Kiellermann. Pg: Morgan Creck Prods. Gl: James
G. Robinson, Joe Roth, Ted Foeld, Robert Cort P: David Mudden V: Delta L:
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