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Humaines
Die
Kamera bewegt sich so selten in diesem neuen Film von Laurent Cantet, daß
ein ganz besonderer Augenblick vorhanden sein muß, wenn dies geschieht.
So beispielsweise bei der Ankunft des Protagonisten Franck (Jalil Lespert) in
der Fabrik, in der sein Vater an einer Schweißmaschine arbeitet. Die Kamera
verfolgt den Weg des jungen Mannes durch die Firma unaufhaltsam, auch wenn zahlreiche
Maschinen sich zwischen ihn und den Zuschauer drängen; die gleichförmige
Bewegung von Kamera und Held bereitet vor auf einen Film, der sich ganz und
gar seiner Hauptperson widmen wird.
Später,
als die Arbeiter der Fabrik streiken, wird ihr Blick auf eine Empore von der
aus die Firmendirektion auf das Geschehen herabblickt, durch einen in seiner
Unerwartetheit schwindelerregenden Kameraschwenk dargestellt. Und ganz am Ende
des Films, der Protagonist ein gewandelter Mensch, nähert sich das Kameraauge
dem Gesicht seines Helden in einer vorsichtigen Fahrt an. Durch diese wenigen
durch ihre Bewegung auffallenden Augenblicke strukturiert, erzählt Cantet
in seinem Film die Geschichte vom jungen Helden, der vom Kapitalismus enttäuscht
zum Kämpfer für die Rechte der Arbeitnehmer wird. Franck beginnt ein
Praktikum in der Firma, in der sein Vater schon seit Jahrzehnten arbeitet in
dem Glauben, mit seinem Konzept für die Einführung der 35-Stunden
Woche den Arbeitern in der Fabrik entgegenzukommen, muß jedoch schnell
feststellen, daß seine Arbeit von der Firmenleitung dazu ausgenutzt wird,
die Gewerkschaften zu umgehen, und die Entlassung von 12 Mitarbeitern vorzubereiten,
darunter auch Francks Vater (Jean-Claude Vallod). Enttäuscht wechstelt
Franck die Fronten und schließt sich dem Arbeitskampf der Gewerkschaft
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behandelt ausschließlich den Werdegang und die Motive seines Protagonisten.
Keine Szene, in der er nicht im Bilde ist, die verbleibenden Charactere bleiben
dadurch leider ein wenig unausgeleuchtet.
Dennoch
gelingt mit der Entscheidung, sich ganz auf seinen Helden zu konzentrieren eine
spannende Darstellung von Entwicklung und Enttäuschung der Figur des Franck.
Besonders ausgeleuchtet wird vor allem die Beziehung zwischen Vater und Sohn,
oder besser gesagt, die Beschreibung der Emanzipation des Sohnes vom Vater.
Die Enttäuschung des Sohnes über die Passivität des Vaters im
Umgang mit Autoritäten und das Unverständnis über die Scham des
Vaters bezüglich seines Arbeiterstatus entlädt sich in Streit und
Loslösung des Sohnes.
Zu
einer glaubwürdigen Auseinandersetzung mit dem Thema wird Ressources
Humaines
auch durch die Beschreibung der Entwicklung des Protagonisten als einem Balanceakt
zwischen Extremen. Es gelingt Franck nicht, das prekäre Gleichgewicht der
Einigung zu finden, nachdem er zu Beginn des FiImes noch suchte. Statt dessen
tritt er ein in einen Krieg, wechselt die Fronten, verzichtet mehr und mehr
auf den Dialog mit dem Gegner wie auch dem Vater und verläßt sich
statt dessen immer mehr auf Agression. Diese Aggression jedoch ist es auch,
die ihm die Kraft gibt, seine Ziele zu verfolgen und seine Selbstständigkeit
zu erreichen.
Ein
schöner Film, weil seine Held glaubwürdig und Cantets Ästhetik
angenehm unaufdringlich und ruhig ist. Keine unmotivierte Kamerabewegung, so
gut wie keine nicht diegetisch motivierte Musik und dennoch kein Dogma-Naturalismus
sondern statt dessen ein sich ästhetischen Gestaltungsmitteln durchaus
bewußter Regiestil machen Ressources
Humaines zu
etwas besonderem.
Benjamin
Happel
Dieser
Text ist zuerst erschienen bei:
Ressources
Humaines
Laurent
Cantet
Frankreich
/ GB 1999
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